EGGE-WESER März 1983 Band 2 / Heft 1 30-39

Naturlehrpfad in Borgentreich -
Planungsskizzen und Anregungen zur Ausführung

Willy Vieth, Beverungen

A. Einleitung

In jeder Gemeinde haben sich durch natürliche aber auch menschliche Einflüsse einzigartige Naturräume gebildet. Wie Mosaiksteinchen ergeben diese vielfältigen Lebensräume einen ästhetischen Gesamteindruck. Vielerorts verliert jedoch die Landschaft ihr typisches Gepräge, indem der Mensch die vielen kleinen "Steinchen" – Obstgärten, Weiden, Feldhecken, Kleingehölze, Gärten, Flurwege, Kiesgruben usw. – in eintönige, großflächige "Platten" umwandelt. Dieses fällt einem Durchschnittsspaziergänger sicherlich als erstes auf, wenn er die Landschaft nach einem erfolgten Eingriff mit dem Ausgangszustand, der ihm noch im Gedächtnis haftet, aber meistens weder durch Schrift noch durch Bild festgehalten wurde, vergleicht. Das gerade aufgeführte Argument, das als psychohygienisches bezeichnet wird, ist vielleicht das schwächste von fünf weiteren für das Erhalten von naturkundlich wertvollen Lebensräumen und Naturdenkmälern und für das Abwehren schädigender Eingriffe in den Naturhaushalt sowie für die Neubeschaffung reichhaltiger Lebensräume in naturferner Landschaft (Näheres s. WILDERMUTH, 1980).

Deshalb ist es notwendig, einer breiten Öffentlichkeit die Beweggründe für den Schutz der Natur begreifbar zu machen. Das Fördern der Einsicht in ökologische Zusammenhänge sowie in biologische Grundvorgänge, aber auch der unmittelbaren Kontakte zwischen Mensch und Natur ist nicht Aufgabe eines anonymen Gemeinwesens, sondern auch Herausforderung an Einzelpersonen, Vereine und Behörden auf kommunaler Ebene.

Ein richtiger Schritt in diese Richtung ging in Borgentreich von Rat und Verwaltung aus, als sie die Schaffung eines Naturlehrpfades auf die Tagesordnung setzten.
Für mich, als Kind der Stadt und Biologe im Schuldienst, bedeuten solche Initiativen von Bürgern in unseren Städten immer eine Herausforderung, der ich mich stelle, indem ich meine Gedanken und Erfahrungen bereitwillig beisteuere.

B. Grobplanung

I. Einholen von Erfahrungswerten und Ideen

Wenn man eine Neuanlage bauen will, sollte man neben einem gewissenhaften Literaturstudium zunächst bestehende Einrichtungen aufsuchen, um Anregungen zu sammeln. Ein Fundus von Ideen liegt mir in Form von Dias vor, die ich beim Besuch von vornehmlich Vogellehrpfaden vom Wattenmehr bis hin zum Schwarzwald aufnahm. Des weiteren besuchte ich Lehreinrichtungen der näheren Umgebung, nämlich in Blankenrode, Brakel, Marsberg, Neuhaus/Solling und Warburg. Angeregt durch eine Veröffentlichung im letzten Heft dieser Zeitschrift (EGGE-WESER 1982/02), werde ich ebenfalls den Lehrpfad der Waldjugend Steinheim in Vinsebeck aufsuchen.

Es stellte sich heraus, daß durch das Eingehen auf lokale Besonderheiten diese Einrichtungen erst ihr unverkennbares Gepräge bekommen. Die Darstellung der vorhandenen Naturgegebenheiten dient nicht nur dem Kennenlernen einzelner Arten, sondern auch der Vermittlung von der gegenseitigen Wechselwirkung von Lebewesen eines bestimmten Standortes und auch der kulturgeschichtlichen Entwicklung eines solchen Landschaftsteils.


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Ein weiterer Vorteil, vorhandene Elemente zu übernehmen und nicht erst entstehen zu lassen, ist, daß solche gewachsene Strukturen fast kostenlos zur Verfügung stehen und einen hohen und einzigartigen Entwicklungszustand aufweisen.
Da ein Lehrpfad kaum Flächen beansprucht, die anderweitig genutzt werden könnten, läßt er sich grundsätzlich überall verwirklichen, wenn der Grundstückseigentümer einwilligt.

