EGGE-WESER Band 12 Seiten 003-018 1999

Untersuchungen zur Libellenfauna im Pölinxer Grund (Kreis Höxter)

Swantje Mißfeldt / Jürgen Schleef

1. Einleitung

Anlaß der Untersuchung war eine Anfrage seitens des Naturkundlichen Vereins Egge-Weser (NEW) zur Dokumentation der Libellenfauna. Das Untersuchungsgebiet "Pölinxer Grund" schien hierzu sehr geeignet, da dort schon vor längerer Zeit circa 20 Feuchtbiotope angelegt wurden. Ziel der Untersuchung sollte eine möglichst umfassende Dokumentation des Ist-Zustandes hinsichtlich der oben genannten Tiergruppe sein. Ferner sollten die gewonnen Daten wichtige Argumente für eine Unterschutzstellung des Gebietes liefern. Daran anknüpfend sollten Hinweise zu Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen erfolgen.

2. Das Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet "Pölinxer Grund" liegt nach der Einteilung in Großlandschaften im Weserbergland (IV), genauer in der Unterregion Egge (Nr. 363 nach Lölf 1986). Es handelt sich um ein Bachtal mit grünlandbewirtschafteten Flächen und circa 20 sogenannten Feuchtbiotopen. Das Tal liegt an einem südwestlich -exponierten Hang des Warburger Waldes. Das Gebiet ist auf dem Meßtischblatt "Kleinenberg" (MTB 4419.4) zu finden. Die Gauss-Krüger-Koordinaten lauten für den westlichsten Punkt: 349850 (rechts), 570900 (hoch). Die nächst größere Ortschaft ist Wrexen, welche ca. 2 km südöstlich vom Untersuchungsgebiet liegt (Abb. 1).

Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes
Ausschnitt aus Topographischer Karte 1:25.000 
Nr. 4419 "Kleinenberg"
Abb.1

Die "Teiche" (teilweise handelt es sich um Kleinweiher) werden in bachaufwärts gerichteter Abfolge durchnumeriert und im folgenden kurz charakterisiert.

Tab. 1: Charakterisierung der untersuchten "Teiche" im Pölinxer Grund 1996
Abkürzungen: K: klein, m: mittel, g: groß, sg: sehr groß,
             =: gleichbleibender Wasserstand,
             -: schwankender Wasserstand,
             +: Struktur/Pflanzenart vorhanden
Zustand
Teichnummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Flächengröße m k k k k m m m g sg k k g g g g m k k m
Wasserstand = - - - = - - - - = = - = = = = - - - -
Röhricht + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
Schwimmblatt-
vegetation
+ - - ? ? ? - - - + + - + - + + - - - -
Gehölze + + - - - - - - - - - - + + - - - - - -
Charakteristische Pflanzen
Teichnummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Binsen + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
Froschlöffel +     + + +   + + + + +     +         +
Igelkolben + +       +     + + +   +             +
Krebsschere                     +     +            
Pfeilkraut                     +                  
Rohrkolben     +   + + + + + + + + + +            
Schwertlilie                   +                    
Sumpfdotterblume + +                     + +   +        
Sumpfveilchen +                                      
Teichrose                         +              
Teichschachtelhalm +         +             + +     +     +
Wasserschlauch +     + + +               +            

Als Besonderheit einiger Stillgewässer ist der Gewöhnliche Wasserschlauch (Utricularia vulgaris) zu nennen. Wie mir Herr Laudage vom NABU versicherte, sei diese Pflanze nicht anthropogen eingebracht worden. Da sie für das Weserbergland als ausgestorben gilt (Lölf 1986), ist dieser Fund sehr bemerkenswert. Im Rahmen der Westfalenkartierung wurde allerdings bereits ein Vorkommen dieser Art im Kreis Höxter festgestellt (Vieth, mündlich). Dennoch ist nicht mit absoluter Gewißheit auszuschließen, daß die Pflanzen im "Pölinxer Grund" anthropogenen Ursprungs sind.

