EGGE-WESER Band 10 Seiten 5-90* Höxter 1997

Die Wasservögel des Wesertales  zwischen Höxter und Würgassen

- Bestandserhebung und Schutzprogramme -

Jochen Müller

* Abschnitt 5.5 in separate Teile ausgelagert / Abbildungen wurden kontext-sensitiv verteilt / Navigation am linken Fensterrand

Zusammenfassung

Im bearbeiteten Abschnitt des Wesertales konnten zwischen 1980 und 1996 210 Vogelarten nachgewiesen werden. 112 Arten, davon 32 sichere oder wahrscheinliche Brutvögel, wurden als landschaftstypische Vögel einer Flußniederung genauer untersucht. Sie werden einzeln mit Habitatansprüchen, Verbreitung, Bestandsentwicklung, Jahresrhythmus, Gefährdung und für die Art erforderlichen Schutzmaßnahmen vorgestellt.

Anhand der Habitatansprüche werden sieben charakteristische Strukturelemente der Kiesgruben und natürlichen Flußauen mit ihrer Avifauna beschrieben, an deren Spitze jeweils ein Brutvogel als Leitart steht:

Für die ersten fünf Strukturelemente werden Mindestflächen gefordert, die im Zuge des Kiesabbaus ausschließlich für Naturschutzzwecke bereitgestellt werden sollen. Mit der Schaffung dieser Flächen ist ein langfristiges Überleben der auentypischen Vogelwelt gesichert. Ohne Schutzkonzept werden einige Arten (Flußregenpfeifer, Uferschwalbe) sofort nach Beendigung des Kiesabbaus verschwinden, die anderen werden stark durch die zu erwartende Freizeitnutzung auf der gesamten Fläche beeinträchtigt sein.

Von zwölf Arten sind nur Nachweise vor 1980 bekannt. Ein weiteres Kapitel beinhaltet allgemeine Betrachtungen zum Vogelzug im Wesertal. Zuletzt sind die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt an Brut- und Zugvögeln zusammengestellt.

1) Einleitung

Flußniederungen sind von Natur aus besonders artenreiche Landschaften. Wie artenreich sie heute sind, hängt vom gestaltenden Einfluß des Menschen ab. Vor Jahrhunderten war die Weser ein ungezähmter Strom, der die Landschaft formte und prägte: je nach Stärke des Hochwassers entstanden und verschwanden Steilufer und Schotterbänke, Inseln und Untiefen. Die im raschen Wechsel geschaffenen, oft nur einjährigen Lebensräume wurden von vielen daran angepaßten Tierarten genutzt. Diese Pioniere sind mobil genug, solche Standorte direkt im Jahr ihrer Entstehung zu besiedeln. Uferschwalbe und Eisvogel graben ihre Brutröhren in frisch abgebrochene Steilwände, der Flußregenpfeifer zieht seine Jungen zwischen den von letzten Hochwasser abgelagerten Kieselsteinen einer Schotterbank auf.

An den abseits vom Hauptstrom gelegenen, mit Weiden gesäumten Altwässern lebt die Nachtigall, und aus dem Schilf am Ufer ertönt der knarrende Gesang des Teichrohrsängers. Eine große Zahl von Durchzüglern und Wintergästen findet in der reich gegliederten Landschaft gute Rastmöglichkeiten. Mit der Beseitigung der Strukturen im Zuge des Weserausbaus verschwanden auch diese Tierarten.

In neuerer Zeit entstanden die Lebensräume der Auenbewohner, die die in ein Korsett gezwängte Weser nicht mehr schaffen kann, wieder aufs Neue durch den Kiesabbau. An den Kiesseen brüten heute wieder praktisch alle der früher hier beheimateten Vogelarten. Auch die Durchzügler haben im Vergleich mit Untersuchungen aus den sechziger Jahren (PREYWISCH 1962) enorm zugenommen. Nach Einstellung der Abbautätigkeit werden aber alle Rohbodenflächen wie Steilufer und Schotterbänke ein zweites Mal, und dann wohl endgültig, aus der Landschaft verschwinden. Welche Zukunft und welche Flächenausdehnung die stabileren Biotoptypen wie Schilf oder Weidengebüsche an den Kiesseen haben werden, ist derzeit ungewiß. Um ein Konzept für die nachhaltige Entwicklung solcher Strukturen zu erstellen, gab das Regierungspräsidium Detmold den Auftrag und finanzielle Förderung zu der vorliegenden Arbeit.

Es mag zunächst verwundern, daß die von Eichen, Eschen und Ulmen geprägte Hartholzaue, die sich in der natürlichen Flußlandschaft der Weichholzaue anschließt, von den Betrachtungen ausgeklammert ist. Dies ist durch das völlige Fehlen der Hartholzaue in der derzeitigen Weserlandschaft und in einer Beschränkung auf die durch den Kiesabbau entstehenden Strukturen begründet. Die Kiesgewinnung hinterläßt keine geeigneten Standorte, sie müßten durch Auffüllung erst wieder geschaffen werden. Deshalb erscheint es sinnvoller, Flächenanteile für diese Waldgesellschaft in anderen Bereichen, beispielsweise nach Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung, zu suchen.

Bei den geplanten Maßnahmen wurde auf die Minimierung der Kosten besonders geachtet; eine konkrete Kalkulation ist aufgeführt. Weiterhin sollten andere Nutzungen der Kiesseen nicht beeinträchtigt werden. Derzeit wird das ganze Gebiet zur Freizeitgestaltung genutzt, von Angeln, Baden, Surfen, Modellbootfahren über Radfahren entlang des Weserweges bis hin zum Drachenfliegen. Dieses Angebot ist natürlich sehr positiv. Nur stellt die ausschließliche Nutzung der gesamten Talung für diese Zwecke ein Mißverhältnis dar, denn derzeit existiert kein einziger ökologisch wertvoller Bereich, der ungestört ist.