II. Umsetzung auf die örtlichen Gegebenheiten

Naturräume, in denen sich in Borgentreich ein Lehrpfad einrichten ließe, sind die vorwiegend in städtischem Besitz befindlichen Flurstücke "Der Hagen" (s.Foto S. 32, oben) und "Im Grund" ( auch "Liebestal" genannt; s.Foto S. 32, unten). Da eine solche Anlage möglichst vielen Menschen zugute kommen sollte, ist der Standort Kernstadt Borgentreich wegen seiner Lage, seiner Fremdenverkehrseinrichtungen und seines Schulzentrums vorzüglich geeignet. Ein Lehrpfad soll dem Publikum und den Schülern die Vielfalt der Heimat aufzeigen. Er muß daher an einer Reihe interessanter Objekte vorbeiführen. Im vorgesehenen Gebiet wurde eine erste Bestandsaufnahme durchgeführt deren Ergebnisse folgen:

Bereits vorhandene Sehenswürdigkeiten:
Quellen, Bach, Teich, Sumpfwiese, Hecken, Feldgehölze, Waldrand, Laub-, Misch- und Nadelwald, Magerwiesen, alte Obstgärten, Wegränder, Ödflächen, Parkanlagen, geologische Aufschlüsse, Höhlen, ...

lokalhistorische Objekte:
alte Häuser, Speicher, Kirchen, Wassermühlen, Gedenkstätten, landschaftlich reizvolle Wanderstrecken, ...

Auflistung vorhandener Baumarten (erhebt nicht den Anspruch auf Vollzähligkeit) unabhängig von deren Häufigkeit:
1. Hänge-Birke 15. Sommerlinde
2. Schwarz-Erle 16. Esche
3. Hainbuche 17. Pappelarten
4. Hasel 18. Weidenarten
5. Stieleiche 19. Rotdorn
6. Roteiche 20. Weißdornarten
7. Bergulme 21. Platane
8. Eberesche 22. Lebensbaum
9. Traubenkirsche 25. Eibe
10. Robinie 24. Kiefernarten
11. Spitz-Ahorn 25. Lärche
12.

Feld-Ahorn

26. Fichte
15. Berg-Ahorn 27. Weißtanne
14. Roßkastanie 28. diverse Straucharten

C. Feinplanung

I. Art und Länge der Wegroute

Das Aufnehmen von weiteren Pflanzen- und Tiergruppen ist teilweise erfolgt und müßte durch interessierte Naturfreunde ergänzt und zusammengestellt werden. Danach sollte die Gruppe je nach der Zielsetzung Schwerpunkte festlegen und eine Auswahl treffen. Die Begehzeit des Naturlehrpfads sollte zwischen einer und zwei Stunden betragen, um die Besucher nicht zu überfordern. Auch die Zahl der dargebotenen Objekte sollte aus dem gleichen Grund 60 nicht überschreiten. Faßt man mehrere Objekte an Stationen zusammen, erleichtert man das Auffinden und ermöglicht dem Besucher Ruhe- und Bewegungsphasen. Mehr als 15-20 Haltestationen sollten nicht eingerichtet werden, wobei man zunächst mit wenigen anfangen und später fortlaufend ergänzen könnte.


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"Der Schulhagen"

...teils Wall oder Graben, zur mittelalterlichen Befestigungsanlage gehörend, hinter der inzwischen abgerissenen ehemaligen Volksschule.


Bis zum Anfang des Jahrhunderts mit Eichen und Eschen bestanden – danach mit Linde, Esche, Bergulme und Berg-Ahorn bepflanzt.

Aufnahme: W .Vieth, Okt.´82


"Im Grund" ...

Obstbaumbestände, vorwiegend Apfelbäume aber auch einige Zwetschgenbäume, an einem Südhang liegend.


Aufnahme: W. Vieth Okt.´82



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Zeichnung nach rechts drehen und in einem neuen Fenster zeigen!


