EGGE-WESER Band 11 Seiten 3-30 1998

Vorkommen und Verbreitung der Hummeln in OWL und einigen angrenzenden Gebieten in Nordhessen und Südniedersachsen

Hans Dudler

Einleitung

Im und über den Raum Ostwestfalen sind bereits zahlreiche entomofaunistische Abhandlungen über verschiedene Gruppen (bes. Lepidoptera - Schmetterlinge, Orthoptera - Geradflügler, Odonata - Libellen, Coleoptera - Käfer etc.) publiziert worden. Umfangreiche faunistische Beiträge über Hautflügler finden sich im wesentlichen nur in den "Mitteilungen" der Arbeitsgemeinschaft ostwestfälisch-lippischer Entomologen e. V., wie z. B. in der Reihe "Insektenfauna und Ökologie der Binnendünen in der südlichen Senne", z. B. KUHLMANN et al. 1990 u. 1991. Näheres über das Vorkommen und die Verbreitung der Hummeln in den ostwestfälischen Naturräumen läßt sich dagegen kaum finden.

Im Rahmen dieser Arbeit sollen nun die bisher bekannt gewordene aktuelle Bestandssituation und Verbreitung dieser Großbienen im Bereich des Regierungsbezirkes Detmold aufgezeigt werden. Behandelt werden sowohl die staatenbildenden sogenannten "Echten Hummeln" der Gattung Bombus und die Schmarotzer- oder Kuckuckshummeln (neuerdings ebenfalls in die Gattung Bombus gestellt; vorher als eigene Gattung Psithyrus geführt). Diese gründen keine eigenen Staaten sondern leben sozialparasitisch in Nestern der "Echten Hummeln". Im Gegensatz zu den Bombus-Arten mit den drei Kasten (Weibchen, Männchen und Arbeiterin) treten bei den Schmarotzerhummeln (vormals Gatt. Psithyrus - s. o.) nur Geschlechtstiere (Weibchen und Männchen) auf.

Bombus vestalis - Keusche Schmarotzerhummel
Im Weserbergland lokal nicht selten, sonst nur sehr lokal und selten.


Es wurden neben den Beobachtungen von H. RETZLAFF und den eigenen hauptsächlich die von mehreren Mitgliedern der AG ostwestfälisch-lippischer Entomologen aus dem Zeitraum von 1965 bis 1998 ausgewertet:

Stefan HACHMEISTER (Oerlinghausen), Michael MERTENS (Bad Lippspringe), Rudolf PÄHLER (Verl), Walter ROBENZ (†; Bielefeld), Heinrich SCHMIDT (Bielefeld), Werner SCHULZE (Bielefeld).

Der Untersuchungsraum

Berücksichtigt wird im Kern das eigentliche Ostwestfalen (Regierungsbezirk Detmold) mit den naturräumlichen Großlagen Westfälische Bucht (Ber. III a), Westfälisches Tiefland (Ber. III b), Weserbergland (Ber. IV) und kleinteilig das Süderbergland (Ber. VI b). Mit eingeschlossen sind angrenzende Gebiete in Niedersachsen im Bereich des Weserberglandes (Wesertalung) und des westfälischen Tieflandes (Teile der Diepholzer Moorniederung) sowie in Hessen im Raum des Oberen Weserberglandes.

Die Bezeichnung der Großräume lehnt sich an die aktualisierte Aufgliederung in der neuen Roten Liste gefährdeter Tiere NRW (im Druck) an. Diese wurden gegenüber der vorigen Ausgabe von 1986 leicht abgeändert, so z. B. Aufteilung des Großraumes III (Westfälische Bucht incl. Westfälisches Tiefland) in III a (Westfälische Bucht) und III b (Westfälisches Tiefland).

Kalkhalbtrockenrasen und strukturreiche Waldränder bei Willebadessen: Lebensraum u.a. für die Waldhummel (Bombus sylvarum distinctus) (Aufnahme H.Dudler 1989)


Binnendünen auf dem Truppenübungsplatz Senne: ein Lebensraum von der Großen Erdhummel (B. Magnus) (Aufnahme H.Dudler 1990)


Im Gebiet nachgewiesene Hummelarten

In Ostwestfalen i. w. S. kommen nach den bisherigen Erkenntnissen 22 Arten der erweiterten Gattung Bombus vor. Das sind mehr als 50 % (!) der insgesamt in Deutschland (incl. der Alpen) verbreiteten ca. 40 Hummelarten. Im einzelnen sind dies:

1. ) Bombus terrestris
(L., 1758)
– Dunkle Erdhummel
2. )  Bombus lucorum
(L., 1761)
– Helle Erdhummel
3. )  Bombus cryptarum
(F., 1776)
– Kryptarum-Erdhummel

zu 3.) B. cryptarum wurde erst in jüngerer Zeit eindeutig als eigenständige Art innerhalb des Erdhummel-Komplexes terrestris-lucorum-magnus anerkannt.