2) Gebietsbeschreibung

Das Wesertal zwischen Höxter und Würgassen ist entlang von 24 Stromkilometern eine zwischen 0,5 und zwei Kilometern breite Flußniederung. Das Untersuchungsgebiet umfaßt die gesamte ebene Fläche auf einer Höhenlage von 90 bis 110 Metern über dem Meeresspiegel. Das erste Teilstück des Nethetales bei Godelheim wurde ebenfalls bearbeitet, ansonsten bilden die Hangfüße der ersten Berge die seitliche Abgrenzung des Gebietes. Im Osten steigt das Buntsandsteinmassiv des Sollings an, im Westen befinden sich die größtenteils aus Muschelkalk aufgebauten Netheberge.

Die dazwischen liegende Wesertalung besteht aus kiesreichen Niederterassenschichten mit verschieden starker Auelehmauflage; an den Hangkanten sind die Böden vielfach lößlehmvergütet. Die weiträumig ebenen Flächen zwischen den Ortschaften werden zumeist als Ackerland genutzt oder es wird Kies gewonnen. Die größte Konzentration von Abgrabungen liegt zwischen Höxter und Godelheim ("Godelheimer Seen"), in der Nähe aller anderen Ortschaften befinden sich weitere Kiesgruben. Das Brückfeld bei Höxter ist die letzte zusammenhängend landwirtschaftlich genutzte Fläche ohne Kiesabbau. Große Teile der Talung sind fast jedes Frühjahr starken Überschwemmungen ausgesetzt, in vielen Äckern sind deutliche Flutrinnen zu erkennen.

Die Weser selbst ist auf ihrer gesamten Uferlänge befestigt und auf mehreren Teilstücken mit Buhnen ausgebaut. Auentypische Strukturelemente fehlen hier fast völlig und sind nur an den Kiesgruben zu sehen.

Als Fließgewässer sind neben der Weser die bei Godelheim mündende Nethe und die bei Beverungen mündende Bever erwähnenswert. Die Nethe bildet ein recht breites, die Bever ein schmaleres Seitental aus. Hier ist noch häufiger Grünlandnutzung anzutreffen. Beide Bäche weisen natürliche Strukturelemente wie Abbruchkanten und Schotterbänke auf (Abbildung 4).

Abb.4: An der Nethe schafft die Dynamik des Wassers noch Kiesbänke, die aber zu kleinflächig für die Habitatansprüche des Flußregenpfeifers sind.

Einige Flächen im Ostteil des Untersuchungsgebietes liegen auf niedersächsischer Seite. Eine Abgrenzung wäre nicht möglich gewesen, da Vogelerfassungen bis zur Flußmitte oder ein Aussparen einzelner Kiesseen bei Zählungen keinen Sinn machen. Die Biotopverbesserungsvorschläge beziehen sich aber stets nur auf die westfälische Seite.

3) Mitarbeiter, Material und Methode

Während im Kreis Höxter allgemein nur eine geringe Anzahl von Vogelbeobachtern ansässig ist, sieht es im Wesertal etwas besser aus. Das liegt sicherlich an den interessanten Beobachtungsmöglichkeiten durch die vielen Wasserflächen. Nachdem K.Preywisch seit den fünfziger Jahren hier aktiv ist und bereits 1962 die "Vogelwelt des Kreises Höxter" veröffentlichte, folgten weitere Untersuchungen in den achtziger Jahren (SABE 1982, PREYWISCH 1983, MENKE 1984, MÜLLER 1989), die sich aber teilweise wieder auf die gesamte Kreisfläche bezogen. Seit dieser Zeit ist auch eine zwar personell wechselnde, aber zahlenmäßig recht konstante Beobachtergruppe entstanden, so daß ab 1980 die Vogeldaten sprunghaft zunahmen. Deshalb wurde dieses Jahr als Ausgangspunkt der Datenerfassung gewählt. Ab 1989 habe ich einige der charakteristischen Arten jährlich zu kartieren versucht, und nachdem die Auswertungsarbeit beschlossen wurde, erfolgte im Jahr 1996 nochmals eine gezielte Suche nach den ausgewählten Arten. Somit ist ein großer Teil des vorhandenen Datenmaterials zufällig entstanden, aber da die hier aufgeführten Vogelarten der Grund für die im Wesertal stattfindenden Beobachtungstouren sind, erscheint die Datengrundlage ausreichend.

Herzlichen Dank an die folgenden Personen, die durch Zusammenstellung ihrer Beobachtungsdaten mitgearbeitet haben:

Frank Böwinkloh, Höxter
Thomas Eickhoff, Höxter
Sieghard Joppien, Flein
Rolf Kirch, Höxter
Bernhard Koch, Arnsberg
Hajo Kubialka, Höxter
Matthias Müller, Godelheim
Elmar Nasse, Höxter
Jan Olsson, Höxter
Jochen Paleit, Höxter
Bernd Schackers, Höxter
Matthias Wienhöfer, Höxter
Willy Vieth, Beverungen

Willy Vieth sei außerdem herzlich für Anregungen und die laufende Unterstützung der Arbeit gedankt. Besonders möchte ich mich auch bei Antje Kayser für die Zeichnungen sowie Simone Stollenmaier und Rudolf Singer für das Korrekturlesen und Verbesserungsvorschläge bedanken.

4) Auswahl der Vogelarten

4.1) Berücksichtigte Arten

Als Charakterarten der Wesertalung sind zuerst die Vögel der Gewässer und der dynamischen Kiesgrubenbiotope aufgeführt. Fließende Übergänge gibt es zu den Bewohnern der grundwassernahen, weiträumig offenen Niederung wie Kiebitz und Schafstelze. Feuchtigkeits- und wärmeliebenden Arten wie der Nachtigall erleichtert die klimatische Begünstigung des Tales die Besiedlung.

