Schriftenreihe EGGE-WESER 1 (1981)
001-012

Unsere Pflanzenwelt im Umbruch

Arbeitsgruppe "Freilandpflanzenkunde" der Universität-Gesamthochschule Paderborn, Abteilung Höxter:
Knüver, B., A. Ehmke, A. Schneider & M. Theile

Einleitung

In unserer Zeit jagen sich die Hiobsbotschaften über die Verarmung der Umwelt. Ist es möglich, rasch eine ausgewogene Übersicht der wirklichen Lage zu gewinnen? Für die höheren Pflanzen des Kreises Höxter östlich vom 9.Meridian seit 1976 ja! Damals erschien der "Atlas zur Flora von Südniedersachsen" von H. HAEUPLER. Er umfaßt zu 96% auch die Fläche des Kreises Höxter. Im Gegensatz zu den geschriebenen Floren, die nur bei den selteneren Arten Verbreitungsangaben bringen, arbeitet der Atlas bei allen Arten gleichmäßig flächendeckend. Das ganze Gebiet ist in Grundfelder eingeteilt, hier in Viertel der "Topographischen Karte 1: 25.000", die früher "Meßtischblatt" hieß. In jedem dieser "MTB-Quadranten" hakt mindestens ein Bearbeiter alle Pflanzenarten, die er dort findet, in einer vorgedruckten Liste an. Jede solche Feststellung erscheint in der Karte als Punkt, ältere Angaben, die nach 1945 nicht mehr bestätigt werden konnten, als Kreis.

Die Rasterkärtchen sagen nichts aus über die Individuenzahl der Art im einzelnen Grundfeld. Die Feige (Ficus carica) ist im Grundfeld Höxter durch einen einzigen Strauch, der Roßkümmel (Laser trilobum), mit mehreren tausend Stauden vertreten. Beide werden durch je einen Punkt dargestellt. Auch können die Punktkarten nicht zeigen, ob allgemein verbreitete Arten zu- oder abnehmen. Aus einer faunistischen Arbeit (PREYWISCH und STEINBORN 1977) wissen wir, daß in unserem Raum der Grasfrosch in allen Grundfeldern auftritt, aber überall abnimmt. In den Kärtchen der Abb. 1 wird der Kreis Höxter durch das umrandete Gebiet im Südwesten dargestellt. Die geradlinige Begrenzung kann sich nicht mit der Verwaltungsgrenze des Kreises decken. Es entfallen eine kleine Nord- und Südspitze. Dafür werden ein winziges Stück des Kreises Paderborn und größere des Kreises Lippe und von Niedersachsen und Hessen in diesen 51 Grundfeldern mit eingeschlossen.

Abb. 1: In der Schlüsselkarte (aus HAEUPLER 1976), Maßstab etwa 1:200.000, ist im Südwesten durch eine verdickte Linie das Gebiet herausgehoben, das in dieser Arbeit behandelt wird. Wegen der geradlinigen Abgrenzung ist es etwas größer als der Kreis Höxter.

In den nachfolgenden (ausgesuchten) Artenkärtchen bedeuten Punkte Funde nach 1945, Kreise vor 1945, nachher verschollen, Kreuze mit Sicherheit erloschene Vorkommen, Fragezeichen unsichere Angaben. In den Erläuterungen bedeuten die Symbole E, A und N sowie 1-4 dasselbe wie in Abb. 2 und Tab. 1.


1
A c4. Das Rundblättrige Hasenohr (Bupleurum rotundifolium) weicht nach Südosten zurück, in Richtung auf sein Herkunftsgebiet, den östlichen Mittelmeerraum. Das kalkliebende Ackerunkraut verträgt nur geringe Stickstoffmengen und ist seit Beckhaus (1893) aus unserem Raum nicht mehr gemeldet.

A b2. Die Rossminze (Mentha longifolia), eine Uferpflanze, zieht sich in Richtung auf ihr Herkunftsgebiet Südeuropa zurück. Im Kreise Höxter ist das noch kaum erkennbar, im Gesamtkärtchen schon sehr deutlich.

a1. Das Hirtentäschel, eines der verbreitetsten Acker- und Gartenunkräuter, ist überall vertreten. Sein Fehlen an manchen Stellen dieses Kärtchens deutet auf Bearbeitungslücken.

