EGGE-WESER 1982 Band 1 / Heft 4 Seiten 193-197

Ungewöhnliches aus unserer Pflanzen- und Tierwelt

Ardea cinerea. Der Graureiher, früher als Fischreiher bekannt, wurde von den Ornithologen umbenannt, um ihn den Fischern gegenüber unschuldiger erscheinen zu lassen. Was immer man von solcher Namenspolitik halten mag - im Raum Höxter sind zumindest die Angler unserem größten noch heimischen Vogel sehr gewogen oder wenigstens nicht mehr feindlich. Das war früher gar nicht so. Nun muß man eingestehen, daß die Nahrung dieser Reiber von Kolonie zu Kolonie recht verschieden ist und natürlich auch nach der Jahreszeit wechselt. Aber Fische stellen nach Gewicht wie Zahl der Beutetiere wohl immer den größten Anteil der sehr abwechslungsreichen Nahrung, zu der auch Mäuse, Frösche und Insekten gehören. Allerdings überwiegen in der Fischnahrung Tiere unter 10 cm Länge, darunter Stichlinge und andere Arten ohne wirtschaftliches Interesse.

Bei den großen Tierarten wirkt der Mensch viel unmittelbarer auf den Bestand ein als bei kleinen. Hier werden Verfolgung oder Schonung rasch sichtbar. Nicht nur Fachleute bemerken die Veränderungen. Wir stellen in der folgenden Graphik unseren Graureiher-Bestand im Vergleich zu dem des "Rheinlands" dar. Die Bevölkerungsentwicklung hängt von vielen Faktoren ab. Trotzdem verläuft sie in den beiden Gebieten fast parallel. Auch in den anderen Beobachtungsräumen im benachbarten Mitteleuropa nimmt der Graureiher in den letzten Jahren wieder zu.

In unseren beiden Vergleichsräumen aus dem Westen und dem Osten des Landes Nordrhein-Westfalen möchte man ablesen, daß Jagdgesetze wirksam sind. Danach ist der Graureiher seit dem 12.5.1974 ganzjährig geschützt. Hut ab vor den Jägern!

Entwicklung des Graureiherbestandes (Brutpaare) im Kreis Höxter (unten) und im Rheinland (oben,nach H. HUBATSCH, 1981)

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Aber sicher ist direkter menschlicher Einfluß auf den Graureiherbestand nicht der einzige regulierende Faktor. Einer der vielen kann die (geprägte?) Bindung an bestimmte Baumarten zum Horsten sein. Die beiden Hauptkolonien im Kreise Höxter zeigen verschiedene Vorlieben. Die Baumarten, auf denen die Horste saßen, wurden allerdings erst seit Mitte der 50-er Jahre verzeichnet. Über die Kenntnisse vorher unterrichtet PREYWISCH (1962), S. 30, 31.

Die nördliche Kolonie, seit 1912 bekannt, übersiedelte Anfang der 50-er Jahre von Stahle in die Teufelsschlucht bei Höxter, von wo sie Anfang der 70-er Jahre verschwand. Dort lag inmitten eines gleichhohen Buchenbestandes ein größerer Horst von Lärchen und einigen Fichten. Die Reiher hatten sich auf die Lärchen spezialisiert. Wie fast alle älteren Bäume dieser Art in unserem Raum hatten auch die der Teufelsschlucht Zweier- oder Dreiergabeln nach Wipfelbruch entwickelt. Solche Lärchen eignen sich auch sehr gut für Horste von Bussarden und Milanen. Im Laufe der Jahre wurden hier 66 Reiherhorste in Lärchen, 3 in Buchen und 2 in Fichten beobachtet. Obwohl 1970 keine Brut mehr nachgewiesen werden konnte, waren noch 1975 4 Horste in Wipfelbruchlärchen erhalten! Wahrscheinlich wurde dieser Brutplatz verlassen, weil der Buchenbestand nördlich davon abgetrieben wurde, wenn auch außerhalb der Brutzeit. 1973 gab es 2 Graureiherhorste mit viel Kalk darunter unterhalb des Brenkhäuser Turms (HÖHNKE mdl.1975). Dort hing dann auch ein toter Reiher in den Leitungsdrähten. Da die Horste in Lärchen standen und nur 2 km von der Teufelsschlucht entfernt waren, liegt die Vermutung nahe, daß sie von den Resten der dortigen Population angelegt waren.

Mindestens seit 1960 gibt es wieder eine Brutkolonie an der Nordostecke des Kreises. Sie hat sich einen mittelalten, sehr dichten Fichtenbestand ausgesucht, der genau an der Landesgrenze liegt. In unserer Graphik haben wir die Brutpaarzahlen (1980 4, 1981 5, 1982 6; KRATO sowie R.MÖNKEMEYER, R.OSTERMANN mdl.1982) deshalb nur halb gewertet. Neben Fichtenhorsten war 1982 auch einer in einer Wipfelbruchlärche vorhanden. Das kleine Nadelgehölz steht am Rande großflächiger Buchenaltwälder.

