EGGE-WESER 1985/01 Band 3 / Heft 1 37-38

Zur eiszeitlichen Flora des Wesertals bei Höxter

Fritz Rudolf Averdieck

Zwischen Höxter und dem südlich davon gelegenem Godelheim liegt, eingeengt von einer Bundesbahnlinie und einer Bundesstraße, eine Kiesgrube. Ihr Besitzer, Herr Michael BIERKOCH, Höxter, stieß dort unter einer 1 m mächtigen Schicht "blauen Tons" immer wieder in etwa 8 m Tiefe auf "torfige Ablagerungen mit Farnresten, Holzstücken, ganzen Haselnüssen und einmal auch auf eine kapitale Abwurfstange eines Rothirsches". Diese befindet sich heute in der Sammlung des Städtischen König-Wilhelm-Gymnasiums in Höxter. Aus dieser Schicht gelangte eine Probe vom 8.7.1984 über Herrn Prof. Dr. Helmut DUTHWEILER an das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, wo es Herr Dr. Fritz-Rudolf AVERDIECK analysierte. Hier sein Gutachten (in Klammern Ergänzungen der Redaktion):

"Bei der Probe handelt es sich vermutlich um einen stark zersetzten Bruchwaldtorf mit mehr oder minder großem Riedtorfanteil ohne erkennbare Strukturen. Da mehrere Proben keine nennenswerten Abweichungen zeigten, wurde die am geeignetsten erscheinende näher ausgezählt.

Ergebnis: Pinus (Kiefer) 82,5
Betula (Birke) 13,5
Quercus (Eiche)  0,5
Populus (Pappel)  0,5
Salix (Weide)  3,0
Baumpollensumme 200 Stück, Berechnungssumme (=100% d.h. auch die Nichtbaumpollen werden in % dieser Summe berechnet)
Corylus (Hasel)  1,0
Gramineae (Gräser) 37,0
Cyperaceae (Seggen) 21,5
Polypodiaceae (Tüpfelfarn) 10,5
Sparganium/Typha ang.  6,0 (Igelkolben, Schmalblättr. Rohrkolben)
Artemisia (Beifuß)  6,0
Symphytum (Beinwell)  3,5
Filipendula (Mädesüß)  1,5
Rubiaceae (Rötegew.)  1,5
sonstige mögliche Landkräuter  8,5 u.a. Sanguisorba officinalis  (Großer Wiesenknopf), Thalictrum (Wiesenraute), Labiatae (Lippenblütler) & Compositae (Korbb.)
sonstige Sumpf- und Wasserpflanzen  1,5 Typha latif. (Breitb. Rohrk.), Cladium (Schneide) u.cf. Potamogeton (Laichkraut)
Die Pollenerhaltung war unterschiedlich, z.T. sehr schlecht, so daß 13 % (bezogen auf die Baumpollensumme) nicht definierbar waren.

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Auswertung:

In der Baumpollenflora dominiert eindeutig Pinus, außer der es nur Betula und Salix zu bescheidenen Anteilen bringen. Unter den Betula-Pollen fanden sich auffallend viele kleine Typen, die evtl. mit Betula nana (Zwerg-Birke) in Zusammenhang stehen könnten. Das differenziertere Bild der Nichtbaumpollen läßt sich in erster Linie auf die Torfbildner zurückführen. Sichere Tertiär-Typen lassen sich nicht nachweisen. Auch Anzeichen für Alt-Pleistozän (Alt-Eiszeit) entfallen. Aus der Pollenzusammensetzung kann man allerdings nur folgern, daß es sich hier um eine Kiefernphase handelt, wie sie bevorzugt am Ende von Interglazialen (Zwischeneiszeit) oder Interstadialen (kurzfristige Erwärmung zwischen zwei Kaltzeiten einer Eiszeit) geherrscht haben. Die hohen Artemisia- und möglicherweise auch Gramineenwerte wie auch die Vorkommen von Sanguisorba und Thalictrum sind als Anzeichen beginnender-?- Kältesteppe zu werten. Die Möglichkeit, das Spektrum in das Spät- oder das frühe Postglazial (Nacheiszeit) zu stellen, dürfte, falls nicht schon aus stratigraphischen Gründen, wegen der einseitigen Kieferndominanz bei praktisch fehlender Hasel - es wurden nur zwei stark korrodierte und daher vermutlich umgelagerte ältere Corylus-Pollen gefunden - entfallen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Probe in das Pleistozän zu stellen, vermutlich in das jüngere. Die nähere Bestimmung wird sich besser mit geologischen Mitteln vornehmen lassen."

Wir bringen diesen Bericht, weil Pollenanalysen aus der Eiszeit recht selten sind und weil die örtlichen Gegebenheiten eine Ergänzung und Verfeinerung unserer Kenntnisse möglich erscheinen lassen.

Anschrift des Verfassers: Dr. Fritz-Rudolf Averdieck, Institut für Vor- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität, Olshausenstraße 40 Gebäude N 1, 2500 Kiel 1

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