E c3. Die Schwanenblume (Butomus umbellatus) leidet wie fast alle Uferpflanzen unter der wachsenden Belastung dieses Lebensraumes.

N d4. Eine Wildfeige wurde an der Kaimauer in Höxter über 30 Jahre alt und wurde bei der Tagung der Floristisch-soziologischen Arbeitsgemeinschaft 1977 sehr bewundert. Inzwischen fiel sie der Mauerpflege zum Opfer. Der Punkt ist durch ein Kreuz zu ersetzen.

(N) a1. Das Behaarte oder Viermännige Schaumkraut (Cardamine hirsuta) verträgt keinen Kalk. Es war deshalb bei uns nicht einheimisch. Wahrscheinlich erst nach 1970 tauchte es hier auf. Unser Kärtchen verzeichnet erst einen Fundpunkt, eine Gärtnerei in Höxter. Heute ist es in allen Grundfeldern des Kreises vertreten.

E d3. Kleines Knabenkraut (Orchis morio ssp. morio)Unser Raum konnte noch einen Standort des verlöschenden Kleinen Knabenkrauts aufweisen. Es wurden von Jahr zu Jahr weniger Pflanzen, ein weißes Stück hat auch ein Raritätenjäger ausgegraben. Seit 1979 muß auch dieses Vorkommen abgeschrieben werden. (Mündl. Mitteilung, G. HESSE).

E c3. Der fast menschenhohe Zungen-Hahnenfuß (Ranunculus lingua) nimmt als Uferpflanze überall stark ab. Bei Höxter bildete er bis 1964 einen prächtigen Ring um die größere der beiden "Grundlosen". Dann wurde er wie alle seltenen zweikeimblättrigen Pflanzenarten dieses Standorts durch ein Wuchsmittel totgespritzt.

A c1. Der Hasen-Klee (Trifolium arvense) ist hochempfindlich gegen Stickstoffgaben. Deswegen ist er als Ackerunkraut völlig verschwunden und auf Bahndämme, Raine und Sandflächen ausgewichen. Er war früher im ganzen Kreis anzutreffen. Unter dem Namen Wüllweken, Kättkens usw. war er Bestandteil des Krautbunds. Die Abnahme kommt in unserer Karte nicht zum Ausdruck, denn in den Lokalfloren finden sich für die einstmals häufige Art keine Angaben über Fundorte.


2

Wir haben versucht, alle Arten dieses "Kartierungsgebiets Kreis Höxter" nach zweierlei Gesichtspunkten zu gruppieren, und zwar jeweils in einer groben Vierer-Einteilung. Manche Autoren ordnen z.B. nach Zehntel-Gruppen. War eine Art in mindestens 48 Grundfeldern verzeichnet, galt sie als "gemein". In Tab. 1 und Abb. 2 erscheint diese Gruppe unter (a). Arten in 26 bis 47 Feldern sind "verbreitet" (b), in 5 bis 25 "zerstreut" (c) und in 1 bis 4 "selten" (d). Gewagter ist die zweite Gliederung. Nur Punkte im "Kreisgebiet" heißt:
„nicht abnehmend" (1), bis 50% Kreise von Punkten: "abnehmend" (2), mehr Kreise: "stark abnehmend" (3) und nur Kreise oder Kreuze: "verschollen" (4).

  a b c d S
1 81 293 359 208 941
2   4 32 7 43
3     68 35 103
4     13 124 137
  81 297 472 347 1224

