EGGE-WESER März 1983 Band 2 / Heft 1 13-15

Fischen verboten !

Eine dahinlautende Strafverfügung des Abtes vom Zisterzienserkloster Hardehausen an den "Richter zu Nörde" , Heinrich Schlaun, vom 5.7.1678.

Wilhelm Simon, Welda

Johann Konrad Schlaun, berühmt gewordener Barockbaumeister des Fürstbischofs zu Münster, verbrachte seine ersten Lebensjahre und frühe Jugendzeit in Nörde, einem kleinen Dörfchen in der südlichen Eggelandschaft. Seinem Vater, Heinrich Schlaun, oblag in diesem Orte und seiner Nachbarschaft die Wahrnehmung wirtschaftlicher und eingeschränkt hoheitlicher Belange des Klosters Hardehausen. Das bezeugt ein Schreiben des damaligen Abtes von Hardehausen, F. Stephan Overgar, "Unserm Richter zu Nörde einzuhändigen", dessen Inhalt betrifft:

"Verbott auf der Bünge zu Fischen", Datum: 5.7.1678.

Das Schreiben des Hardehäuser Abtes an den damaligen Richter zu Nörde, Heinrich Schlaun, lautet:

"Weilen wihr verdrißlig vernehmen, daß sich unterschiedtlige vermessene Fischer auf der Bünge fischen lassen undt allda ohnerlaubte Fischrey mit nicht geringen praejuditz ( hier=Anmaßung, Vorrecht) undt nachtheil des Kloisters Hardehausen verüben , als wirdt solches allen einwöhnern zu Nörde undt deren Kindern undt gesindt wie auch allen andern ohnberechtigten bey wilkühriger großer Straf verbotten, undt Bartoldten Faust, unserm domesticio, hirmit ernstl ich anbefohlen, auf solche ungehörige Fischer fleißig acht zu geben, und die er oder die seinige hirwiderzuhandtelndt betroffen wirdt, alsofort und unverzüglig anzubringen, damit so wol die alten wegen ihrer eigen als auch wegen ihrer Kinder --- der folgende Wortlaut durch Beschädigung des Schriftstückes ist nicht vorhanden --- übertrettung mit verwirkter Straff angesetzet werden mögen, welches unser Richter daselbst zu guter warndtnung der versambleten Gemeindte richtig forstellen soll. Geben Hardehausen, am 5ten July, anno 1678.

gez. F. Stephanus Overgaer, Abt, mppria (= mit eigener Hand)

Diese Strafandrohung des Hardehäuser Abtes zur Abwendung von materiellen Nachteilen durch unerlaubtes Fischen in den Gewässern des klösterlichen Herrschaftsbereiches vermittelt einen Einblick in die Besonderheiten von zisterziensisch-landwirtschaftlicher Betriebswirtschaft, die sich gründet auf die mönchische Ordensregel: "Bete und arbeite". In Befolgung dieses mönchisch-zisterziensischen Grundgesetzes wurden die bei Neugründungen zu erbauenden Klostergebäud e angelegt und gestaltet. Eine darauf sich beziehende lateinische Sentenz drückt dies in etwas freier deutscher Übersetzung so aus:

Die Dominikaner erbauen ihre Gotteshäuser und Klosteranlagen auf lichten Bergeshöhen, die Zisterzienser in den Niederungen von Tälern und in der Nachbarschaft von Gewässern und Mooren. Als Beispiel des Vorerwähnten sei die alte Klosteranlage der Dominikaner auf der steilen Talhöhe der Diemel in Warburg, dem heutigen "Gymnasium Marianum", angegeben. Diesem liegt in Sichtweite gegenüber das frühere Zisterzienserinnenkloster Wormeln auf der hochwasserfreien Talterrasse der Twiste vor deren Einmündung in die Diemel. Auch das Zisterzienserkloster Hardehausen, gegründet 1140, wurde angelegt und erbaut in dem ehemals mehr oder minder sumpfig-morastigen, weiten Quellgebiet des Hammerbaches, der oberhalb von Scherfede der Diemel zufließt. Die Zisterzienser betrieben in jedem ihrer Klöster eine


