EGGE-WESER Sep. 1981 Band 1, Heft 2 Seiten 77-80

Das Lau von Schönhagen im Solling

Norbert Rikus, Höxter

Bei Schönhagen im Solling liegen der Kleine und Große Lauenberg. Ferner der Lohgrund, die Lohhalbe und die Lohwiesen. Aus Unkenntnis entstanden aus den vielerorts noch anzutreffenden Orts- und Flurnamenzusammensetzungen mit Lau Veränderungen zu Leu und dann zu Löwe, wobei Beziehungen zu Heinrich dem Löwen gesucht wurden. Ein Lau oder Loh ist aber eine vorgeschichtliche Kultstätte, ein heiliger Hain, in dem bis zur Christianisierung das religiöse und politische Leben unserer Vorfahren sich vollzog. Bekannt ist das sagenumwobene Lau unter der Wildburg bei Amelunxen, das Königslau bei Ovenhausen, Lauenberg mit der Löwenburg, Markloh, in dem sich zur Zeit Karls des Großen die sächsischen Stämme versammelten und die vielen Orte mit Lau in Holland wie Almelo, Venlo, Schoonlo usw. Der in Deutschland und England verbreitete Gruß "Hallo" ist ursprünglich wohl ein Segensgruß gewesen. Dies ergibt sich aus dem altenglischen Vaterunser, in dem es heißt "Hallowed be Thy name" = "Geheiligt werde Dein Name". Im Hochsauerland gibt es beim Ort Heiminghausen die Flurbezeichnungen "Auf dem Halloh" neben "Ebbeloh" und"Wiggenfeld" = Heiliges Feld. Aus dem Keltischen übersetzt bedeutet Hall-Lo = Salzloh.

Diese Zusammenhänge haben mich veranlaßt, mir das Lau in der Nähe des Schwimmbades von Schönhagen genauer anzusehen. Ich fand dabei wichtige Hinweise darauf, wie ein Lau ausgesehen hat, wie es genutzt wurde, ferner zerstörte Kultsteine und die größte bisher bekannte Eisenluppe aus den Anfängen der Eisengewinnung im Weserbergland.

Das Lau bedeckt eine Fläche von ca. 700 x 400 m, ist mit einer Wall- und Grabenanlage geschützt. Bislang hielt man diese Anlage für einen Viehpferch; sie war aber ein Zufluchtsort für viele Menschen in Kriegszeiten, wie die Reste von Wohngruben und Wohnplattformen beweisen. Die Hanglage des Laues sorgte für seine Entwässerung, der Bach auf seinem Grunde für das Trinkwasser.


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Den Beweis dafür, daß es sich um ein früheres Heiligtum handelt, welches seit Jahrtausenden benutzt wurde, liefern die Kultsteine und deren Trümmer, die ich dort fand. Einmalig ist der Visierstein, der zu einer Kalenderanlage gehörte. Er ist halbkreisförmig, mit 113 cm Durchmesser, 55 cm Höhe und einer Dicke von ca. 51 cm. Die Kanten sind auf der einen Seite in der Abschlagtechnik der Steinzeit bearbeitet, auf der anderen jedoch mit Metallwerkzeugen in der Art einer Picke sauber bearbeitet. Dies ist der einzige Kultstein aus dem Solling, der so behandelt ist. Diese Bearbeitung kann frühestens in der Bronzezeit erfolgt sein.

Die Rückansicht des Visiersteines, an dessen Kanten die Abschlagbearbeitung zu erkennen ist.


Die Vorderseite mit den sauber mit Metallwerkzeugen bearbeiteten Flächen.



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Auf dem Scheitel des Steines befindet sich eine eingearbeitete Rinne, die eine Neigung von 5° aufweist. In der Nähe dieses Steines liegen viele Gesteinstrümmer, an denen zum Teil anhand der vorhandenen Keillöcher die bewußte Zerstörung festzustellen ist. Es ist anzunehmen, daß Karl der Große dies einst angeordnet hat, da in der Nähe, beim "Kleinen Mittelberg", auf der Karte von 1603 ein "Karlsberg" eingezeichnet ist. Namen wie "Dübelshütte", "Teufelsbad" und "Teufelsmühle" weisen ferner auf eine heidnische Kultstätte hin.

Unter dem Gräfingstrang befindet sich bei der "Giesselburg" ein weiterer kreisförmig bearbeiteter Stein mit einer Visieranlage. Diese beiden Kultsteine haben mit der Vorderansicht des Hackelbergsteines und dem Kesselstein die Bogenform gemeinsam und weisen auf die Gestirnsreligion der Megalithzeit hin. Diese Kalenderanlagen hatten auch für Aussaat und Ernte eine praktische Bedeutung.

Gegenüber dem Visierstein von Schönhagen befindet sich auf dem Kamm des "Kleinen Lauenberges" das zerstörte Fundament eines Peilsteines, sodaß wie bei einem Gewehr Kimme und Korn vorhanden waren. Um zu ermitteln, auf welches Fest diese Visur ausgerichtet war, wird folgende Berechnung durchgeführt:

Der von Norden aus gemessene Winkel für den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende betrug um 1800 Jahre vor Christi Geburt 37,7° und zur Wintersonnenwende 142,3°. Bei einer Teilung des Jahrbogens in 16 gleiche Teile, wie sie Prof. Thom nachgewiesen hat, beträgt das Azimut zum Herbstfest "Samhain" ca. 125° für diesen Standort. Unter diesem Winkel wurde in etwa diese Anlage ausgerichtet.

In diesem Lau fand ich die bisher größte bekannt gewordene Eisenluppe mit einem Gewicht von 3400 g. Dieser durch Schlacken noch verunreinigte Eisenkuchen hätte in einer Feueresse auf Weißglut erhitzt und dann ausgeschmiedet werden müssen, um Stahl daraus herzustellen. Offensichtlich war man später verhindert, diese Bearbeitung durchzuführen. Es ist anzunehmen, daß die Zeit der Herstellung mit der der Zerstörung des Laues zusammenfällt. Dieser Fund ergänzt die von mir angestellten Untersuchungen über alte Schmelzofenplätze im Weserbergland.

Dies zerstörte Heiligtum bei Schönhagen ist ein weiterer wichtiger Hinweis auf die große Bedeutung des Sollings in vorgeschichtlicher Zeit.

Literatur:

DTV-Atlas zur Astronomie (1976) Springer

MÜLLER, R. (1970): Der Himmel über den Menschen der Steinzeit.

RIKUS, N. (1978): Der Bredenstein und Hethis. Kreis Höxter, Mitteilungsblatt des Kreisheimatpflegers, 8, 19-33

RIKUS, N. (1981): Eisenzeitliche Schmelzöfen im Weserbergland. Egge-Weser, 1, 13-34

THOM, A. (1967): Megalithic sites in Britain. Oxford Univ.Press


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Derartige Wälle und Gräben umgeben das Lau.


Bei der "Gießelburg" unterhalb des Gräfingstranges liegt dieser behauene runde Kultstein mit einer halbkreisförmigen Aussparung zur Sonnenbeobachtung.


Die im Lau gefundene Eisenluppe wiegt 3400 g. Sie ist die einzige, die bislang bekannt geworden ist.



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