EGGE-WESER Band 7 Seiten 86-88 Höxter 1995

Buchbesprechungen

Hans Jerrentrup und Jürgen Resch: Der Nestos - Leben zwischen Fluß und Meer -
128 Seiten, 93 Farb-, 53 s/w-Photos, 11 Karten, Diagramme und Tabellen. Verlag Jürgen Resch. Radolfzell 1989.

Im Nordosten Griechenlands liegt eines der bedeutendsten Feuchtgebiete Europas: eine viele Quadratkilometer große Flußauenlandschaft mit Resten urwüchsiger Auenwälder, ausgedehnten Lagunensystemen und weiten Sandstränden. Doch der Fortbestand dieser einzigartigen, durch die Dynamik des Wassers geprägten Landschaft mit ihren seltenen Tier- und Pflanzenarten ist hochgradig bedroht.

Am Beispiel des Nestos-Deltas und der den Rhodophen vorgelagerten Auenlandschaft wird deutlich, daß Natur keine Grenzen kennt und Naturschutz internationaler Anstrengungen bedarf. So ist die in diesem Buch beschriebene Landschaft des Nestos-Deltas ein Fallbeispiel für die notwendige Solidarität zwischen Natur und Kultur in Europa. Letztlich geht es dabei auch um uns selbst.

Das Nestos-Delta gilt nicht nur als Lebensraum der letzten größeren Spornkiebitz-Populationen (Hoplopterus spinosus) auf europäischem Boden, sondern auch als Heimat vieler anderer, ehemals in Flußauen heimischer Arten, wie z. B. des Schreiadlers (Aquila pomarina) und mehrerer Reiherarten (u. a. Purpurreiher (Ardea purpurea) und Seidenreiher (Egretta garzetta). Auch die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) und die Maurische Wasserschildkröte (Mauremys caspica) haben hier eines ihrer letzten Rückzugsgebiete in Europa.

Die Vegetationsverhältnisse des Nestos-Gebiets sind sehr abwechslungsreich und vielfältig. Neben den Brackwasserbereichen der Lagunen und den vorgelagerten Sandbänken ist vor allem die Dynamik der teilweise noch erhaltenen, schwer zugänglichen Auenwälder faszinierend.

Diese reichhaltige Landschaft ist in Gefahr. Ursachen der ernsten Bedrohung sind landwirtschaftliche Intensivierungsmaßnahmen, die Umwandlung von Auenwäldern in Pappelplantagen und Erschließungsmaßnahmen in den Küstenbereichen wie auch der ungelenkte Naturtourismus.

Mit seinem zweiten Naturführer gelingt es Jürgen Resch zusammen mit Hans Jerrentrup wieder einmal dem Leser eine der faszinierendsten Landschaften Europas in gut verständlicher und ansprechender Weise nahezubringen und darüber hinaus zum aktiven Mithelfen für den Erhalt dieser Landschaft zu motivieren.

J. Wilke

Andreas Megerle und Jürgen Resch: Die Crau - Steinsteppe voller Leben
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116 Seiten, 80 Fotos und Abbildungen. Verlag Jürgen Resch. Radolfzell 1987.

Die Existenz der in Südfrankreich, nordöstlich der Camargue, liegenden Steinsteppe Crau ist in höchstem Maße bedroht.

Diese für europäische Verhältnisse einmalige Landschaft - eine mit Steinen übersäte Ebene, auf der auf einer Fläche von vielen tausend Hektar kein Baum wächst - beherbergt einen ungewöhnlich hohen Anteil an seltenen Tier- und Pflanzenarten, die an die harten Lebensbedingungen dieser Halbwüsten- und Steppenlandschaft in optimaler Art und Weise angepaßt sind.

Neben den Charakterarten Bartgras (Bothriochloa ischaemum), Spik-Lavendel (Lavandula latifolia) und Rosmarin (Rosmarinus officinalis) als Arten der Garrigue treten Relikte ursprünglicher Vegetation hinzu. Hier dominieren neben der Stein-Eiche (Quercus ilex), dem Immergrünen Schneeball (Viburnum tinus) auch der Buchsbaum (Buxus sempervirens) und die Flaumeiche (Quercus pubescens).