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flächenmäßig große, vielfältige Gutsbewirtschaftung durch rationellen Einsatz von billigen menschlichen und tierischen Arbeitskräften für eine intensivere Bodennutzung, die gegenüber der vorhergehenden ertragreicher und fortschrittlicher war. Und dazu gehörte auch die landwirtschaftliche Kultivierung und Nutzung von morastig-moorigen Flächen in den Talniederungen durch Anlage von Fischteichen zur Gewinnung tierischen Eiweißes für die menschliche Ernährung. Durch Regulierungen der Quellbäche zwecks schnelleren Abflusses von Hochwasserfluten nach sommerlichen Wolkenbrüchen oder plö tzlichen frühjahrszeitlichen Schneeschmelzen und durch Aufschüttung von Erdwällen bei der Anlage von Fischteichen wurden manche sumpfigen Flächen trockengelegt und dadurch ertragreicher.

Das Zisterzienserkloster Hardehausen hatte nach der ersten Aufbauzeit seiner Klostergebäude (1140) nicht nur in nächster Nachbarschaft des Klosterhofes Fischteiche angelegt, sondern auch darüber hinaus die in seinem Herrschaftsbereich der sogenannten Klosterdörfer Scherfede, Rimbeck, Nörde und Bonenburg sich bietenden Möglichkeiten ausgenutzt und die vorhandenen Bäche und Flüßchen zur Fischfleischproduktion als Fischteiche ausgebaut. Eine derart größe re oder kleinere Anlage von Teichen mag im Abflußbereich der Naure bei Nörde erstellt und geschaffen worden sein, die wohl wegen ihrer natürlichen Abgrenzung zu den nahegelegenen Acker- und Wiesenflächen mit dem Flurnamen "Auf der Bünge" benannt worden ist.

In den der Klostergründung nachfolgenden Jahrhunderten sind durch mancherlei politische Ereignisse bedrückende Notzeiten entstanden. Genannt seien: kriegerische Grenzstreitigkeiten zwischen den Bistümern Paderborn und Köln und Ritterfehden wie "Bengeler-Bund" (1390-1394), die landverwüstend ausgetragen wurden; dann nachreformatorische Wirrnisse zwischen dem Kurfürstentum Hessen und den Grafen von Waldeck einerseits mit den Bischöfen von Paderborn und Köln an dererseits; darauf die Verheerungen des Dreißigjährigen-Krieges (1618 - 1648). Diese Wirrnisse verursachten das allmähliche wüstwerden vieler kleinerer Ortssiedlungen und Weiler im gesamten Egge-Diemelraum nach 1300. Durch diese Notzeiten wurde die klösterliche Landwirtschaft in Hardehausen sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Davon waren auch die vom Klosterhof entfernt liegenden Fischteichanlagen wie "Auf der Bünge" an der Naure betroffen und konnten durch nachla ssende und vernachlässigte pflegerische Bewirtschaftung sich dem früheren Zustand eines sumpfig-morastigen Feuchtgebietes wieder annähern.

Für manche Bewohner in den benachbarten Ortschaften, besonders für die heranwachsende männliche Jugend, war in solch abgelegenen und schwer zu kontrollierenden Fluren wie "Auf der Bünge" eine recht günstig zu nutzende Gelegenheit, sich in ihrer Freizeit einer lohnenden Fischjagd zu erfreuen. Dieses heimliche Fischen war besonders erfolgreich während und nach der frühjahrszeitlichen Schneeschmelze, weil dann die zu der Fischfamilie der Lachse gehörenden Fischarten wie Forellen, Äschen und andere, zu den seit undenklichen Fischgenerationen überlieferten Laichplätzen in die Quellregionen der Gebirgsbäche hinaufziehen. Der angeborene Zugtrieb dieser Fische ist dabei oftmals so drängend, daß sie in der Laichperiode dicht an dicht sich durch die immer schmäler werdenden Bachrinnsale zwängen und drängen. Die nach dem Laichgeschehen erfolgende Rückwanderung bietet günstigste Gelegenheiten für ergiebige Jagdbeute durch Auslegen von Fischreusen aus locker geflochtenen Weidenkörben. Das Wildfischen in den Sommermonaten geschah fast nur durch Handfischen oder mit einem Fischstecheisen. Der Ertrag solcher Jagdbeute wurde teilweise auf den Wochenmärkten in Warburg, auf dem es einen besonderen Kaufstand für Fleisch und Fische gab, in bare Münze umgesetzt.