4.2) Schwierigkeiten bei der Artenauswahl

Vor allem die Zugehörigkeit von Baumfalke, Rebhuhn, Feldschwirl, Sumpfrohrsänger, Kleinspecht und Raubwürger zu den Charakterarten einer Flußniederung ist nicht eindeutig zu beurteilen, da sie auch in anderen Lebensräumen anzutreffen sind. Sie wurden aber aufgenommen, weil sie in der Flußaue zumindest Schwerpunktvorkommen besitzen. Genaue Erläuterungen zu den Habitatansprüchen finden sich in den Artkapiteln.

4.3) Nicht berücksichtigte Arten

Die im Folgenden aufgeführten Arten sind ebenfalls im Wesertal zu beobachten, wurden aber nicht in die nähere Betrachtung einbezogen. Sie kommen hier aufgrund vom Wasser unabhängiger Strukturen vor.

Art Status Art Status
Amsel (Turdus merula) B Mittelspecht (Dendrocopos medius) BU
Bachstelze (Motocilla alba) B Mönchsgrasmücke (Sylv. atricapilla) B
Baumpieper (Anthus trivialis) B Neuntöter (Lanius collurio) B
Bergfink (Fringilla montifringilla) G Ohrenlerche (Eremophila alpestris) G
Birkenzeisig (Acanthis flammea) B Pirol (Oriolus oriolus) BU
Blaumeise (Parus caeruleus) B Rabenkrähe (Corvus corone corone) B
Brachpieper (Anthus campestris) G Rauchschwalbe (Hirundo rustica) B
Buchfink (Fringilla coelebs) B Rauhfußbussard (Buteo lagopus) G
Buntspecht (Dendrocopos major) B Ringdrossel (Turdus torquatus) G
Dohle (Corvus monedula) B Ringeltaube (Columba palumbus) B
Dorngrasmücke (Sylvia communis) B Rotdrossel (Turdus iliacus) G
Eichelhäher (Garrulus glandarius) B Rotkehlchen (Erithacus rubecula) B
Elster (Pica pica) B Rotkopfwürger (Lanius senator) G
Fasan (Phasianius colchius) B Rotmilan (Milvus milvus) B
Feldlerche (Alauda arvensis) B Saatkrähe (Corvus frugilegus) G
Feldsperling (Passer montanus) B Schleiereule (Tyto alba) B
Fichtenkreuzschnabel (L. curvirostra) BU Schwanzmeise (Aegith. caudatus) B
Fitis (Phylloscopus trochilus) B Schwarzspecht (Dryocopus martius) BU
Gartenbaumläufer(C. brachydactyla) B Schwarzstirnwürger (Lanius minor) G
Gartengrasmücke (Sylvia borin) B Seidenschwanz (Bomb. garrulus) G
Gartenrotschwanz (P. phoenicurus) B Singdrossel (Turdus philomelos) B
Gelbspötter (Hippolais icterina) B Sommergoldhähnchen (R. ignicap.) B
Gimpel (Pyrrhula pyrrhula) B Sperber (Accipiter nisus) B
Girlitz (Serinus serinus) B Star (Sturnus vulgaris) B
Goldammer (Emberiza citrinella) B Steinkauz (Athene noctua) B
Grauschnäpper (Muscicapa striata) B Steinschmätzer (Oenan. oenanthe) G
Grauspecht (Picus canus) B Stieglitz (Carduelis carduelis) B
Grünling (Chloris chloris) B Sumpfmeise (Parus palustris) B
Grünspecht (Picus viridis) BvU Tannenhäher (Nucifr. caryocatactes) BU
Habicht (Accipiter gentilis) BU Tannenmeise (Parus ater) B
Hänfling (Acanthis cannabina) B Trauerschnäpper (Ficed. hypoleuca) B
Haubenlerche (Galerida cristata) B Türkentaube (Streptopelia decaocto) B
Haubenmeise (Parus cristatus) B Turmfalke (Falco tinnunculus) B
Hausrotschwanz (P. ochruros) B Turteltaube (Streptopelia turtur) B
Haussperling (Passer domesticus) B Uhu (Bubo bubo) BU
Heckenbraunelle (Prun. modularis) B Wacholderdrossel (Turdus pilaris) B
Heidelerche (Lullula arborea) G Wachtel (Coturnix coturnix) Bv
Hohltaube (Columba oenas) BU Waldbaumläufer (Certhia familiaris) BU
Kernbeißer (C. coccothraustes) B Waldkauz (Strix aluco) BU
Klappergrasmücke (Syvia curruca) B Waldlaubsänger (Phyllo. sibilatrix) B
Kleiber (Sitta europea) B Waldohreule (Asio otus) B
Kohlmeise (Parus major) B Wanderfalke (Falco peregrinus) G
Kolkrabe (Corvus corax) BU Weidenmeise (Parus montanus) B
Kuckuck (Cuculus canorus) B Wendehals (Jynx torquilla) BU
Mauersegler (Apus apus) B Wespenbussard (Pernis apivorus) BvU
Mäusebussard (Buteo buteo) B Wintergoldhähnhchen (Reg. regulus) B
Mehlschwalbe (Delichon urbica) B Zaunkönig(Troglodytes troglodytes) B
Merlin (Falco columbaris) G Zeisig (Spinus spinus) B
Misteldrossel (Turdus viscivorus) B Zilpzalp (Phylloscopus collybita) B

Statusangaben
B: Brutvogel (1980 - 96 mindestens ein Brutnachweis)
Bv: Brutverdacht (1980 - 96 mindestens ein Brutverdacht)
G: Gastvogel (1980 - 96 mindestens eine Beobachtung)
BU: Brutvogel Umgebung (1980 - 96 mindestens ein Brutnachweis)
BvU: Brutverdacht Umgebung (1980 - 96 mindestens ein Brutverdacht)

Der Status "Gast" umfaßt Durchzugs-, Winter- und Sommerbeobachtungen. Die Brutvögel der direkten Umgebung des Bearbeitungsgebietes (zum Tal geneigte, größtenteils bewaldete Hanglagen) sind ebenfalls angegeben; dies erscheint sinnvoller, als sie als "Gast" aufzuführen.