Ein hoher Anteil erloschener und gefährdeter Arten wird erkennbar. Aus dem Rasterkartenatlas können wir nur diese negative Tendenz erkennen. Die positiven, wie Einwanderung oder Zunahme, müssen wir den geschriebenen Floren entnehmen, wie etwa ROTHMALER (1958, 1963). Wir hielten uns an Runge 1972, zogen aber auch MEIER-BÖKE (1978) zu Rate. Wir können in unserer Flora drei geschichtliche Hauptgruppen unterscheiden. Da sind die Arten, welche die Eiszeit überdauerten oder danach auf natürliche Weise eingewandert sind. Diese einheimischen oder indigenen Arten sind in der Minderzahl. Die letzte Eiszeit ging hier ja erst vor rund 10.000 Jahren zu Ende. Als wenige Jahrtausende später die ersten Getreidebauern ihre Grundnahrungspflanzen aus dem Mittelmeerraum einführten, kam unser wichtigster Waldbaum, die Buche, auch erst an. Pflanzen, die der Mensch brachte oder die erst einwandern konnten, weil er den Wald veränderte oder durch Äcker, Wiesen, Wege und Siedlungen ersetzte, werden Archäophyten genannt. Nach der Entdeckung Amerikas erreichten weitere Arten, die Neophyten, unseren Raum.
Die wissenschaftliche Erforschung unserer Flora begann knapp vor 1800 mit wenigen Angaben des Kgl. Hannoverschen Hofbotanikers EHRHART und setzte stärker in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, dann aber gründlich ein. Nur für diesen Zeitraum können wir die Zahl der abnehmenden oder verschwundenen Arten erschließen, nur für ihn auch die Einwanderer in unserer Bilanz aufwiegen. Wir verschieben deshalb für unser Gebiet die Grenze zwischen Archäophyten und Neophyten eigenmächtig auf das Jahr 1800.

Tab. 2: Abnahme der historischen Pflanzengruppen im Kreise Höxter
n1 = Zahl der bisher aufgefundenen, n2 = Zahl der davon wieder verschollenen Arten; % n1 = Anteil von n2 an n1; n = Rest; % t = Anteil der historischen Gruppen am heutigen Artenbestand).
   
  n1   n2 % n1   n % t
Indigene 508 - 47 ( 9,3) = 461 ( 42,4)
Archäophyten 582 - 54 ( 9,3) = 528 ( 48,6)
Neophyten 134 - 36 (26,9) = 98 ( 9,0)
Gesamt 1224 - 137   = 1087 (100,0)

Wir betreten also den Zeitabschnitt unserer Betrachtung mit 1090 Arten (Indigene und Archäophyten) und verlassen ihn mit 1087. Anders gefaßt: Seit 1800 sind 134 Arten dazugekommen und 137 verschollen. Ist die Bilanz also ausgeglichen? Leider nicht. Von 96 der 135 Neupflanzen läßt sich einigermaßen das späteste Einwanderungsjahr aus JÜNGST (1853), BECKHAUS (1893) und vor allem RUNGE (1972) ermitteln oder abschätzen. Davon sind in den ersten 60 Jahren, von 1800 bis 1859, wahrscheinlich 32, von 1860 bis 1919 40 und von 1920 bis heute 24 Arten neu aufgetreten. Die Neufunde häufen sich in den Jahren nach 1840 und besonders nach 1860. Der erste Gipfel mag darauf zurückgeführt werden, daß die preußischen Reformen der Land- und Forstwirtschaft zum Tragen kamen, der zweite und höhere ist ganz offenbar dem neuen Verkehrsnetz, vor allem den Eisenbahnen zu verdanken. Ein letzter, schwacher Anstieg folgt dem Zweiten Weltkrieg.


3
Abb.2: Die Abbildung bringt die gleiche Darstellung wie Tab.1, diesmal aber in Prozenten der Gesamtzahl.

4

In den gleichen Zeiträumen sind verschollen 11, 21 und 105 Arten. Selbst wenn für unsere Statistik noch mehr als für andere der süffisante Satz gelten mag, sie sei eine genaue Addition ungenauer Angaben, selbst wenn man noch alle möglichen weiteren Fehlerquellen bedenkt, bleibt an der Tendenz nicht zu rütteln. Burrichter (1977) gliedert den Einfluß des Menschen auf unsere Vegetation in drei Abschnitte:

1. Geschlossene Waldlandschaft vor Eingriff des Menschen geringe Differenzierung, Armut an Vegetationseinheiten
2. Periode der Extensivwirtschaft in vorgeschichtlicher und mittelalterlicher Zeit starke Differenzierung und Bereicherung der Vegetation
3. Periode der Intensivwirtschaft in der Neuzeit Entdifferenzierung und Verarmung der Vegetation

Das Land hat eine "Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere" herausgegeben (1979). Sie soll das "Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen" ergänzen und den Behörden Entscheidungshilfe bei Schutz und Rettung gefährdeter Arten, vor allem aber bei Neuplanungen geben. Ein Vergleich der Verhältnisse im Land und im Kreis lohnt sich.