Die stärkste und beständigste Kolonie des Kreises liegt zwischen Beverungen und Herstelle am Hang der Hasselburg zum Lumeketal. SCHRÖDER berichtet 1915 erstmals von ihr. Damals umfaßte sie nur 8 Horste. Zumindestens in den letzten 5 Jahrzehnten ist die Population auf Rotbuchen spezialisiert: 557 Horste gegenüber 43 auf Fichten und 3 auf Lärche. Die Wipfelbruchlärchen sind schon längst gefällt, die Fichten dienen einige Jahre zur Brut, worauf dann wieder mehrjährige Pausen folgen. 1969 ließ die Straßenbauverwaltung den Lichtraum der B 85 verbreitern – mitten in der Brutzeit – wodurch 6 besetzte Horste fielen. 1975 wurde der Ausbau dieser Straße abgeschlossen. Der Altbuchenbestand, in dem diese Kolonie wie auch Mäusebussard, Rot- und Schwarzmilan angesiedelt sind, wird erhalten. Aber bei jedem Sturm fällt ein Teil der Bäume. Ringsum werden Jungbestände aufgebaut. Diese Population wird es schwer haben, einmal in ein nahegelegenes Buchenaltholz umzuziehen.


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Auch abseits der Weser bildeten sich hin und wieder kleine Kolonien, die meist nur kurzlebig waren. Auch Einzelhorste wurden bekannt. Oft erfuhr man davon erst nach langer Zeit oder aus zweiter und dritter Hand.

Deswegen die herzliche Bitte, alle bekannt gewordenen Beobachtungen schriftlich mitzuteilen. Beobachter, Brutjahr, Horstzahl, Horstbaum, Ortsangabe möglichst mit Skizze, wurden Junge gesehen? usw., andere Beobachter, sind nötige Angaben. Besonders interessieren Nachrichten aus dem Süden des Kreises.

Danksagung: Die Horstzahlen für das Jahr 1961 stellte Prof. Dr. W. STICHMANN bereitwillig zur Verfügung.

Literatur: PREYWSCH, K. (1962): Die Vogelwelt des Kreises Höxter, Bielefeld / Höxter-Ders.(1980): Unsere letzten Graureiher; Jahrbuch 1980 Kreis Höxter.

Corvus frugilegus. Die Saatkrähe ist ein anderes Beispiel für eine Tierart, deren Wohl und Wehe weitgehend vom Menschen gesteuert wird. Einmal ist für viele Jäger Krähe gleich Krähe. Aber nur die Rabenkrähe ist Aas- und Fleischfresser, räubert Nester von (jagdbaren!) Bodenbrütern aus und schlägt Jungtiere. Weil sie einzeln brütet und am Nest sehr unauffällig bleibt, ist sie schwer zu jagen. Da kann man beim auffälligen und lauten Koloniebrüter Saatkrähe leichter Erfolge verbuchen, zumal die großen Scharen des Frühjahrs an aufgehendem Weizen oder Mais Schaden anrichten oder sich auch in Erdbeerkulturen gütlich tun.


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Doch sollte den Landwirten auch bewußt sein, daß Saatkrähen sich hauptsächlich von Engerlingen, Drahtwürmern, Maden, Raupen, Würmern, Schnecken und Mäusen ernähren. Zur Verfolgung der Saatkrähen bediente man sich nicht nur der Jäger. Man verscheuchte Brutvögel, indem man auf großen Blechen trommelte. Als besonders wirkungsvoll erwies sich das Ausspritzen der Jungvögel aus den Nestern. All diese Methoden und vielleicht noch andere wurden bei der Population angewandt, von der unsere Graphik berichtet.

Es ist der letzte Saatkrähenbestand unseres Kreises. Ursprünglich lebten in der Steinheimer und in der Warburger Börde je etwa ein halbes Dutzend Kolonien. Unzweifelhaft die stärkste siedelte bei Vinsebeck. Als 1946 der Wald, in dem sie hauste, geschlagen wurde, zogen die Einwohner in den Eichenwald "Wellenholzhausen" etwa halbwegs zwischen Steinheim und Nieheim. Passenderweise steht dort auch ein Wirtshaus, in dem einmal im Jahr die vereinigten Feuerwehren der beiden Städte die erfolgreiche Spritzübung in der Krähenkolonie feiern konnten. Inzwischen hatte der Saatkrähenbestand in Mitteleuropa so abgenommen, daß überall an die Stelle der früher staatlich verordneten Verfolgung Schutzbestrebungen traten. 1965 erwirkte die untere Naturschutzbehörde des Kreises bei den Städten Nieheim und Steinheim, daß die Bekämpfung durch die Feuerwehren eingestellt wurde. Auch der Jagdpächter wurde um Schonung gebeten.