5) Artenliste

5.1) Vergleich mit PREYWISCH (1962)

"Die Vogelwelt des Kreises Höxter" von K.PREYWISCH aus dem Jahr 1962 beinhaltet die ältesten ornithologischen Nachrichten aus dem Untersuchungsgebiet. Diese Daten sind aber zumeist nicht mit den aktuellen Nachweisen zu vergleichen, da die Beobachtungsintensität stark zugenommen hat und somit heute automatisch mehr Vögel erfaßt werden. Deshalb wurde nur in aussagekräftig erscheinenden Einzelfällen eine Gegenüberstellung mit den von Preywisch getroffenen Aussagen vorgenommen. Insgesamt ist deutlich erkennbar, daß die Wesertalung durch die Kiesseen eine viel größere Bedeutung als Lebensraum für Wasservögel gewonnen hat. Die meisten Arten sind heute viel zahlreicher als früher zu sehen.

5.2) Vergleich mit den Klärteichen der Zuckerfabrik Warburg

21 Kilometer Luftlinie vom Bearbeitungsgebiet entfernt liegen die Klärteiche der Zuckerfabrik Warburg, an denen in einigen Jahren nach 1980 beobachtet wurde. Sie bieten im Spätsommer und Herbst durch viele Schlammbänke und Flachwasserzonen gute Rastmöglichkeiten für durchziehende Watvögel. Im Frühjahr hingegen sind die Teiche hoch gefüllt, und somit halten sich kaum Watvögel dort auf. Bei einigen Limikolen wurden die Herbstnachweise an den Klärteichen denen des Wesertales gegenübergestellt. Sie lassen eine Aussage darüber zu, was bei entsprechendem Biotopangebot auch im Wesertal möglich wäre. Die Schaffung ähnlicher Strukturen ist im Artkapitel "Flußregenpfeifer" detailliert geschildert.

5.3) Häufigkeitsangaben und Abkürzungen

Gastvögel:
selten: Beobachtungen liegen aus max. 3 Jahren von 1980 bis 1996 vor
unregelmäßig: Beobachtungen liegen aus 4 bis 8 Jahren von 1980 bis 1996 vor
regelmäßig: Beobachtungen liegen aus mehr als 8 Jahren von 1980 bis 1996 vor
häufig: regelmäßig in insgesamt mehr als 20 Exemplaren pro Jahr nachgewiesen

Brutvögel:
unregelmäßig: nicht alljährlich
selten: alljährlich 1 bis 5 Brutpaare
spärlich: alljährlich 5 bis 20 Brutpaare häufig: alljährlich über 20 Brutpaare

Abkürzungen:
1,1: 1 Männchen, 1 Weibchen
RK: Ruhekleid
PK: Prachtkleid
ad: adultus, Alterskleid
juv: juvenilis, Jugendkleid
wf.: weibchenfarben (keine Unterscheidung von Weibchen und Jungvögeln möglich)
Ex.: Exemplare
Bp: Brutpaare 

5.4) Jahresrhythmus

Soweit mehr als zehn Beobachtungsdaten von Durchzüglern oder Wintergästen vorlagen, sind sie in Pentadendiagrammen dargestellt. Alle mit Sicherheit verschiedenen Individuen einer Vogelart, die in dem Fünftageszeitraum einer Pentade beobachtet wurden, gingen in die Datenbank ein. Aus den Zahlen pro Pentade wurden dann über die Jahre 1980 bis 1996 Pentadensummen gebildet. Hielt sich ein Vogel über mehrere Pentaden im Gebiet auf, erscheint er natürlich auch mehrfach im Diagramm. Diese Vögel erhöhen auch die jeweils angegebene Gesamtzahl gesehener Vögel, die sich aus der Summe aller vorliegenden Pentadenwerte ergibt. Bei selteneren Arten sind, falls vorhanden, Nachweise aus 1997 als Nachträge hinzugefügt.
Durch die teilweise recht geringen Datenmengen lassen sich bei einigen Vogelarten aus den Diagrammen allerdings nicht alle Zeiträume ablesen, in denen die Tiere zu erwarten sind. Der Grafik kann nicht mehr Aussagewert als der einer anschaulichen Darstellung der Einzeldaten zugemessen werden. Problematisch war auch die Erstellung eines Pentadendiagramms für Stockente und Bläßhuhn, da beide Arten als häufige Brutvögel nur wenig beachtet und kaum genau ausgezählt wurden. Aus den Sommermonaten liegt außer Brutnachweisen praktisch kein Datenmaterial vor, somit können keine realistischen Pentadensummen gebildet werden. Und zu Beginn bzw. gegen Ende der Zugzeiten sind die Durchzügler nicht von den Brutvögeln zu unterscheiden. Um das Auftreten außerhalb der Brutzeit darzustellen, wurden deshalb bei beiden Arten nur die Zeiten berücksichtigt, in denen Trupps von über 100 Exemplaren zu sehen sind; nur dann ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß der Sommerbestand durch Durchzügler ergänzt ist.
Bei den Brutvögeln finden sich oftmals knappe Angaben über Ankunfts-, Jungenaufzuchts- und Abzugszeiten. Diese sind aufgrund des recht geringen Datenmaterials nicht als abgesicherte Aussage zu betrachten. Sie sind aber als wichtige Grundlage der Terminplanung für Naturschutzarbeiten aufgeführt (bis wann muß eine Uferschwalbensteilwand gepflegt sein?; ab wann sind Kiebitzgelege zu finden?).

