EGGE-WESER 5(2) Seite: 38-40 Höxter 1988

Kurzmitteilung aus den Lehrgebieten Tierökologie und Vegetationskunde im
Studiengang Landespflege der Universität Gesamthochschule
Paderborn/Abt.Höxter

von Bernd Gerken und Hans Böttcher

Mitte 1988 wurde an den Lehrgebieten Tierökologie und Vegetationskunde eine Arbeitsgruppe Kalkmagerrasen eingerichtet, die sich im Rahmen einer Projektförderung durch den Minister für Umweltschutz, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen dem Schutz, der Pflege und der Entwicklung der Kalkmagerrasen in Ostwestfalen widmet. In Zusammenarbeit mit den Unteren Landschaftsbehörden der Kreise Paderborn, Höxter und Lippe, dem Amt für Agrarordnung Warburg und interessierten Schäfern und Landwirten sollen gebietsspezifische Pflegepläne erarbeitet und in die Praxis umgesetzt werden. Ein von der Arbeitsgruppe erstelltes Informationsblatt wird Interessenten auf Wunsch zugesandt.

Im Rahmen der hierzu notwendigen Grundlagenuntersuchungen werden insbesondere auch die tagaktiven Schmetterlinge sehr eingehend bearbeitet werden. Dabei wird nicht nur der Artenbestand als solcher und der Bezug einzelner Arten zu einem bestimmten Blütenangebot und bestimmten Strukturen ermittelt, sondern es geht auch darum Auskunft zu gewinnen über die Größe und Dynamik von Falterkolonien bzw. Teilpopulationen bestimmter Blutströpfchen (Zygaenidae) und Bläulinge (Lycaenidae). Die Populationsstudien werden durchgeführt im Rahmen von Probeflächen- und Transektuntersuchungen (vgl. GERKEN u. ZETTELMEYER 1986, SMOLIS und GERKEN 1987) durch Fang, Markierung und Wiederfang der Imagines. Durch eigene Untersuchungen und entsprechende, insbesondere amerikanischer und englischer Arbeitsgruppen in den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, daß hiermit sehr weitgehende Auskünfte erhalten werden können z.B. über die Ortstreue einzelner Arten und die Austauschaktivität zwischen benachbarten Gebieten.

Die in der Region Ostwestfalen tätigen Faunisten möchten wir von diesen laufenden Arbeiten hiermit in Kenntnis zu setzen. Über eine Kontaktaufnahme und die Aufnahme eines Gedankenaustauschs zu Durchführung und Auswertung unserer Untersuchungen würden wir uns freuen.

Wir wären dankbar, wenn insbesondere auch in den vergangenen Jahren vorgenommene Eingriffe in die Falterbestände durch Fang und Entnahme von Tieren (einmal abgesehen von den geltenden Bestimmungen des Artenschutzes) uns mitgeteilt würden. Es ist uns bekannt geworden, daß derartige Umsetzungsversuche

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unternommen wurden, um augenscheinlich schwache, d.h. augenscheinlich wenige Imagines umfassende, Kolonien zu verstärken. Diese zweifellos gut gemeinten Aktionen sind in ihrer biologisch-ökologischen Bedeutung, den Erfolgsaussichten der Umsetzaktion und allein der Notwendigkeit derartiger Maßnahmen vollständig unklar. Aus dem Vorkommen augenscheinlich weniger Imagines - also einer Bestandsschätzung ohne systematische populationsökologische Methodik - kann und darf nicht auf die vermeintliche Intaktheit oder gar Gefährdung einer Kolonie geschlossen werden. Es kann daraus keine Notwendigkeit zur Umsetzung abgeleitet werden. Auch eventuelle Kopulationsaktivitäten frisch umgesetzter Falter sind kein Beweis dafür, daß diese Tiere erfolgreich umgesetzt werden konnten, bzw. daß für den vermeintlichen zu schützenden Bestand hiermit ein Erfolg erreicht worden wäre. Das Umsetzen weniger Tiere ohne systematische Analyse der Habitateigenschaften und Bedürfnisse der Tiere sowie ohne systematische Erfolgskontrolle (was nur durch individuell markierte Tiere und nur bei hohem Zeiteinsatz für die Kontrollen möglich wäre) ist ein falscher und gefährlicher Weg.