Sofort änderte sich das Bild. Die Kurve fiel nicht mehr – und sie hätte wohl um 1970 herum den Nullpunkt erreicht – im Gegenteil, sie stieg jetzt ebenso steil an. Wahrscheinlich schon 1975 begann eine kleine Abwanderung nach Steinheim. 1978 hatte sich die Population in zwei fast gleiche Teile gespalten. Der eine blieb Wellenholzhausen treu, der andere erfüllte einen Pappelbestand zwischen Steinheim und Lotherhöhe mit lärmendem Leben. Die Horste dieser Kolonie wurden zur Brutzeit vollständig ausgeschossen. Offenbar kehrte ein Teil der Altvögel im nächsten Jahr wieder nach Wellenholzhausen zurück, während andere es an weiteren Stellen in und um Steinheim versuchten. Die Bevölkerung von Steinheim änderte ihre anfängliche Feindschaft gegen die lauten Zuzügler. Die Vögel haben jetzt Brutplätze gefunden, wo sie nicht mehr so stark als Störenfriede empfunden werden. So geht es nach dem Tiefpunkt von 1981 wieder aufwärts mit den Saatkrähen, die übrigens auch in anderen Gegenden verstädtern.

In Wellenholzhausen brüteten die Saatkrähen auf Eichen, weniger auf Eschen und gelegentlich auf Pappeln. In Steinheim sind andere Baumarten bevorzugt: Unterm Tubbensenberg 1978 (Pappeln), Papierfabrik 1979,80 (Pappeln), Waldstraße 1979-82 (Pappeln), Judenfriedhof 1980-82 (Eschen, Eiche), Ehrenfriedhof 1981,82, wahrscheinlich aber auch schon 1976 oder 77 (Ahorne, Buchen, Eschen), Schützenplatz 1981, 82 (Bergahorne).

Man kann auf die Entwicklung in den kommenden Jahren gespannt sein. Den Bürgern von Steinheim sei Dank gesagt für die wohlwollende Einstellung gegenüber ihren Neubürgern, Herrn H.STRUCK für die Mühen der Kontrolle.

P.


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Literatur: PREYWISCH, K. (1962): Die Vogelwelt des Kreises Höxter, Bielefeld/Höxter - SCHOLZ, M. (1975 u. folgende Jahre): Saatkrähenkolonien in Westfalen (Stand ....); jährliche hektographierte Zusammenstellungen der örtlichen Zählungen

Unterschiede zur Rabenkrähe dünner Schnabel, bei Erwachsenen von grauem Grind umgeben

Petasites albus. Die Weiße Pestwurz hat ein einziges Vorkommen im Kreis Höxter. Ein Bestand, von 30 m Länge und. bis 6 m Breite bedeckt die Kante eines Wegs am Nordhang des "Rotz "-Berges (Rotsberg oder Rodsberg) westlich Herstelle. An der Talseite zur Weser hin ist der Fichtenbestand jetzt abgeholzt worden und durch Laubholzpflanzungen ersetzt. Das Pestwurzvorkommen ist dadurch freigestellt. Ob es die Zeit übersteht, bis es wieder beschattet wird? Die Weiße Pestwurz ist eine Pflanze der Gebirge (Hochlagen des Sauerlands, Harz). Dazwischen liegen ganz wenige Vorkommen, die auf Verschleppung beruhen dürften. Dieses liegt an der Grenze von Rot zu Muschelkalk (Quellzone) in vielleicht 220 m Höhe über dem Meer in Quadrant 4322/3 , angegeben bei RUNGE, aber nicht bei HAEUPLER.

Literatur: BECKHAUS, K. (1893): Flora von Westfalen. Aschendorff, Münster. - HAEUPLER, H. (1976): Atlas zur Flora von Südniedersachsen. Goltze, Göttingen. - RUNGE, F. (1972): Die Flora Westfalens. Westfälische Vereinsdruckerei, Münster.

A: Weiße Pestwurz mit tiefem, schmalen Ausschnitt am Grund der herzförmigen Blattspreite. Blattrand mit Stachelspitzen. Blattstiel etwa dreimal so lang wie Spreite, schwach rinnig. B: Gemeine Pestwurz (P. hybridus) mit breitem, flachem Ausschnitt. Stiel etwa doppelt so lang wie Spreite, mit deutlicher Rinne. C: Huflattisch (Tussilago farfara) zum Vergleich. Stiel etwa so lang wie Blattspreite.

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