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Dieses verbotene Fischen in den damals kaum regulierten Bächen und Flüßchen der Egge-Diemellandschaft war für die heranwachsende Mannsjugend dieser Gegend eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Das Jagderleben beim Wildfischen ist in allen Generationen bis heutigentags betrieben worden und findet sein Weiterleben in den derzeitigen Anglersportvereinen in fast allen Ortschaften unserer engeren Heimatlandschaft.

Die vorgenannte Strafandrohung des Hardehäuser Abtes von 1678 läßt erkennen, daß zu den materiellen Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges das Schwinden, teilweise sogar das Verschwinden jener geistigsittlichen Grundwerte sich gesellt hatte, die für ein geordnet friedliches Volksleben Grundlage und Voraussetzung sind, wie Beachtung persönlicher und allgemein behördlich-verpflichtender Eigentumsrechte. Von geschichtlich heutzeitlicher Blickrichtung aus betrachtet, ist die Strafverordnung der klösterlichen Verwaltungshoheit ein obrigkeitliches Bemühen, die allgemein gültigen Rechtsnormen und Gerechtsame wieder in das Bewußtsein der Bevölkerung zu bringen. Rückschauend auf jene Zeitperiode des Dreißigjährigen Krieges und der nachfolgenden Jahrzehnte, muß man feststellen, daß sie ausgefüllt waren nicht nur mit dem materiellen Wiederaufbau der durch den Krieg verwüsteten westfälischen Landschaften, sondern auch mit dem Festigen und Erstarken von geistig-moralischen und rechtlichen Grundwerten und Verhaltensnormen bei der Bevölkerung, sowie ferner mit der Zentralisierung der staatlichen Hoheitsmacht in ihrer absolutistischen Regierungsform. All diese Faktoren haben diesen Zeitabschnitt westfälischer Geschichte geprägt. Nur so konnten im Zusammenwirken aller Lebenskräfte von Land und Leuten in der Zeitspanne vor und nach der Jahrhundertwende von 1700 all die kirchlichen und profanen Bauten entstehen, die wegen ihrer eigenartigen und spezifischen Ausprägung das Bauzeitalter des "Westfälischen Barock" begründeten, das als solches in die allgemeine Kunstgeschichte eingegangen ist.

Johann Konrad Schlaun (1695 - 1773), Sohn des Hardehäuser Klosterrichters Heinrich Schlaun und dessen Ehefrau Agnes Berendes, aus dem Hardehäuser Klosterdorf Nörde, hat als Generalbaumeister des Fürstbischofs von Münster all die einzigartigen Bauten sowohl für kirchliche Zwecke als auch für die Entfaltungspracht von Adelsfamilien geschaffen, wie die Clemenskirche, das Schloß und den Erbdrostenhof in Münster, Schloß Brühl, Wasserschloß Nordkirchen, sein eigenes idyllisches Landgut Haus Rüschhaus und noch viele weitere Bauten, die bis in unsere Gegenwart hinein als Musterbeispiele barocker Baukultur gelten.


Quellen

RENSING Theodor: Joh. Conrad Schlaun, Westfalens größter Barockbaumeister In: Heimat und Reich, Monatshefte für westfälisches Volkstum, Juli 1936, S. 259-268

SCHOENE Karl (Borgentreich): Kloster Hardehausen, sein Güterbezirk etc. bis Ende des 14. Jahrhunderts (Dissertation) Pustet, Salzburg 1913

RICHTER Wilhelm: Preußen und die Paderborner Klöster und Stifte 1802 - 1806 Bonifacius Druckerei, Paderborn 1905

HENKEL Gerhard: "Die Wüstungen des Sintfeldes" in: Verein für Gesch. und Altertumskunde Westf., Abteilg. Paderborn; Bonifacius Druckerei 1973

Urkunde ( Fischen verboten ) aus dem Staatsarchiv in Detmold, Königl. Regierung Minden, Nr. 5, 1678


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