So wie es den Verfassern der Roten Liste schwer fiel, die Gefährdungsstufen gegeneinander abzugrenzen, mußten auch wir schematisieren. "Stark gefährdet (A.2)" wird in der Roten Liste Nordrheinwestfalen wie in der Roten Liste Bundesrepublik Deutschland (1977) übereinstimmend definiert:

Arten mit niedrigen Beständen bzw. Arten, deren Bestände im nahezu gesamten heimischen Verbreitungsgebiet signifikant zurückgehen oder regional verschwunden sind. Die Erfüllung eines dieser Kriterien reicht aus. Danach müßten wir aus Tabelle 1 die Gruppen c3 und d1-3, insgesamt 282 Arten, zu A.1.2 und A.2 rechnen. Wir werteten vorsichtiger. Zu A1.2 zählten wir c3 und d2,3: 110 Arten. A.2 bildeten wir aus je einer Hälfte von c2 und d1: 120 Arten, A.3 aus dem Rest. A.4 sollte ein Drittel von c1 sein: wiederum 120 Arten. Wie der Vergleich von A.1.1 in der Landes- und der Kreisliste erkennen läßt, wo die Grenzen eindeutig sind, dürfte unsere Bewertung der anderen Gruppen optimistischer als in der Landes- und Bundesliste sein. Hier der Vergleich von Land Nordrhein-Westfalen und Kreis Höxter:

    n NW % n HX %
A.1.1 = verschollen 84 5,3 137 11,2
A.1.2 = vom Aussterben bedroht 118 7,4 110 9,1
A.2 = stark gefährdet 101 6,4 120 9,3
A.3 = gefährdet 153 9,7 120 9,3
A.4 = potentiell gefährdet 104 6,6 120 9,3
  A.1 bis A.4 560 35,4 607 48,2
  Gesamtartenzahl 1580   1224  
  Untersuchungsfläche in qkm (siehe Text) 33950   1640  

Tab. 3: Vergleich der Artenbedrohung in Nordrhein-Westfalen und im Kreis Höxter


Tab. 4: Die im Arbeitsgebiet verschollenen Arten  (Erläuterung der Abkürzungen)

Hinweis: Die Tabelle wird hier durch angedeutete Seitenwechsel nicht unterbrochen!

