EGGE-WESER 4 (1) 69-75 FESTSCHRIFT
zum 70. Geburtstag von
KURT PREYWISCH
Höxter 1987

Die Vogelwelt des Nethetales im Bereich des Faulen Baches bei Bruchhausen, Stadt Höxter

Gerhard Steinborn

Unterhalb der B 64 und der Bahnlinie Ottbergen - Altenbeken entspringt am Fuß des Wingelsteins der Faule Bach. Seine Länge beträgt nur etwa 1,5 km und er mündet am Ortseingang von Bruchhausen in die Nethe. Bei dem Nethetal, an dessen Nordrand der Faule Bach verläuft, handelt es sich um eine uralte Kulturlandschaft, die schon in der Steinzeit besiedelt war, wie Artefaktfunde beweisen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Den größten Teil des Tales bilden die zahlreichen Viehweiden mit zum Teil noch nennenswerten Streuobstbeständen. Die Wege werden stellenweise noch von Kopfweiden gesäumt. Das ganze Tal ist periodischen Überschwemmungen ausgesetzt. In den tieferen Bereichen der Weiden bleibt das Wasser sehr lange stehen, was zur Sumpfbildung mit der entsprechenden Flora geführt hat. Besonders feuchte Bereiche blieben als Ödland sich selber überlassen oder wurden mit Erlen und Pappeln aufgeforstet. Der Bahndamm mit der angrenzenden B 64 bildet die nördliche Grenze des Tales. Durch seine südexponierte Lage bietet er auf seinen Halbtrockenrasen gerade den wärmebedürftigen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum.

Der Faule Bach selbst ist in seinem ganzen Lauf anthropogen überformt. Das beginnt schon im Quellbereich. Die Quelle wurde gefaßt und speist einige unmittelbar daran anschließende Fischteiche. Der Bachlauf ist auf der ganzen Länge begradigt und verläuft parallel zum Weg als Vorfluter für einige Wiesengräben. Da er jedoch nur wenig gepflegt wird, hat sich an seinen Ufern eine relativ naturnahe Vegetation mit zum Teil sehr bemerkenswerten Arten herausgebildet.

Das Vorkommen verschiedenartiger Biotopstrukturen auf relativ engem Raum bedingt einen hohen Artenreichtum in der Vogelwelt. Bisher gelang der Nachweis von 86 Arten, davon 55 als Brutvögel. Bei den bisherigen Bestandserfassungen wurden noch keine Siedlungsdichteuntersuchungen durchgeführt. Es sollte vielmehr ein möglichst lückenloses Artenspektrum erreicht werden. Dazu wurden ab Mai 1985 täglich drei Begehungen durchgeführt (morgens, mittags, abends). Zusätzliche Ergebnisse brachten einige in unregelmäßigen Abständen erfolgte Nachtexkursionen. Nach Möglichkeit wurden Brutnachweise angestrebt. Als Nahrungsgäste und Durchzügler sind die Arten aufgeführt, die das Gebiet regelmäßig zwecks Nahrungsaufnahme und zur Rast aufsuchten.

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Tabelle 1: Liste der am Faulen Bach nachgewiesenen Vogelarten

Abkürzungen: B = Brutvogel, D = Durchzügler/Nahrungsgast, G = Gefährdungskategorie