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Bei den auf S. 33 abgebildeten Wegrouten, die einem zu bildenden Team als Diskussionsgrundlage dienen könnten, sind alternative Routen angeboten. Je nach Interesse, Marschtüchtigkeit und Zeit läßt sich die "Hauptroute" verkürzen ("Kleiner Rundgang") oder erweitern ("Vogelpfad" und/oder "Baumpfad"). Ebenso könnten die Erweiterungsrouten auch als eigenständige Lehrwege angesehen werden. Mit Rücksicht auf anreisende Besucher sollte der Pfad an einem Parkplatz (z.B. (P)) beginnen, auf dem dann eine Orientierungstafel aufgestellt werden müßte. Dieser Hauptstartpunkt wäre dann gleichzeitig Ziel, da es sich ja um einen Rundweg handelt. Vom Zielpunkt aus könnte der Besucher nach der Wanderung mühelos Gasthäuser in der Nähe erreichen. Gestärkt könnte er dann seinen Bildungsgang mit einem Besuch im Orgelmuseum (Z) abschließen. Für Besucher, die öfter kommen wollen oder nur kurz verweilen können, bieten die Haltepunkte Lehmberg (L), Schulzentrum (Q) oder Grotte (Y) weitere Park-, Einstiegs- und Orientierungsmöglichkeiten.

II. Art der Information

Zunächst wird der kundige Leser an Lehrwegtafeln denken, die aus Holz, Metall oder Kunststoff die Objekte beschildern. Zweckmäßigkeit einerseits und Einbindung in die Natur andererseits führen häufig dazu, daß diese Tafeln wie Fremdkörper wirken. Zum anderen müssen bei knapper Informationsmenge die Mitteilungen schulmeisterisch wirken, was nicht immer motivierend auf Schüler wirkt. Zudem ist die Beschädigungsgefahr derart groß, daß Anschaffungs- und Wiederbeschaffungskosten meist den Finanzierungsrahmen sprengen. Diese Vermutung wurde auf meinen Vorexkursionen auch in Gesprächen mit Betreuern leider bestätigt. Welche andere vergleichbare Informationsmöglichkeit gibt es noch? Mit Erfolg werden gedruckte Exkursionsführer bei Lehrpfaden in der Schweiz und England ausgegeben. Einige Kennzeichen dieser Informationsart sind im folgenden aufgeführt:

Unbeschränkte Informationsmenge (s. S. 38 + S. 39 ; Halt D); Studium zu Hause und in der Schule sind möglich; Aktualisierung und Ergänzung des Materials problemlos; geringe Herstellungskosten (können durch Verkauf noch gesenkt werden).
Problematisch könnte der Vertrieb werden, zumal an Wochenenden. Eine brauchbare Lösung stellt ein Verkaufsautomat dar, dem Informationsmaterial gegen Entrichtung einer Schutzgebühr entnommen werden kann. Das Verkehrsamt in Brakel hat seit einigen Jahren damit positive Erfahrungen gemacht.
Da manche Menschen vor dem Lesen umfangreicher Information eine Scheu entwickeln, sollte ihre Überwindung dadurch verringert werden, daß die Informationsmenge gut gegliedert dargeboten wird. Allgemeine und weiterführende Hinweise sollten im Schriftbild schon unterschieden werden können. Außerdem bieten Graphiken eine abwechselungsreiche Informationsalternative.

Ganz auf Hinweistafeln kann dennoch nicht verzichtet werden. So sind an Haupt- und Nebenstarts Übersichtskarten nach Art des Wegeroutenplans gerade für Besucher ohne Exkursionsführer erforderlich. Ferner müssen Haltepunkte kenntlich gemacht werden (s. Abb. 1, S.35 ). Die Objekte müssen nummeriert werden (s. Abb.2 u.3, S. 35). Durch unterschiedliche Farbgebung der Objektnummern könnten beispielsweise Gehölze und Kräuter leicht unterschieden werden. Dabei bekämen Pflanzen der selben Art immer die gleiche Nummer, so daß Wiederholungen an anderer Stelle, das Einprägen fördern würden. Ein Nummernschlüssel, gedruckt oder von der großen Tafel abgeschrieben, wäre die einfachste Form eines "schriftlichen Führers". Auf Teilrouten oder abgelegene Objekte müßte wie in Abb. 4 (S. 35) hingewiesen werden.
Nach Abwägung der Vor- und Nachteile würde ich den "schriftlichen Exkursionsführer" den vielen, teueren Objektafeln vorziehen.


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III. Art der Betreuung

Die Einrichtung und Betreuung eines solchen Naturlehrpfades sollte von einer ehrenamtlich tätigen Gruppe übernommen werden. Jeder, der Interesse zeigt, sollte Aufgaben übernehmen dürfen. Die Gemeinde würde sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Fachlehrer der Schulen, Heimatforscher, Förster, Jäger, Landwirte, Kaufleute und Handwerker könnten ebenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine solche Maßnahme unterstützen.
Letztlich aber spielen bei einer solchen Konzeption die finanziellen Probleme eine bescheidene Rolle. Gefragt ist der persönliche Einsatz von Jüngeren wie Älteren, die sich mit dem Projekt identifizieren können. Das können sie umso besser, je eher sie mit in die Planungsphase einsteigen.