Wissenschaftlicher, deutscher Name G A. R.
Aceras anthropophorum, Menschentragendes Ohnhorn A? 1.2 1930
Achillea nobitis, Edle Schafgarbe N - 1882
Adonis flammea, Flammen-Adonisröschen A 1.1    
Ajuga chamaepitys, Gelber Günsel A 1.2 1953
Allium sphaerocephalon, Kugelköpfiger Lauch A ? 1.1 1837
Ammi majus, Große Knorpelmöhre N - 1893
Anthriscus caucalis, Hundskerbel A - 1837
Apium nodiflorum, Knotenblütiger Scheiberich I 3 1853
Aristolochia clematitis, Osterluzei A 3 1958
Asperugo procumbens, Schlangenäuglein N     1853
Atriplex hortensis, Garten-Melde N - 00
Atriplex rosea, Rosen-Melde A? - 1853
Avena nuda, Sand-Hafer A - 00
Barbarea stricta, Steife Winterkresse A? 4 00
Bifora radians, Strahlenhohlsame N - 1922
Brassica nigra, Schwarzer Senf A - 00
Bromus racemosus, Trauben-Trespe A? - 00
Bupleurum rotundifolium, Rundblättriges Hasenohr A ? 1.1 1893
Calla palustris, Sumpf-Calla, Schweinsohr I 2 00
Camelina alyssum, Gezähnter Leindotter A 1.1 00
Camelina microcarpa, Kleinfrüchtiger Leindotter N 2 1958
Camelina sativa, Echter Saat-Leindotter A     Anm.
Carlina acaulis, Silberdistel A? - -
Centunculus minimus, Zwerggauchheil A? 2    
Cerastium semidecandrum, Fünfmänniges Hornkraut I     00
Wissenschaftlicher, deutscher Name G A. R.
Cerathophyllum submersum, Zartes Hornblatt I 1.2 1853
Chenopodium opulifolium, Schneeballblättr. Gänsefuß N 1.2 1893
Chenepodium murale, Mauer-Gänsefuß N 1.2 00
Cicuta virosa, Wasserschierling I 3 1931
Coeloglossum viride, Grüne Hohlzunge I 2 1934
Collomia grandiflora, Großblütige Leimsaat N 4 1893
Conringia orientalis, Ackerkohl N 1.1 1877
Corrigiola litoralis, Hirschsprung I - 1893
Crepis setosa, Borsten-Pipau N - 1893
Cuscuta epilinum, Lein-Seide A 1.1 00
Cuscuta suaveolens, Chilenische Grob-Seide N - 1893
Datura stramonium, Weißer Stechapfel A - 00
Dianthus carthusianorum, Kartäuser Nelke A? 3 00
Drosera rotundifolia, Rundblättriger Sonnentau I 3 00
Elatine alsinastrum, Quirl-Tännel I 1.2 1891
Eleocharis quinqueflora, Wenigblütige Sumpfbinse I 1.2 1956
Erica tetralix, Glocken-Heide I - 1906
Eryngium campestre, Feld-Mannstreu I - 1926
Erysimum repandum, Spreiz-Schottendotter N - 1893
Filago minima, Zwerg-Filzkraut A ? - 00
Filago vulgaris, Deutsches Filzkraut A 2 00
Galeopsis speciosa, Bunter Hohlzahn A ? 4 00
Galeopsis ladanum, Acker-Hohlzahn A ? - 00
Gnaphalium luteo-album, Gelbweißes Ruhrkraut I 1.2 1837
Helichrysum arenarium, Sand-Strohblume I 1.1 1853
Hieracium lactucella, Öhrchen-Habichtskraut A ? 3 00
Hordeum nodusum, Wiesen-Gerste A ? 3 1893
Huperzia selago, Tannen-Teutelsklaue I 4 00
Hydrocharis morsus-ranae, Froschbiß I 3 00
Hypochoeris glabra, Kahles Ferkelkraut A 2 00
Hyssopus officinalis, Ysop N - 1853
Isatis tinctoria, Färber-Waid A - 1934
Jasione montana, Schafrapunzel I - 00
Juncus capitatus, Kopf-Binse I 1.2 1852
Juncus filiformis, Faden-Binse I 3 00
Juncus subnodulosus, Stumpfblutige Binse I 1.2 00
Kickxia spuria, Eiblättriges Tännelkraut A 2 1958
Lappula myosotis, Kletten-Igelsame N - 1893
Lathyrus niger, Schwarze Platterbse I 3 1944
Lavathera thuringiaca, Strauchpappel N - 1893
Limosella aquatica, Schlammkraut I - 00
Linaria arvensis, Acker-Leinkraut A 1.1 1954
Linaria repens, Streifen-Leinkraut N - 00
Liparis loeselii, Sumpf-Glanzorchis I 1.2 1932