In der Botanik spricht man vom 'Ansalben' von Pflanzen, wenn Arten an Stellen verbracht werden, an denen sie von Natur aus nicht oder nicht in dieser Menge auftreten. Ansalbungsaktionen haben vielfach bei der Einschätzung der Bodenständigkeit und des Gefährdungsgrades von Vorkommen Verwirrung gestiftet, haben Bemühungen des Artenschutzes also letztlich erschwert. Sie sind überdies bislang immer ohne Bedeutung für den Bestand einer Sippe geblieben. Auf die Problematik derartiger Umsetzungsaktionen geht LIENENBECKER (1985) ein. Wir werden in einem der nächsten Hefte von EGGE-WESER auf die Problematik des 'Ansalbens' aus faunistischer Sicht ausführlich eingehen.

Im Interesse der laufenden Untersuchungen bitten wir dringend darum, die Entnahme und anschließendes Umsetzen von Faltern gleich welcher Art, wie auch die Umsetzung anderer Tierarten, von einem Gebiet in ein anderes Gebiet zu unterlassen. Dankbar wären wir für die Möglichkeit der Einsichtnahme in Protokolle, die zu den Umsetzungsaktionen geführt wurden.

Unser Ziel muß es in den kommenden Jahren sein, die Voraussetzungen für eine geeignete Pflege und Entwicklung der Lebensraumstrukturen der Schmetterlingsgemeinschaften der über Nordrhein-Westfalen hinaus bedeutenden ostwestfälischen Kalkmagerrasen zu sorgen. Lebensraumschutz ist die hauptsächliche, tragfähige Grundlage des Artenschutzes. Es muß vermieden werden, daß die Kalkmagerrasen zu Zoos werden, in denen bestimmte, aus welchen Gründen auch immer als 'schön' oder 'selten' bezeichnete Arten erhalten werden. Geeignet sind vielmehr allein jene Formen der Pflege und Entwicklung, die der langfristigen Sicherung der für unsere Landschaft typischen Magerrasen-Lebensgemeinschaften dienen. Die enge Zusammenarbeit mit der Land- und Forstwirtschaft und die stete Verknüpfung mit faunistisch-ökologischer Zustandsdokumentation ist hierzu die entscheidende Voraussetzung .

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Literatur:

LIENENBECKER, H. (1985): Anmerkungen über das Ausbringen von Wildpflanzen; Egge-Weser, 3 (1), 20-24

SMOLIS u. B. GERKEN (1987): Zur Frage der Populationsgröße und der intrapopuleren Mobilität von tagfliegenden Schmetterlingen, untersucht am Beispiel der Zygaenidenarten eines Halbtrockenrasens; Decheniana, 140. 102-117.

GERKEN B. u. ZETTELMEYER W. (1986): Populationsökologischen Studien an Libellen als Beitrag zum Artenschutz. Mit einem Nachweis von L. dryas KIRBY im Kreis Höxter; Veröffentliche Naturk. Ver. EGGE WESER 3(4), 201-209.

SCHNEIDER, M. (1982): Untersuchungen zur Artenzusammensetzung von Halbtrockenrasen bei Höxter und Paderborn im Klimagefälle zwischen Göttingen und Osnabrück. - Dipl.Arb. Studiengang Landespflege Univ. Paderborn, Abt. Höxter (Unveröff.).

Anschrift der Verfasser :
Bernd Gerken
Hans Böttcher
Uni-GH-Paderborn Abt. Höxter
An der Wilhelmshöhe 44
D - 3470 Höxter