Art Status G
B D
1. Zwergtaucher X   2
2. Graureiher   X 4
3. Kranich   X II
4. Saatgans   X II
5. Stockente X    
6. Krickente   X 2
7. Mäusebussard X    
8. Rauhfußbussard   X II
9. Sperber   X 3
10. Habicht   X 4
11. Schwarzmilan   X 2
12. Rotmilan   X 3
13. Wespenbussard   X 3
14. Turmfalke   X  
15. Rebhuhn X   3
16. Wachtel X   2
17. Fasan X    
18. Wasserralle X   2
19. Teichhuhn X    
20. Kiebitz   X  
21. Bekassine   X 2
22. Dunkler Wasserläufer   X II
23. Flußuferläufer X X 1
24. Lachmöwe   X  
25. Ringeltaube X    
26. Turteltaube X    
27. Türkentaube X    
28. Schleiereule   X 3
29. Steinkauz X X 3
30. Waldkauz   X  
31. Eisvogel   X 2
32. Grauspecht X    
33. Buntspecht X    
34. Kleinspecht X   3
35. Wendehals X X 1
36. Feldlerche X    
37. Gebirgsstelze   X  
38. Bachstelze X    
39. Baumpieper X    
40. Neuntöter X   3
41. Raubwürger   X 2
42. Wasseramsel   X 3
43. Zaunkönig X    
44. Heckenbraunelle X    
45. Feldschwirl X    
46. Sumpf rohrsänger X    
47. Teichrohrsänger X   3
Art Status G
B D
48. Gartengrasmücke X    
49. Mönchsgrasmücke X    
50. Klappergrasmücke X    
51. Dorngrasmücke X   3
52. Zilpzalp X    
53. Fitis X    
54. Grauschnäpper X    
55. Trauerschnäpper X    
56. Gartenrotschwanz X   3
57. Hausrotschwanz X    
58. Braunkehlchen   X 2
59. Rotkehlchen X    
60. Misteldrossel X    
61. Wacholderdrossel X    
62. Singdrossel X    
63. Amsel X    
64. Weidenmeise X    
65. Blaumeise X    
66. Kohlmeise X    
67. Kleiber X    
68. Gartenbaumläufer X    
69. Goldammer X    
70. Rohrammer X    
71. Buchfink X    
72. Girlitz X    
73. Grünling X    
74. Stieglitz X    
75. Erlenzeisig   X  
76. Hänfling X    
77. Kernbeißer X    
78. Gimpel X    
79. Haussperling   X  
80. Feldsperling X    
81. Star X    
82. Elster X    
83. Pirol   X 3
84. Dohle   X  
85. Saatkrähe   X 2
86. Rabenkrähe X    

Gefährdungskategorien:
1: vom Aussterben bedroht
2: stark gefährdet
3: gefährdet
4: potentiell gefährdet
II: gefährdete Durchzügler, Übersommerer, Überwinterer und andere Gastvögel


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Von den 86 nachgewiesenen Arten sind immerhin 31 in der "Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere (2. Fassung)" von 1987 aufgeführt. Dieser hohe Anteil gefährdeter Vogelarten unterstreicht deutlich die herausragende ökologische Bedeutung des Nethetales im Bereich des Faulen Baches. Auf die "Rote-Liste-Arten" soll im Folgenden näher eingegangen werden:

Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis)

Der Zwergtaucher ist regelmäßiger Wintergast im Faulen Bach. Er bevorzugt jedoch den Bereich in der Nähe der Mündung in die Nethe. Nur bei Hochwasser oder anhaltenden Regenfällen, die die Lehmfracht der Nethe sprunghaft ansteigen lassen, weicht er bis in den Oberlauf des Faulen Baches aus, da dieser immer klares Wasser führt.

Graureiher (Ardea cinerea)

Die Graureiher sind ständige Nahrungsgäste im Bereich des Faulen Baches und des weiteren Nethetales. Ihr Auftreten häuft sich im Herbst und im Winterhalbjahr. Zur Brutzeit sieht man nur noch gelegentlich Einzeltiere. An- und Abflugrichtung deuten darauf hin, daß die Mehrzahl der Vögel der Kolonie bei Würgassen angehört (Entfernung etwa 10 km).

Kranich (Grus grus)

Kraniche suchen die Wiesen am Faulen Bach seit zwei Jahren regelmäßig in der Zugzeit zur Übernachtung auf. Im Herbst 1986 und im Frühjahr 1987 hielt sich jeweils ein einzelner Kranich für einen Tag in den Wiesen zwischen Faulem Bach und Nethe auf.

Saatgans (Anser fabilis)

Im Dezember 1986 rastete ein Trupp Saatgänse (23 Exemplare) in den Wiesen am Faulen Bach.

Krickente (Anas crecca)

Krickenten halten sich regelmäßig zur Zugzeit in sumpfigen Wiesenbereichen zwischen Nethe und Faulem Bach auf. Ein Brutvorkommen ist auf Dauer nicht auszuschließen, da das Untersuchungsgebiet den Habitatansprüchen der Art in Teilbereichen sehr entgegenkommt.

Rauhfußbussard (Buteo lagopus)

Am 19.1.1987 hielt sich den ganzen Tag ein Rauhfußbussard im Untersuchungsgebiet auf. Es handelte sich um ein adultes Exemplar, das als Warten überwiegend Maulwurfshaufen benutzte.

Sperber (Accipiter nisus)

Der Sperber ist regelmäßiger Nahrungsgast. Er revidiert besonders die Heckenbereiche am Faulen Bach und am Bahndamm. Am häufigsten trifft man ihn im Winterhalbjahr an.

Habicht (Accipiter gentilis)

Er taucht unregelmäßig als Nahrungsgast auf und schlägt hier überwiegend Tauben und Kaninchen.

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Schwarzmilan (Milvus migrans)

Er brütet in den Buchenwäldern zwischen Godelheim und Ottbergen, sucht das Gebiet aber gelegentlich zur Nahrungssuche auf.