Die Tierwelt spiegelt ebenfalls die Eigenart dieser außergewöhnlichen Landschaft wider. Neben der endemischen Crau-Schrecke (Prionotropis rhodanica) sind besonders die Ameisen mit ca. 20 Arten charakteristisch für den Wüsten- und Steppencharakter der Crau. So gehört auch der Gelbe oder Languedoc-Skorpion (Buthus occitanus) hierher. Perleidechse (Lacerta lepida) und Eidechsennatter (Malpolon monspessulanus) sind typische Vertreter der hier heimischen Reptilien. Unter den Vögeln sind neben dem Wiedehopf (Upupa epops) das Spießflughuhn (Pterochles alchata) und die Zwergtrappe (Tetrax tetrax) die Charakterarten dieser Steinsteppe.

Die hier exemplarisch genannten Vertreter von Flora und Fauna gelten heute als Relikte einer ehemals intakten Kulturlandschaft, in der es der Mensch in geradezu idealer Weise verstand, die Schaf-Weidewirtschaft unter den strengen ökologischen Bedingungen der Steppe mit rentablem Ertrag zu betreiben. Doch mit dem Aufkommen moderner Techniken, insbesondere der Bewässerungswirtschaft, wurden diese einmaligen Kulturgebilde in Weinbaugebiete, Wiesen und Äcker umgewandelt, so daß heute nur noch kleine Reste der einstmals bis zum Horizont reichenden, baumlosen Mittelmeersteppen erhalten sind.

Es ist das erklärte Ziel der beiden Autoren und der Stiftung Europäisches Naturerbe als Betreiberin der Naturschutzarbeit vor Ort, einen aktiven und wirksamen Beitrag zum Schutz dieser einmaligen Landschaft zu leisten.

J. Wilke

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Heinz Lienenbecker & Uwe Raabe (1993): Die Dorfflora Westfalens.
(Ilex-Bücher Natur 3. Herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Verein für Bielefeld und Umgebung e. V.). 307 S. Zahlreiche Abb. u. Karten. ISBN 3-928232-03-7.

Die besonderen Verhältnisse eines Dorfes mit seinen Bauernhöfen mit Misthaufen, kratzenden Hühnern, suhlenden Schweinen und vielem mehr haben über Jahrhunderte eine eigene, spezifische Flora und Vegetation entstehen lassen. Seit in den letzten Jahrzehnten unsere Dörfer "verstädtern", Gehwege bis an die Hausmauern asphaltiert werden, Hühner, Gänse und Schweine in Ställe verbannt sind oder allenfalls auf eng begrenzten, abgeschlossenen Flächen Auslauf erhalten, sind diese "Dorfpflanzen" und ihre Pflanzengesellschaften außerordentlich zurückgegangen, teilweise sind sie in vielen Dörfern ausgerottet worden. Die Anlage von Zierbeeten nach städtischem Vorbild mit exotischen Zierpflanzen anstelle der Ruderalfluren oder alten bäuerlichen Nutzgärten tat ein übriges.

Die beiden Verfasser haben zusammen mit einer Anzahl von Helfern (leider viel zu wenigen) von 1983 bis 1988 die einschlägige Dorfflora von 1155 Dörfern und dorfähnlichen Siedlungen kartiert. Hierfür wurde eine Liste von 145 dorftypischen Arten aufgestellt. Meist wurden die Dörfer einmal während der Hauptvegetationszeit begangen, wobei man sich auf die zentralen Teile mit noch dörflichem Charakter beschränkte. Herausgekommen ist eine ausführliche Darstellung von knapp siebzig Arten mit Hinweisen zur allgemeinen Verbreitung, zur Vergesellschaftung und Gefährdung, zur Verwendung als Nutz- oder Heilpflanze, sowie mit einem durchweg hervorragenden Farbfoto und einer Verbreitungskarte. (Leider werden diese Arten aus dem Register nur indirekt sichtbar.) Weitere Arten erfuhren eine kürzere Darstellung, z. T. ebenfalls mit Farbfoto.

Ein ausführliches Kapitel über die Pflanzengesellschaften der Dörfer ergänzt die Darstellung der einzelnen Arten, wobei man über deren systematische Gliederung streiten könnte. Weitere Abschnitte befassen sich mit dem "Lebensraum Dorf' (sehr knapp), der Verteilung ausgewählter Arten in verschiedenen Naturräumen des Untersuchungsgebietes, den Ursachen für den Rückgang der Dorfpflanzen, und schließlich mit Hilfsmaßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung der dörflichen Flora. Ein eigener Abschnitt ist in diesem Zusammenhang den Möglichkeiten des Wettbewerbes "Unser Dorf soll schöner werden" gewidmet, die leider immer noch nicht genügend genutzt werden.