4. ) Bombus magnus
(Vogt, 1911) ssp. flavoscutellaris (Trautm., 1915) 
– Große Erdhummel
5. )  Bombus lapidarius
(L., 1758) 
– Steinhummel
6. ) Bombus pratorum
(L., 1761)
– Wiesenhummel
7. ) Bombus jonellus
(Kby., 1802) ssp. martes (Gerst., 1869) 
– Heidehummel
8. )  Bombus hypnorum
(L., 1758) ssp. ericetorum (Pz., 1801) 
– Baumhummel
9. )  Bombus soroeensis
(F., 1776) ssp. proteus (Gerst., 1869)
– Distelhummel
10.) Bombus hortorum
(L., 1761) 
– Gartenhummel
11.) Bombus pascuorum
(Scop., 1763) ssp. floralis (Gm., 1790)
– Ackerhummel
12.) Bombus muscorum
(L., 1758)
– Mooshummel
13.) Bombus humilis
(Ill., 1806)
– Veränderliche Hummel
14.) Bombus veteranus
(F., 1793) 
– Sandhummel
15.) Bombus sylvarum
(L., 1761) ssp. distinctus (Vogt, 1909)
– Waldhummel
16.) Bombus ruderarius
(Müll., 1776)
– Grashummel
17.) Bombus [Psithyrus] rupestris
(F., 1793)
– Felsen-Kuckuckshummel
18.) Bombus [Psithyrus] barbutellus
(Kby., 1802)
 
19.) Bombus [Psithyrus] vestalis
(Fourc., 1785) 
– Keusche Schmarotzerhummel
20.) Bombus [Psithyrus] bohemicus
(Seidl, 1837)
 
21.) Bombus [Psithyrus] sylvestris
(Lep., 1832
– Wald-Kuckuckshummel
22.) Bombus [Psithyrus] norvegicus
(Sp.-Schn., 1918)
 

Bestandssituation der Arten

Die Hummeln sind, was für die meisten anderen Tier- und Pflanzengruppen im übrigen auch zutrifft, am gravierendsten durch anthropogene Eingriffe in ihre Lebensräume betroffen. Großräumige Biotopumwandlungen oder -zerstörungen, wie etwa Flurbereinigungen, intensive Land- und Forstwirtschaft, Entwässerungsmaßnahmen in Feuchtwiesen und Mooren und Bauvorgänge aller Art (z. B. Neuanlage von Verkehrswegen, Wohn- und Industriegebieten) machen es in vielen Fällen für die Arten unmöglich, Gebiete zu besiedeln (s. a. V. HAGEN 1994). Andere oft praktizierte Eingriffe in das Umweltgefüge wie Einsatz von Pestiziden, Überdüngungen, Flämmungen und kontinuierliche Mähmaßnahmen an Säumen, Böschungen, Straßen- und Wegrändern bewirken u. a. das Verschwinden von Blütenaspekten und sorgen so für einen Entzug der Nahrungsgrundlage. Naßkalte Klimaperioden wirken sich bei manchen Arten zusätzlich sehr negativ auf die Populationen aus, was beispielsweise bei der sonst weitverbreiteten Steinhummel (Bombus lapidarius) zu beobachten ist. Diese können gebietsweise in kürzester Zeit um bis zu 90 % im Bestand abnehmen und bei Fortdauer der ungünstigen Witterung schließlich ganz verschwinden. Eine Wiederbesiedelung der Areale nimmt dann einen wesentlich längeren Zeitraum in Anspruch.

Eine mehr oder weniger flächendeckende Verbreitung weisen im Untersuchungsgebiet nur die allgemein geringe Biotopansprüche stellenden Arten Dunkle und Helle Erdhummel (B. terrestris u. B. lucorum), Steinhummel (B. lapidarius), Wiesenhummel (B. pratorum) und Ackerhummel (B. pascuorum floralis) auf.

Die in eine Gefährdungskategorie eingestuften Arten kommen bezeichnenderweise fast ausnahmslos in Heide- und Moorgebieten vor, in denen und in deren unmittelbarer Umgegend keine Landwirtschaft (ausgenommen einer periodisch durchgeführten Schafbeweidung) betrieben wird. Dies trifft in erster Linie auf teils großflächige Naturschutzgebiete (wie z. B. "Oppenweher Moor", "Moosheide", "Hiddeser Bent"), Sperrgebiete (Truppenübungsplatz "Senne", Standortübungsplätze "Lüchtringer Heide" und "Seester Feld - Halen") und seltener auch auf Halbtrockenrasengelände im Weserbergland zu.

Insgesamt gesehen ist die Anzahl von 22 in Ostwestfalen/Lippe vorkommenden Hummelarten sehr bemerkenswert. In anderen annähernd gleichgroßen Regionen in Nord- und Mitteldeutschland (z. B. in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) kommen nach den bisherigen Erfahrungen meist erheblich weniger Arten vor (eig. Beob. und Recherch. ab 1991). Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, daß viele gerade der bestandsbedrohten Hummelarten nur sehr lokal und sehr selten (u. a. mehrere Einzelfunde) gefunden werden (s. o.).

Verteilung und Gefährdung der Hummelarten in den Naturräumen in Ostwestfalen

Für den Hummelschutz im speziellen wie für den Artenschutz allgemein ist es äußerst relevant, die noch existierenden, ökologisch wertvollen Lebensräume (bes. Heiden, Moore, Trockenrasengebiete, strukturreiche Hecken- und Gebüschlandschaften) zu erhalten und durch qualifizierte Pflegemaßnahmen langfristig zu sichern. Förderlich ist weiterhin eine Schaffung von "Extensiv- oder Ruhezonen" in der Kultur- und Siedlungslandschaft, um den Arten neue Lebensräume zu bieten und um einer angestrebten Biotopvernetzung Vorschub zu leisten.

Im Heft folgt an dieser Stelle der Abschnitt 'Verbreitung der Hummeln'.

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