Rotmilan (Milvus milvus)

Das nächste Brutvorkommen liegt an der Beller Burg. Der Rotmilan revidiert aber täglich die Bundesstraße und die Wiesen am Faulen Bach bei der Suche nach Beute.

Wespenbussard (Pernis apivorus)

1986 suchte regelmäßig ein Wespenbussard, vom Wingelstein kommend, am Bahndamm nach Beute. Einige ausgegrabene Wespennester zeigten, daß die Nahrungssuche oft erfolgreich war.

Rebhuhn (Perdix perdix)

Im Mai 1986 beobachtete ich ein Rebhuhnpaar am Bahndamm oberhalb des Faulen Baches.

Wachtel (Coturnix coturnix)

Ob die Wachtel im Untersuchungsgebiet brütet, ist ungewiß. Ihr Ruf war jedes Jahr zu hören. Der Bestand scheint aber jährlichen Schwankungen unterworfen zu sein, da die Anzahl der Rufer nie konstant war.

Wasserralle (Rallus aquaticus)

1985 fand ich im hohen Uferbewuchs zwischen dem Faulen Bach und einer Fischteichanlage das verlassene Gelege einer Wasserralle. Es enthielt noch zwei Eier. Im selben Gebiet überwinterte von Dezember 1985 bis März 1986 eine Wasserralle. Überwinterungen von Wasserrallen sind sehr selten und hier wohl nur auf das reiche Nahrungsangebot und die gute Deckung zurückzuführen. Das Tier hielt sich vorwiegend unter überhängender Ufervegetation des Faulen Baches auf.

Bekassine (Gallinago gallinago)

Bekassinen halten sich regelmäßig zur Zugzeit in den sumpfigen Bereichen der Wiesen zwischen Faulem Bach und Nethe auf. Über eventuelle Brutvorkommen liegen noch keine Erkenntnisse vor.

Dunkler Wasserläufer (Tringa erythropus)

Er tritt als unregelmäßiger Durchzügler auf (1984 und 1986) und ist auf den gleichen Flächen wie die Bekassine zu finden.

Flußuferläufer (Tringa hypoleucos)

Der Flußuferläufer hält sich zur Zugzeit regelmäßig tage- bis wochenlang im Untersuchungsgebiet auf. Auch zur Brutzeit kann man ihn gelegentlich beobachten. Es handelt sich dann aber um umherstreifende Einzeltiere. Brutverdacht bestand bisher nicht.

Schleiereule (Tyto alba)

Mehrere Beobachtungen im Jahr 1986 zeigen, daß sie das Gebiet regelmäßig zur Nahrungssuche aufsucht.

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Steinkauz (Athene noctua)

Bei Nachtexkursionen 1985 und 1986 gelangen unregelmäßige Nachweise der Art. Potentielle Brutmöglichkeiten sind durch die Kopfweiden noch vorhanden. Da sich die Nachweise von 1986 auf die Brutzeit erstreckten, bestand durchaus die Möglichkeit eines Brutvorkommens. Ein sicherer Nachweis konnte aber nicht erbracht werden.

Eisvogel (Alcedo atthis)

Der Eisvogel brütet in einem Steilufer der Nethe am Rand des Untersuchungsgebietes. Er jagt gelegentlich am Faulen Bach. Sobald die Nethe jedoch nach Regenfällen oder bei Hochwasser lehmgetrübt ist, trifft man das Brutpaar nur noch am Faulen Bach an, da dieser ständig über klares Wasser, genügend Warten und reichlichen Kleinfischbestand verfügt.

Kleinspecht (Dendrocopus minor)

Diese Charakterart der weichen Laubholzbestände findet in den Kopfweiden und Obstbäumen des Nethetales noch reichlich Brutmöglichkeiten. Eine Höhle befand sich in einer Weide, die beim letzten Manöver von Panzern umgefahren wurde.

Wendehals (Jynx torquilla)

Der Wendehals zählt wie Wiedehopf und Pirol zu den wärmeliebenden Vogelarten. Sie verschwinden auf breiter Front, wenn die Jahresdurchschnittstemperatur geringfügig sinkt. Die letzten warmen Sommer haben sich offenbar sehr positiv ausgewirkt, denn alle drei Arten zeigen zunehmende Tendenzen. Der Wendehals hat 1986 in einem Erlen-Pappel-Wald nahe der Quelle des Faulen Baches gebrütet und erfolgreich Junge aufgezogen. Die genaue Jungenzahl konnte aber nicht ermittelt werden.