5.5) Im Beobachtungszeitraum 1980 bis 1996 nachgewiesene Arten

Dieser Abschnitt wurde entgegen der Anordnung im Heft geändert. Um die Ladezeit zu verkürzen, wurde jede einzelne nachgewiesene Art in einer separaten Datei gespeichert.

Man kann aus einer Liste nachgewiesene Arten auswählen. Hier klicken, um ein neues Fenster zu öffnen.

 

5.6) Arten, von denen nur Nachweise aus der Zeit vor 1980 vorliegen

Art

Status

Quelle

Blaukehlchen (Luscinia svecica)

eB

PREYWISCH(1962)

Blauracke (Coracias garrulus)

eG

PREYWISCH (1962)

Chileflamingo (Phoenicopterus chilenis)*

eG

K.Preywisch (schriftl.)

Doppelschnepfe (Gallinago media)

eG

PREYWISCH (1962)

Dreizehenmöve (Rissa tridactyla)

eG

PREYWISCH (1962)

Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus)

eB

PREYWISCH (1962)

Grauammer (Emberiza calandra)

eB

PREYWISCH (1962)

Nebelkrähe (Corvus corone cornix)

eG

PREYWISCH (1962)

Sperlingskauz (Glaucidium passerinum)

eG

PREYWISCH (1962)

Steinadler (Aquila chrysaetos)

eG

B.Koch (schriftl.)

Wiedehopf (Upupa epops)

eB

PREYWISCH (1983)

Zwergschwan (Cygnus columbianus)

eG

PREYWISCH (1962)

*: Gefangenschaftsflüchtling Statusangaben

eB: ehemaliger Brutvogel eBv: ehemaliger Brutverdacht eG: ehemaliger Gastvogel


 

6) Wasservogelzug im Wesertal

6.1) Artenspektrum

Das Wesertal zwischen Höxter und Würgassen ist vor allem durch einem massierten Frühjahrsdurchzug von Schwimmenten sowie durch seine Wintergäste gekennzeichnet. Dabei sind zwei Tatsachen auffällig:

Diese Besonderheiten sind leicht erklärbar, da sie sich direkt aus dem durch den Wasserstand bedingten Biotopangebot ergeben. Im Frühjahr hängt das Zuggeschehen von Intensität und Zeitpunkt des Hochwassers ab. Hohe Wasserstände in der Zeit von Mitte März bis Ende April, also in der Hauptzugzeit der Wasservögel, rufen in der Regel große Vogelkonzentrationen hervor. Schwimmenten profitieren sofort von den schon bei mittleren Hochwassern vielerorts rasch entstehenden Flachwasserzonen über Grasgrund an den Kiesseen, der Weser und den Wiesen. Watvögel dagegen suchen vor allem flach mit Wasser bestandene Rohbodenflächen auf. Dadurch ergeben sich für sie erst bei einem weiteren Ansteigen des Wassers gute Rastmöglichkeiten, wenn auch die höher gelegenenen Äcker überflutetet sind. Ackerlachen in den ehemaligen Flutrinnen der Weser sind dann oft gute Beobachtungsgebiete für Limikolen.

Somit entstehen für Schwimmenten im Frühjahr regelmäßig, für Watvögel dagegen erst bei den stärkeren, nicht alljährlich auftretenden Hochwassern optimale Rastmöglichkeiten. Fällt das Frühjahrshochwasser ganz aus, sind auch nur wenige Schwimmenten zu beobachten. Anders als bei den stärkeren Hochwassern verweilen die Enten dann auch nicht lange, sondern der Durchzug erfolgt in einer kurzen Welle.

Im Herbst hat das Wasser seinen Jahrestiefststand erreicht. Jetzt liegen weder für Schwimmenten noch für Watvögel gute Rastbedingungen vor. Für die Schwimmenten existieren praktisch gar keine "Gründelzonen", da das Wasser an den Ufern jetzt tief ist. Den Watvögeln bieten sich vor allem die schmalen Schlammränder der Kiesseen an, die aber offensichtlich nicht besonders attraktiv sind. Die vergleichsweise wenigen Beobachtungen ergeben sich meist in frischen Abgrabungszonen mit größeren Schlammbänken und Flachwasserzonen. An älteren Kiesteichen mit bewachsenen Ufern halten sich in der Regel keine Limikolen auf. Was bei entsprechendem Biotopangebot möglich wäre, zeigen die Klärteiche der Zuckerfabrik Warburg, an denen, abgesehen von Kiebitz und Flußuferläufer, alle Watvögel viel häufiger zu beobachten sind. Der Kiebitz rastet auf Äckern, und die Flußuferläufer halten sich vielfach an Fließgewässern auf, wodurch diese beiden Arten weniger auf Schlammbänke angewiesen sind. Durch die geforderte Anlage von Kies-, Schlammbänken und Flachwasserzonen für die Leitart "Flußregenpfeifer" werden sich im Wesertal für die anderen Limikolen ähnliche Bedingungen wie an den Klärteichen einstellen.