Lolium temulentum, Taumel-Lolch A 1.1 00
Maiva pusilla, Nordische Malve A - 1852
Medicago arabica, Arabischer Schneckenklee N - 1879
Medicago nigra, Rauhe Luzerne N - 1893
Melampyrum cristatum, Kamm-Wachtelweizen A ? 3 1883
Melica ciliata, Wimper-Perlgras A ? 4 00
Montia chondrosperma, Frühlings-Quellkraut I 3 1869
Myriophyllum verticillatum, Quirl-Tausendblatt I 3 1869
Neslia paniculata, Finkensame A 1.1 00
Oenanthe peucedanifolia, Haarstrang-Pferdesaat I 1.1 1881
Ononis arvensis, Bocks-Hauche N - 00
Ornithopus perpusillus, Vogelfuß I - 1837
Orchis coriophora, Wanzen-Knabenkraut I 1.1 1934
Orobanche ramosa, Ästige Sommerwurz A ? 1.1 1853
Osmunda regalis, Königsfarn I 3 00
Papaver hybridum, Bastard-Mohn N - 1877
Pedicularis palustris, Sumpf-Lausekraut I 1.2 00
Petrorhagia prolifera, Sprossendes Nelkenköpfchen N - 1928
Phleum paniculatum, Rispen-Lieschgras N - 1933
Podospermum laciniatum, Schlitzbbättriger Stielsame I - 1928
Polygonum mite, Milder Knöterich A ? - 1884
Portulaca oleracea, Gemüse-Portulak A - 00
Potamogeton alpinus, Alpen-Laichkraut I 3 00
Potamogeton compressus, Flach-stengeliges Laichkraut I 2 1837
Potamogeton gramineus, Gras-Laichkraut I 2 1837
Potentilta anglica, Englisches Fingerkraut A ? 3 1893
Pseudorchis albida, Weißzunge I 1.2 1922
Radiola linoides, Zwerg-Lein I 3 00
Ranunculus hederaceus, Efeu-Wasserhahnenfuß I 1.2 00
Rhinantus alectorolophus, Zottiger Klappertopf A ? - 1906
Rorippa anceps, Niederliegende Sumpfkresse A ? - 00
Rosa agrestis, Ackerrose A 4 1926
Rosa arvensis, Kriechende Rose I - 00
Rosa cinnamomea, Mai-Rose N - 00
Rosa coriifolia, Lederblättrige Rose A ? - 00
Rosa obtusifolia, Stumpfblättrige Rose I - 00
Rosa pimpinellifolia, Pimpinell-Rose N 1.1 1887
Rubus saxatilis, Felsen-Himbeere I - 00
Rumex scutatus, Schild-Ampfer N ? - 1837
Ruta graveolens, Wein-Raute N ? - 1893
Sagina nodosa, Knotiges Mastkraut I 2 1869
Sambucus ebulus, Zwerg-Holunder A ? - 00
Scutellaria hastifolia, Spießblättriges Helmkraut A ? - --
Sempervivum tectorum, Dach-Hauswurz N ? - 00
Silaum silaus, Roßfenchel A ? - 00
Silene armeria, Nelken-Leimkraut A ? - 1852
Silene gallica, Französisches Leimkraut N - 1853
Solanum luteum, Gelber Nachtschatten N ? - 1893
Spergularia segetalis, Saat-Schuppenmiere A ? 1.1 1837
Teesdalia nudicaulis, Bauernsenf I - 1882
Teucrium scordium, Lauch-Gamander I 1.2 1837
Torilis arvensis, Feld-Klettenkerbel A 1.1 1893
Tragopogon dubius, Großer Bocksbart N - 1958
Trichophorum cespitosum, Rasen-Haarsimse I - 1893
Trifolium ochroleucum, Gelblichweißer Klee N 1.1 1893
Turgenia latifolia, Turgenie N 1.1 1893
Utricularia minor, Kleiner Wasserschlauch I 2 1837
Utricularia australis, Südlicher Wasserschlauch I 3 1837
Vaccaria hispanica, Saat-Kuhnelke A - 00
Valerianella carinata, Gekieltes Rapünzchen N ? - 1869
Valerianella eriocarpa, Wollfrucht Rapunzel N - 1922
Valerianella rimosa, Gefurchtes Rapünzchen A ? - 00
Verbascum blattaria, Motten-Königskerze A ? - 1880
Vicia pisiformis, Erbsen-Wicke N - 00
Vicia tenuifolia, Schmalblättrige Wicke A ? - 00
Viola elatior, Hohes Veilchen A ? - 00
Viola persicifolia, Gräben-Veilchen I ? 1.1 1893
Vulpia bromoides, Trespen-Federschwingel A - 00
Xanthium strumarium, Gemeine Spitzklette A - 00