Neuntöter (Lanius collurio)

Der Neuntöter ist eine charakteristische Vogelart der Halbtrockenrasen mit Schlehengebüsch und Heckenrosen. Diesem Biotoptyp ähnelt am ehesten der Bahndamm. Hier hat 1985 ein Paar in einer Heckenrose gebrütet. Weitere Brüten findet man regelmäßig auf dem angrenzenden Wingelstein.

Raubwürger (Lanius excubitor)

Brüten des Raubwürgers sind aus der näheren Umgebung schon seit Jahren nicht mehr bekannt. Im Winterhalbjahr halten sich aber oft durchziehende Raubwürger für längere Zeit im Tal des Faulen Baches auf. Die letzte Beobachtung erfolgte am 24. 12. 1986.

Wasseramsel (Cinclus cinclus)

Im Winterhalbjahr trifft man die Wasseramsel regelmäßig am Faulen Bach an, sonst nur bei Hochwasser und längeren Regenperioden. Der Faule Bach weist zwar hohe Nahrungsqualitäten auf, aber keine Brutmöglichkeiten, da der Abstand zwischen den Brückendecken und der Wasseroberfläche zu gering ist.

Teichrohrsänger (Acrocephalus palustris)

Bisher wurde erst eine Brut in den Schilfbeständen einer stark versumpften Wiese festgestellt (1984).

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Dorngrasmücke (Sylvia communis)

Die Dorngrasmücke bevorzugt einen ähnlichen Biotop wie der Neuntöter. Sie brütet noch regelmäßig in den Gebüschgruppen am Bahndamm und in den Resthecken am Faulen Bach.

Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)

Diese Art hat in den letzten Jahren in ganz Westfalen erheblich abgenommen. Am Rande des Erlenwäldchens am Faulen Bach kam es 1986 zu einer erfolgreichen Brut. Auch in diesem Jahr ist das Revier wieder bezogen.

Braunkehlchen (Saxicola rubetra)

Bisher wurden Braunkehlchen im Beobachtungsgebiet nur zur Zugzeit unregelmäßig beobachtet. Obwohl noch reichlich Biotope vorkommen, die den Ansprüchen der Art genügen, hat es keine Brüten gegeben. Das Nethetal ist offenbar noch zu eng und somit trotz guter Brutmöglichkeiten insgesamt nicht geeignet.

Pirol (Oriolus oriolus)

Am 9. 5. 1987 rief ein Pirol in einer Erle am Faulen Bach. Es ist der erste Nachweis der Art im Untersuchungszeitraum. Zusammen mit dem Brutnachweis des Wendehalses und einigen Beobachtungen des Wiedehopfes in der Senne festigt das die Vermutung, daß die wärmeliebenden Vogelarten zur Zeit wieder zunehmen.

Saatkrähe (Corvus frugilegus)

Die Saatkrähen trifft man nur im Winterhalbjahr regelmäßig als Nahrungsgäste im Gebiet des Faulen Baches an. Die nächste Brutkolonie befindet sich erst wieder in der Gegend von Steinheim.

Die hohe Artenzahl insgesamt, besonders auch der hohe Anteil gefährdeter Arten, weisen das Nethetal im Bereich des Faulen Baches schon allein von der Vogelwelt her als äußerst schützenswert aus. Es muß alles daran gesetzt werden, daß keine weiteren Wiesen in Ackerland umgewandelt werden. Die durch Überalterung und Manöverschäden verlorengegangenen Kopfweiden sollten durch Neuanpflanzungen ergänzt werden. Eine Erhaltung der Streuobstwiesen ist ebenfalls unbedingt notwendig, da sie einen nennenswerten Teil der noch nicht gefährdeten Arten beherbergen. In ihnen befindet sich beispielsweise seit Jahren eine Wacholderdrosselkolonie. Versuche, die Wiesen zu dränieren, sollten unterbunden werden, da sie die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen grundlegend ändern.

Die Säugetierfauna, die Kleinmuschelfauna und die Flora dieses Bereiches werden zur Zeit bearbeitet. Auch hier ist schon erkennbar, daß das Gebiet einen großen Anteil gefährdeter Arten aufweist, was den ökologischen Wert dieses Tales nochmals unterstreicht.

Schriften:

PREYWISCH, K. -1962- Die Vogelwelt des Kreises Höxter. - Bielefeld: Gieseking. (151 S.)

Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere, 2. Fassung -1987-SchrR. LÖLF 4: 1 - 244. Recklinghausen.

Anschrift des Verfassers:
Gerhard Steinborn, Bruchhausen, Im Springe 2a, D-3470 Höxter 11