Mit diesem Buch, das zum günstigen Preis von knapp 40 DM im Buchhandel erhältlich ist, liegt erstmals für ein größeres Gebiet eine umfangreiche Erfassung der Dorfflora vor, auf deren Grundlage zukünftige Veränderungen zuverlässiger beurteilt werden können. Gleichzeitig sind die Pflanzenarten umfassend beschrieben, so daß die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wird. Denn ihre Erfassung ist keineswegs abgeschlossen, die Verfasser selbst sehen die weitaus meisten der untersuchten Dörfer lediglich als "flüchtig durchforscht" an, abgesehen von den vielen noch gar nicht untersuchten. Hier eröffnet sich ein weites Tätigkeitsfeld für an der Natur Interessierte. Hierzu anzuregen dürfte ein wichtiges Anliegen dieses in jeder Beziehung gelungenen Buches sein, das nur wärmstens empfohlen werden kann.

H. Böttcher

Augsburger Ökologische Schriften 2: Der Lech - Wandel einer Wildflußlandschaft

Ein wertvoller Beitrag zum Verständnis mitteleuropäischer Auen wird mit dem vorliegenden Heft geleistet, das in zwölf Beiträgen der standörtlichen Situation, den Lebensgemeinschaften und der Landschaftsentwicklung gewidmet ist. Wie nahezu alle größeren Fließgewässer Europas ist der Lech durch Begradigung, Nutzung der Wasserkraft und weitere Folgeeingriffe stark belastet. Wenige Abschnitte haben jedoch bis heute den Charakter einer nordalpinen Wildflußlandschaft behalten, so daß dem Lech eine besondere Bedeutung als Refugial- und Residualraum für Auenlebensgemeinschaften zukommt.

Nach einer einführenden Betrachtung durch Vertreter der Stadt Augsburg, die ein besonders hervorzuhebendes Engagement im Naturschutz auszeichnet, geht Norbert MÜLLER auf die Veränderungen alpiner Wildflußlandschaften unter dem Einfluß des Menschen ein. Er hat sich über Jahre eingehend mit dem Zustand und der Entwicklung der auentypischen und auenbegleitenden Vegetation des Lech befaßt. Er berichtet hier über einen Teil der Ergebnisse und geht besonders auf die Anforderungen ein, die sich aus Sicht der Vegetation an Naturschutz und Wasserbau ergeben.

Ein besonders interessantes Feld erschließt der Lech dem Flußmorphologen. Flußmorphologie ist daher Gegenstand der Beiträge von A. BÜRGER, H. FISCHER und F. HIEHMEIER. Es wäre zu wünschen, daß jeder angehende Wasserbauingenieur sich gerade auch mit der „wilden" Situation des Lech befaßt, denn von den ausgebauten Gerinnen der meisten europäischen Flüsse kann der Wasserbauer für seine Arbeit in den kommenden Jahrzehnten wenig mehr lernen, als daß so - nämlich

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unter Hintansetzung ökosystemarer Zusammenhänge - nicht weitergebaut werden darf.

R. WALDERT, U. BAUER und E. PFEUFFER gehen schließlich auf die Auswirkungen wasserbaulicher Maßnahmen auf ausgewählte Vertreter der Insekten und der Avifauna ein. Mit diesen Beiträgen belegt die Arbeit eindrücklich den insbesondere strukturell bedingten Rückgang der Artenvielfalt, insbesondere das Verschwinden flußauenspezifischer Tierarten. Maßnahmen zur Stabilisierung der Restbestände erfordern durchgängig Änderungen in der Bewirtschaftung des Flusses einschließlich der durch Bauten hervorgerufenen Einwirkung auf den Naturhaushalt. Zugleich wird deutlich, daß die beeinträchtigten Tierbestände bereits so weit an Populationsgröße und Flächenverbreitung verloren haben, daß Maßnahmen der Wiederherstellung äußerste Behutsamkeit erfordern und nicht ohne fachkundige, biologisch-ökologische Vorbereitung und Begleitung durchgeführt werden dürfen.

K. R. SCHMIDT würdigt in seinem Beitrag die Bedeutung der Lechniederung mit ihren Auenresten für das Erscheinungsbild der Stadt Augsburg und den hohen Wert, den diese Bereiche für die Lebens- und Wohnqualität als - sorgsam zu pflegende - Erholungsräume darstellen.

Das Heft schließt mit einer umfassenden und nach Sachgebieten gegliederten Bibliographie.

B. Gerken