Erläuterung der Abkürzungen:

  Geschichtliche Gruppen, darin
  I Indigene Arten,
  A Archäophyten,
  N Neophyten (siehe Text);
  A. in Verbindung mit der darunter aufgeführten Zahl Status nach Roter Liste NRW (siehe Text);
  R. Angaben aus Runge (1972), darin Jahreszahl - letzte Literaturerwähnung für unser Gebiet,
  -- außerhalb Westfalens,
  Anm. Kleinart C. sativa nicht gesondert behandelt,
  00 keine Datierung möglich (5 Arten wahrscheinlich ausgestorben schlugen wir im Text der Gruppe zu, die 1860 - 1919 verschollen ist; 10 weitere Arten waren als abnehmend bezeichnet, der Rest ohne Tendenzangabe - bei dieser Gruppe ist spätes Verschwinden wahrscheinlich)

> Tabellenanfang

In Tabelle 4 sind aus der unveröffentlichten Liste aller Arten des Untersuchungsgebiets die verschollenen herausgezogen (Gruppen c4 und d4). In der Kolonne A. ist abzulesen, welche davon in der Roten Liste NW aufgeführt sind. Nur 19 Arten haben in beiden Verzeichnissen den gleichen Status (A.1.1). Dagegen wachsen im Arbeitsgebiet acht Arten, die in der Landesliste als verschollen gelten. Drei stehen jenseits der Landesgrenzen in den fast 400 qkm, die zu Niedersachsen und Hessen gehören. Bei drei weiteren gilt die Feststellung: „an ihren ursprünglichen Wuchsorten ausgestorben ...
Die Tatsache, daß sie heute hin und wieder eingeschleppt werden, wurde nicht bewertet. Es bleiben zwei Arten, davon die Herbstdrehwurz (Spiranthes spiralis) mit ihrem letzten westfälischen Exemplar. Diese Art war auch bei uns schon verschollen, wurde aber vor wenigen Jahren an anderer Stelle wiedergefunden. Die übrigen 57 A.1.1-Arten der Landesliste kommen und kamen bei uns nicht vor!

Unsere Betrachtung beschränkt sich auf den Zustand, den der Atlas zur Flora von Südniedersachsen 1976 festgehalten hat. Was sich seitdem gewandelt hat, ist weitgehend unbekannt. Unserer Verlusttabelle 4 wäre auf jeden Fall die Wildfeige (Ficus carica) hinzuzufügen. Der Schriftfarn (Ceterach officinarum) wurde in letzter Minute gerettet. Hoffen wir, daß einige verschollene Arten nur übersehen sind oder wieder einwandern. Zusammenfassend sei zu der Situation der höheren Pflanzen im Arbeitsgebiet gesagt:

  1. Der Kreis Höxter hat infolge seiner landschaftlichen Vielfalt und durch die Tätigkeit des Menschen eine besonders artenreiche Flora.
  2. Der Anteil der ursprünglichen Arten ist deutlich niedriger als der der Einwanderer. Noch im 19.Jahrhundert kam eine erhebliche Zahl von Neupflanzen an.
  3. Die großen Verluste des 20. Jahrhunderts haben die Artenbilanz negativ gemacht, und zwar stärker als im Land.
  4. Der konservierende Naturschutz wirkt dem entgegen. Allein durch das Naturschutzgebiet Ziegenberg und das geplante Naturschutzgebiet Stockberg werden dem Land Nordrhein-Westfalen 8 Arten erhalten.
  5. Damit die Wirtschaft des Menschen sich wieder positiv auf den Artenbestand auswirkt, müßten die "Roten Listen" bei allen Maßnahmen zu Rate gezogen werden, die den Artenbestand verändern können. Dabei ist eine örtliche "Rote Liste" ebenso wichtig wie die des Landes.

_________
Den Herren Dr. Fritz Runge und Dr. Henning Haeupler danken wir für die Durchsicht des Manuskripts und für Verbesserungsvorschläge.



7

Hinweis: Der folgende Bereich mit den kommentierten Abbildungen wurde umgestaltet und ist deshalb ebenfalls nicht mit angedeuteten Seitenwechseln unterbrochen. Eine bessere Abbildungsqualität konnte leider wegen fehlender Original-Fotos nicht erreicht werden.

Abb. 3: Die Hänge-Birke (Betula pendula) gehört zu den ältesten Arten unserer heimischen Pflanzenwelt. Sie war schon vor 10000 Jahren in der Eiszeitvegetation und ist seither ununterbrochen bei uns vertreten.
Heutiger Stand: b1

Abb. 4: Die Rotbuche (Fagus sylvatica) wanderte erst vor etwa 5000 Jahren bei uns ein, etwa gleichzeitig mit den ersten Ackerbauern. Bald überflügelte sie die anderen Waldbäume und würde auch heute noch den reinen Naturwald beherrschen. Sie war neben der Eiche die Grundlage der Waldhudewirtschaft und blieb bis jetzt unser wichtigster Forstbaum (a1).
Abb.5: Im Vorfrühling überzieht ein dichter Blumenteppich den Boden unserer naturnahen Wälder auf frischen Kalkböden. Dabei sind u.a. Busch-Windröschen (Anemone nemorosa, b1) und Gelbes Windröschen (Anemone ranunculoides, c1), Aronstab (Arum maculatum, b1), Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis, b1), Goldnessel (Lamium galeobdolon, b1) und Hohler Lerchensporn (Corydalis cava, b1). Alle diese Arten sind einheimisch.