6.2) Weser und Nethe als Leitlinien des Vogelzuges

Die über das Land ziehenden Wasservögel orientieren sich am Verlauf der Weser, die ihnen stets potentielle Nahrungsflächen bietet. Dies ist nur an den tagsüber Zugbewegungen ausführenden Arten zu belegen. Bei den regelmäßig zu sehenden Lachmöwen, Kiebitzen, Fischadlern und Kormoranen ist dieses Verhalten sehr auffällig, bei den anderen Arten ist es aufgrund ihrer häufigen Anwesenheit ebenfalls zu vermuten. Im Frühjahr verfolgen die Tiere den Weserlauf durch das gesamte Bearbeitungsgebiet von Süd nach Nord. Im Herbst allerdings wirkt noch ein anderer Faktor auf die jetzt von Norden einfliegenden Zugvögel ein. Bei der Nethemündung knickt das Wesertal etwas in südöstlicher Richtung ab, während sich das Nethetal nach Südwesten öffnet. Da die meisten Vögel im Herbst Richtung Südwest ziehen, bietet ihnen diese Stelle zwei Möglichkeiten: das Wesertal läßt bessere Nahrungsmöglichkeiten, aber das Nethetal den Vorteil der optimalen Zugrichtung vermuten. Hier entscheiden sich die meisten Vögel für die Einhaltung der exakten Zugrichtung und wählen die Route entlang der Nethe. Oftmals ist aber der Konflikt der Tiere durch Kreisen und unentschiedenes Hin- und Herfliegen erkennbar.

6.3) Die Weser bei Fürstenberg - bedeutendster Winterrastplatz

Wenn sich die Wintergäste bei Vereisung der Kiesseen auf der Weser sammeln, finden stets auffällige Konzentrationen statt. Ihre Verteilung läßt den Schluß zu, daß die Rastplätze hauptsächlich nach dem Kriterium der Störungsfreiheit ausgewählt werden. Die meisten Wasservögel halten sich regelmäßig an der Weser zwischen der Fürstenberger Kennedybrücke und dem Wehrdener Steinberg auf (Abbildung 15).

Abb. 15: Eisgang an der Weser bei Fürstenberg im Winter 1995/96.
Blick auf den größten Rastplatz der Wintergäste im Gebiet.

Dieser Flußabschnitt ist aufgrund mehrerer Faktoren besonders geeignet. Zunächst weicht hier der in der Nähe von Ortschaften stark begangene Radweg weit von der Weser ab - die Grenzen der Wasservogelsammelstelle sind durch den am Ufer verlaufenden Weg deutlich markiert. Da auch die anderen Flußabschnitte mit größeren Ansammlungen von Schwimmvögeln stets dort vorzufinden sind, wo der Weg das Ufer verläßt, sind die negativen Auswirkungen des Radweges auf die Wintergäste eindeutig. Optimiert wird der Rastplatz bei Fürstenberg durch die unterhalb des Steinbergs angelegten Buhnen, die sichere Sitzflächen und strömungsarme Zonen bieten. Außerdem hat die Weser oberhalb der Kennedybrücke besonders wenig Gefälle und somit ebenfalls stilleres Wasser. Der Weserbogen bei Fürstenberg bedingt des weiteren bei Eisgang einen einseitigen Drift der Schollen, wodurch sich hier eine eisfreie Wasserfläche bildet. Entscheidend ist aber die Störungsfreiheit, ein Gesichtspunkt, der bei der Anlage von Wegen in der Nähe von Wasserläufen in Zukunft beachtet werden muß.

 

6.4) Die Kiesgrube Schaperdot bei Beverungen
– Schwerpunkt des Frühjahrszuges

Auf dem Frühjahrszug sammeln sich regelmäßig an der Beverunger Kiesgrube Schaperdot die meisten Schwimmvögel. Die Kiesfirma hat hier nach dem Abbau ein echtes Vogelparadies hinterlassen. Durch Inseln und Landzungen ist das Gebiet reich strukturiert und bietet vielen Arten gute Nahrungsmöglichkeiten. Außerdem bewirken die Strukturen Sichtschutz, die Tiere werden viel weniger gestört. Optimale Rastmöglichkeiten entstehen im Frühjahr bei starkem Hochwasser, wenn sich ein großräumiges Mosaik aus flachen Inseln und seichtem Wasser bildet. Da die Kiesgrube in einer Flutrinne liegt, ist der zwischen Kiessee und Weser verlaufende Radweg überschwemmt und die von ihm ausgehenden Störungen sind ausgeschaltet. Jetzt halten sich hier oft mehrere hundert Schwimmvögel auf; Löffel-, Knäkenten und Zwergtaucher sind bei der Balz zu beobachten. Sobald das Hochwasser zurückgeht, verschlechtert sich die Situation schlagartig. Da die Kiesgrube mit einem Abflußrohr zur Weser ausgestattet ist, läuft das Wasser rasch ab, die Flachwasserzonen schrumpfen bis auf kleine Restzonen. Gleichzeitig wird der wieder aufgetauchte Radweg stark frequentiert; die Seen werden beangelt. Von den Wasservögeln bleiben nur die Allerweltsarten Stockente, Bläßhuhn, Höckerschwan und Haubentaucher zur Brut zurück.

 

6.5) Auftreten von Meeresenten an der Fürstenberger Weserbrücke

Im Wesertal gehören Meeresenten zu den Vogelarten, die nicht alljährlich und in kleiner Stückzahl zu beobachten sind. Sie überwintern größtenteils vor den Küsten und fliegen nur in geringer Anzahl ins Binnenland ein, vor allem in strengen Wintern. Als "Meeresenten" werden Eisente, Samtente, Trauerente und Eiderente bezeichnet. Wenn sich diese Arten im Bearbeitungsgebiet aufhielten suchten sie zumeist die Kiesseen auf, sofern diese eisfrei waren. Spätestens bei Vereisung der Teiche konnte man sie dann auch auf der Weser beobachten. Beim Ausweichen auf den Fluß war bei allen Arten auffällig, daß sie einen bestimmten, eng begrenzten Bereich bevorzugten: die Weser an der Eisenbahnbrücke bei Fürstenberg. Hier hielten sich die Enten in einer Zone von hundert Metern Länge beginnend bei den Brückenpfeilern und dann weseraufwärts auf. Dieser Flußabschnitt gehört zu dem mit den oben geschilderten Vorzügen ausgestatteten Winterrastplatz aller Wasservögel bei Fürstenberg, es war aber auffällig, daß die Meeresenten nur im engeren Brückenbereich zu sehen waren, während sich die Masse der anderen Arten weiter stromaufwärts sammelte.