D. Kleine Charakterisierung der Haltepunkte

Halt A : (Schulhagen) Neun wichtige Laubbäume, Blätter, Blüten, Früchte
Halt B : (Hinter der Hagenmühle) fünf weitere Laubbäume, Zersetzung der Laubstreu, geschichtlicher Hintergrund der mittelalterlichen Wallanlagen
Halt C : (Kläranlage) Gewässerverschmutzung, Stufen der natürlichen und künstlichen Reinigung, Wasserorganismen als Anzeiger für Wassergüte (Felsenhöhle) Geschichtliches, Fledermausbiotop?
Halt D : (Am Mühlenberg, Mischwald) Waldinsekten, Infektionskrankheiten von Waldbäumen, Pilze
Halt E : (Beim Forellenteich) Fische des Baches, Pflanzen in und am Bach, Vögel am Bach
Halt F : (Mittelmühle, Fichtenforst) Pflanzen im und am Wald, Fährten, Fraßspuren, Wild- und Forstkunde
Halt G : (Apfelplantage) Lebensraum Obstwiese, intensiver und extensiver Obstbau
Halt H : (Im Grund) Errichtung eines Vogelschutzgebietes (Nistkästen, Nisttaschen, Schutz der Brutstätten u.v.m.)
Halt I : (Feuchtwiese) Sumpfpflanzen, Amphibien und deren Entwicklung
Halt J : (Feldgehölz) Standortgemäße Gehölze, Schutz der nützlichen Kleintierwelt, Bienenweide, Trockenrasen
Halt K bis N : (Lehmbergsbereich) Nadelbäume, Holzarten für Park und Garten, geologischer Aufschluß
Halt P : (Start und Ziel) Parkplatz und Orientierungstafel
Halt Q bis R : (Schulzentrum) Arboretum (d.h. Sammlung einheimischer sowie fremdländischer Baum- u. Straucharten als lebendige Pflanzen nach bestimmten Gesichtspunkten (wie Herkunft, Verwandtschaft, Standortansprüche o.a.) zusammengestellt
Halt S : (Schützenteich) Lebensgemeinschaft Teich
Halt T und U : (Sportplatz, Friedhof) Holzarten für Schutzpflanzungen bzw. Verkehrsanlagen

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Halt X : (Judenhagen) Ergänzungspflanzungen einheimischer Baumarten. Geschichtliches (ehem. Friedhof), Aufforderung zur Beobachtung: Welche der markierten Pflanzen blühen heute? oder: Notiere alle Standorte des Scharbockskrauts (oder anderer Art) in eine vorgegebene Skizze.
Halt Y : (Grotte) möglicher Zwischeneinstieg, Sehenswürdigkeit
Halt Z : (Orgelmuseum) als Ergänzung oder Ausweichmöglichkeit bei schlechtem Wetter

E. Zusammenfassung

Das folgende Schema gibt in allgemeiner Form den Ablauf der Planungs- und Ausführungsphasen wieder (z.T. nach ZIMMERLI, 1975). Es kann somit auch andernorts als Leitfaden dienen.

F. Literatur

WILDERMUTH, H. (1980): Natur als Aufgabe. Leitfaden für die Naturschutzpraxis in der Gemeinde. -Schweizerischer Bund für Naturschutz, Basel

ZIMMERLI, E. (1975): Freilandlabor Natur. Schulreservat, Schulweiher, Naturlehrpfad-Schaffung, Betreuung, Einsatz im Unterricht. Verlag World Wildlife Fund Zürich (Schweiz)

AID - Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten e.V. Bonn, Hefte 39 u. 40?

MELF-NW - Minister f. Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen mit folgenden Broschüren: Schützt die Obstwiesen, Schützt die Straßen u. Wegränder, Schützt die Fledermäuse !

Deutscher Naturschutzring: Jugendarbeit im Natur- u. Umweltschutz


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Arbeitsblatt (Vorderseite)

Bemerkung: Der Text muss nicht gelesen werden können! (Muster)

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Arbeitsblatt (Rückseite)

Bemerkung: Der Text muss nicht gelesen werden können! (Muster)

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