Abb.6: Auf dem gleichen Standort dem die vorige Abbildung entstammte, gedeiht in großen Trupps die Schuppenwurz (Lathraea squamaria). Sie ist bei uns vom Aussterben bedroht (d3), weil sie in intensiv bewirtschafteten Forsten keine Bleibe hat und außerdem nahe der Verbreitungsgrenze lebt. Die Rote Liste NW führt sie unter A4. Einheimisch.

Abb.7: Der Schuppenfarn (Ceterach officinarum) ist an wenigen Felsstandorten der weiteren Umgebung einheimisch. Am einzigen Standort des Kreises Höxter wäre er vernichtet worden, hätte das zuständige Straßenbauamt nicht größte Rücksicht genommen. Näheres in Preywisch (1979): Felsen aus Menschenhand (Die Warte, Paderborn, Nr. 24, S. 23, 24). In der Roten Liste NW A.2, für uns d1.

Abb. 8: Das Behaarte Schaumkraut (Cardamine hirsuta) ist in manchen Teilen Deutschlands einheimisch. Bei uns tauchte es erst während der Vorarbeiten zu HAEUPLER (1976) in einem Grundfeld auf (d1) und hat sich dann explosionsartig ausgebreitet (a1). Zuerst kam es nur auf Kunstböden vor, die mit Torf behandelt waren, jetzt ist es auf zahlreiche andere Standorte vorgedrungen.

Abb. 9: Mauern bieten nicht nur einheimischen Arten Lebensmöglichkeit, wie hier dem Dreifingrigen Steinbrech (Saxifraga tridactylites, c1), sondern auch vielen Alteinwanderern. Links im Bild die Doldige Spurre (Holosteum umbellatum, c1). Es lohnt, die schönen alten kalkgemörtelten Mauern zu erhalten und zu hegen.

Abb. 10: Die Stengellose Eberwurz oder Wetterdistel (Carlina acaulis, d4) ist von den wenigen Fundplätzen an Weser und Diemel verschwunden. An mehreren Stellen an der Leine und um den Harz ist sie noch heimisch.
Abb. 11: Der Stechapfel (Datura stramonium, d4) aus dem Mittelmeerraum soll schon im 16. Jahrhundert von Zigeunern eingeschleppt worden sein. Er hat wohl nie eine Dauerrolle in unserer Flora gespielt und ist schon lange wieder verschwunden. Ein ähnliches hochgiftiges "Hexenkraut", das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), taucht in der Südhälfte des Kreises noch stellenweise auf.

Literatur:

Bauer, H. J., Brocksieper, R., Wolff-Straub, R. (1979): Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere. — LÖLF NW, Recklinghausen Beckhaus, K. (1893): Flora von Westfalen. Münster.

Blab, J., Nowak, E., Sukopp, H. & Trautmann, W. (1977): Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Naturschutz aktuell 1, Greven.

Burrichter, E. (1977): Vegetationsbereicherung und Vegetationsverarmung unter dem Einfluß des prähistorischen und historischen Menschen. Natur und Heimat (Münster) 37, 46-51

Haeupler, H. (1976): Atlas zur Flora von Süd-Niedersachsen. Göttingen

Jüngst, L. V. (1852): Flora Westfalens. Bielefeld.

Meier-Böke, A. (1978): Flora von Lippe. Detmold.

Preywisch, K., Steinborn, G. (1977): Atlas der Herpetofauna Südostwestfalens. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde Münster. 39, 18-39

Rothmaler, W. (1958, 1963): Exkursionsflora von Deutschland. II Gefäßpflanzen, IV Kritischer Ergänzungsband Gefäßpflanzen. Berlin.

Runge, F. (1972): Die Flora Westfalens. 2. Aufl. (1. Aufl. 1955), Münster.


12