Die Meeresenten ernähren sich vor allem von Muscheln. Nach JONSSON (1992) fressen Samt- und Trauerente "hauptsächlich Miesmuscheln, aber auch andere Mollusken und Larven", die Eiderente "taucht nach Muscheln und Krebstieren".

Von 1982 bis 1987 konnten an der Weserbrücke dreimal Trauerenten und jeweils zweimal Samt- und Eiderenten beobachtet werden. Alle Arten hielten sich meistens mehrere Tage dort auf, Samt- und Eiderenten verweilten sogar wochenlang an diesem Flußabschnitt.

1989 traf ich F.Bornemann vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Höxter und erzählte ihm von meinen Beobachtungen. Ihm war der Weserabschnitt oberhalb der Eisenbahnbrücke unter dem Namen "Fürstenberger Puhl" bekannt. Hier habe der Fluß praktisch kein Gefälle, einen besonders großen Querschnitt und somit weniger Strömung. Deshalb befinde sich hier auch ein früher häufiger als heute genutzter Liegeplatz für Schiffe.

Bei sehr niedrigen Wasserstand im Oktober 1991 sah ich dann erstmalig Muscheln an dieser Stelle. Sie lagen im schlammigen Untergrund auf den ersten hundert Metern oberhalb der Brücke, also genau in dem Bereich, wo sich die Enten aufgehalten hatten. Weiter stromauf- und abwärts war nichts zu finden. A.Scholz aus Dörentrup, dem ich die Muscheln zur Bestimmung zusandte, ordnete die Schalen der Malermuschel (Unio pictorum) und der Gemeinen Teich- oder Entenmuschel (Anodonta anatina) zu. Er vermerkte allerdings: "Bezüglich Ihrer Vermutung, daß sich die von Ihnen erwähnten Entenarten von Flußmuscheln aus der Weser ernähren, muß ich Sie enttäuschen - die Tiere sind in der Weser ausgestorben; sie kommen nur noch in verschiedenen Baggerseen vor. Leere Schalen sind entlang der Weser jedoch noch relativ häufig zu finden, sie werden nur sehr langsam zersetzt und können noch mehrere Jahrzehnte nach dem Aussterben der Art gefunden werden."

Als ich drei Jahre später, im Oktober 1994, wieder bei Niedrigwasser dort unterwegs war, fanden sich jedoch an gleicher Stelle neben leeren Schalen auch lebende Großmuscheln, vermutlich die Gemeine Teichmuschel. Ein Zusammenhang zwischen der Konzentration der Meeresenten an der Fürstenberger Eisenbahnbrücke und dem Muschelvorkommen ist somit wahrscheinlich, auch wenn ich die Tiere nie bei der Nahrungsaufnahme beobachten konnte. Interessant wäre es noch zu wissen, wie die weitere Verbreitung dieser Muscheln an der Weser aussieht. Oberhalb der Brücke befindet sich laut F.Bornemann zumindest ein besonderer Flußabschnitt, der wohl ein besonderes Vorkommen beherbergt. Eine weitere ungeklärte Frage ist, wie die Meeresenten bei ihren sporadischen Aufenthalten im Wesertal diese für sie so günstige Stelle immer wieder entdeckt haben. In der folgenden Tabelle ist angegeben, wie oft die Tiere zwischen 1980 und 1996 an der Weserbrücke bei Fürstenberg zu sehen waren. Wenn sich Meeresenten auf der 24 Kilometer langen Weserstrecke von Höxter bis Würgassen aufhielten, geschah das in 78% der Fälle auf dem nur hundert Meter langen Abschnitt oberhalb der Eisenbahnbrücke!

Art Weser Fürstenberger Brücke Weser restliches Bearbeitungsgebiet Prozentanteil der Fürstenberger Brücke
Eidernte 13 8 62%
Trauerente 9 2 82%
Samtente 14 0 100%
Eisente 0 0 0%
Summe 36 10 78%

Summe aller Pentadendaten der Meeresenten, sofern sie auf der Weser beobachtet wurden, aufgeteilt nach Weser Fürstenberger Brücke und Weser restliches Bearbeitungsgebiet.

Wie oben erwähnt, suchen die Meeresenten meist die Kiesseen auf, sofern sie eisfrei sind. Diese beherbergen neben Großmuscheln auch starke Vorkommen der Dreikantmuschel (Dreissena polymorpha).

 

7) Zusammenstellung der erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt

Im folgenden sind die in den Artkapiteln formulierten Naturschutzplanungen zusammengestellt. Von den sieben charakteristischen Biotoptypen der Kiesseen sollen wie unten angegeben fünf zur Erhaltung der auentypischen Vogelarten mit der angegebenen Flächengröße langfristig gesichert werden, zwei benötigen kein spezielles Schutzkonzept. Die Flächen sind Richtwerte, so gewählt, daß die Vögel zumindest in der jetzigen Populationsgröße Lebensräume vorfinden. Sinnvollerweise sollte in jedem der drei derzeitigen Abbaugebiete Godelheim, Wehrden und Beverungen eine Artenschutzzone, die aus den fünf Strukturen besteht, angelegt werden. Zusammen ergeben sich damit drei Gebiete von je 16 ha Größe, also insgesamt 48 ha für den Naturschutz. Die Gesamtkosten des laufenden Betriebes beziffern sich auf maximal 1.500 DM/Jahr.

Um die Funktion zu sichern ist es erforderlich, dort auf sämtliche andere Nutzungen zu verzichten. Das ist auch akzeptabel, da bislang alle Kiesseen für Freizeitaktivitäten geöffnet wurden und somit ein reichhaltiges Erholungsangebot vorliegt. Kombinieren lassen sich Artenschutz- und Freizeitflächen leider nicht, da Brutvögel wie Flußregenpfeifer oder Uferschwalbe und auch die Durchzügler Bade- oder Angelbetrieb in der direkten Umgebung nicht vertragen. Damit Störungen mit Sicherheit ausbleiben, ist eine klare Trennung von den Erholungsschwerpunkten erforderlich.

Weiterführende Einzelheiten zum Aussehen und zur Anlage der Strukturen finden sich jeweils in den Kapiteln zu den Leitarten.

Die Nebenarten tauchen in der folgenden Aufzählung stets nur einmal auf, und zwar in dem Biotoptyp, in dem sie sich die meiste Zeit aufhalten. Die Arten nutzen natürlich auch andere Strukturelemente, bestes Beispiel sind die Enten, die neben der freien Wasserfläche Uferzonen jeglicher Ausprägung als Nahrungs-, Rast- und Bruthabitat benötigen.

1. freie Wasserfläche

2. Kies-, Schlammbank und Flachwasserzone

3. Steilwand

4. Röhricht

5. Weidenweichholzaue

6. Brachland

7. Hochstaudenflur

Außerhalb der Artenschutzzonen soll der Entstehung dieser Strukturmerkmale auch auf der Restfläche, deren Hauptaufgabe die Naherholung ist, soweit als möglich Platz eingeräumt werden. Ein Konzept dafür würde den Rahmen sprengen, und die Auflistung der wertvollen Landschaftsbestandteile soll als Anregung ausreichen.

All diese Maßnahmen helfen nicht nur den jeweils angegebenen Tierarten. Falls in einem Jahr die Flußregenpfeifer nicht auf der für sie vorgesehenen Fläche brüten, werden dort zumindest viele Sandlaufkäfer, Amphibien und zahlreiche völlig unpopuläre Arten einen Lebensraum finden. Unter jeder Leitart ist eine ganze Pyramide häufigerer Lebewesen angesiedelt, die ein ebenso gewichtiges Argument für den Erhalt und die Schaffung der Lebensräume sind.

Und die Gesamtheit der Biotoptypen bietet wiederum Arten mit großen Aktionsradien wie den Beutegreifern Schwarzmilan und Baumfalke die notwendigen vielfältigen Nahrungsgrundlagen. Auch aus diesem Grund sollte das vorliegende Konzept möglichst vollständig verwirklicht werden.

Weiterhin sind folgende Maßnahmen außerhalb der Kernzonen für folgende Vogelarten sinnvoll:

 

   Literatur

BÖTTCHER, H., BUSCHMANN, M., DÖRFER, K., FUNKE, J., GERKEN, B., LÜTY, H., (1993): Abschlußbericht zu den Voruntersuchungen zu dem Vorhaben "Gestaltungs- und Pflegemaßnahmen zur Regeneration landschaftstypischer Auenstandorte der Oberweserniederung" im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Bibliothek des BfN, Bonn - Bad Godesberg, 385 S.

HADASCH, J. (1992): Meeresenteneinflug im Winter 1988/89 in Westfalen, Charadrius 28 (1/1992), 20 - 29

JONSSON, L. (1992): Die Vögel Europas und des Mittelmeerraumes, Stuttgart: Franckh - Kosmos

KRIEDEMANN, K. (1989): Der Graureiher (Ardea c. cinerea L.), Egge - Weser 6 (2), 141 - 158

KONRAD, V. (1988): Eine Schneegans (Anser caerulescens) in den Weserwiesen bei Holzminden, Egge - Weser 5 (1), 11 - 18

LOSKE, K.H (1983): Zum Vorkommen der Uferschwalbe in Westfalen im Jahr 1983, Charadrius 2/1986, 82 - 90

MENKE, B. (1984): Der Vogelbestand 1984 des künftigen Erholungsgebietes "Axel - See. Jugend forscht - Arbeit des Städtischen Gymnasiums Beverungen

MÜLLER, J. (1988): Weitere Beobachtungen zur Schneegans (Anser caerulescens), Egge - Weser 5 (2), 56

MÜLLER, J. (1989): Brutvogelkartierung des Kreises Höxter, Egge - Weser (6) 2, 79 - 140

PREYWISCH (1962): Die Vogelwelt des Kreises Höxter, Bielefeld: Gieseking

PREYWISCH, K. (1983): Die Verbreitung der Wirbeltiere im Kreis Höxter, Egge - Weser 2, 43 - 108

SABE ,H. (1982): Die Godelheimer Seen als Vogelparadies, Jahrbuch Kreis Höxter 1982, 71 -80.

Außerdem wurden Daten aus den Sammelberichten des "Charadrius" der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen und der Westfälischen Ornithologen - Gesellschaft sowie des "Ornithologischen Mitteilungsblattes für Ostwestfalen - Lippe" des NABU, Stadtverband Bielefeld, und des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgebung übernommen.


 
Verfasser Jochen Müller
Pyrmonter Str. 14
37671 Höxter - Godelheim
Zeichnungen Antje Kayser
Dietrich - Bonhoeffer - Str. 61
42477 Radevormwald
Fotos Abbildungen 1 bis 16: Jochen Müller
weitere Abbildungen: siehe Name im Foto
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der UnitedSoftMedia GmbH)
Bemerkung: Die Abbildungen 1 bis 16 wurden entgegen der Anordnungen im Heft (Seiten 81 bis 88) in den Textfluss eingefügt.

zum Seitenanfang