3. Material und Methode

Zur Erfassung der Libellen wurden 1996 insgesamt zehn Begehungen im Zeitraum vom 1. Mai bis 24. August durchgeführt. Die Begehungen fanden bei meist sonniger, windstiller Witterung statt und dauerten in der Regel vier bis acht Stunden. Es konnten nicht bei jeder Begehung sämtliche Stillgewässer (n=20!) kontrolliert werden, manchmal stellte sich auch ein Wetterumschwung im Tagesverlauf ein, der zum Abbruch der Kartierung führte.

Bei der Kartierung wurden unterschiedliche Startpunkte gewählt, um einen methodischen Fehler bei der tageszeitlichen Aktivität der verschieden Libellenarten auszuschalten. An jedem Teich erfolgte zunächst eine systematische Suche nach erwachsenen Tieren, die wie weiter unten beschrieben, gefangen und bestimmt wurden. Daran schloß sich eine intensive Suche von Larvenhäuten (=Exuvien) an den Pflanzenstrukturen einer Uferseite, bei kleinen Teichen auch sämtlicher Uferseiten, an. Insbesondere die Exuvien der Großlibellenlarven ließen sich gut finden, jedoch ist dem Kartierer bewußt, daß nicht annähernd alle Exuvien auffindbar waren. Sowohl die großen Kartierabstände als auch regnerische Witterung führt zum Verlust der Exuvien durch Auswaschung oder Windverfrachtung. Bei den Kleinlibellenexuvien erwies sich das Auffinden aufgrund ihrer Größe und sehr versteckten Anbringung an Pflanzenmaterial als sehr viel schwieriger. Hier konnte letztendlich nur stichprobenartig ein Eindruck gewonnen werden.

Neben der Kartierung der Teichanlagen, auf welcher der Schwerpunkt der Untersuchung lag, fanden auch das Fließgewässer und die umliegenden Wiesen und Weiden Berücksichtigung. Hier konnten einige bemerkenswerte Funde von Heuschrecken (Saltatoria) gemacht werden (siehe Kapitel 6 "Sonstige faunistische Beobachtungen").

Zur Determination der Libellen-Imagines dienten die Bestimmungshilfen von Bellmann (1993a) und Wendler & Nüß (1994). Die Artbestimmung erfolgte bei den Großlibellen meist durch Sichtbeobachtung (Fernglas 10x40), bei den Kleinlibellen mittels Kescherfang und anschließender Bestimmung nach morphologischen Merkmalen. In einigen Fällen liegen Fotobelege vor.

Die Bestimmung der Libellen-Exuvien wurde mithilfe folgender Literatur durchgeführt: Arnold (1990), Heidemann & Seidenbusch (1993). Leider ergaben sich bei der Präparation der Kleinlibellen erhebliche technische und zeitliche Probleme, so daß auf diese Daten bei der Auswertung verzichtet werden muß. Da aber sämtliche Kleinlibellenarten sowohl zahlenmäßig als auch von ihren Verhaltensweisen (Paarung, Eiablage und Schlupf) darauf hinweisen, daß sie bodenständig sind, fällt dieses Manko nicht so sehr ins Gewicht.

4. Ergebnisse

1996 wurden im Untersuchungsgebiet "Pölinxer Grund" 19 Libellenarten nachgewiesen (Tab. 2). Zwei der Arten (Lestes barbarus, Aeshna juncea) stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Libellen in Nordrhein-Westfalen (Lölf 1986). Diese Liste ist bereits sehr veraltet und sollte nicht als alleiniges Bewertungskriterium zur Rate gezogen werden. Mindestens eine weitere Art ist als lokal selten einzustufen (Cordulia aenea), sie wird von Steinborn (1983) für den Kreis Höxter nicht einmal erwähnt. Eine weitere Art konnte nicht eindeutig bestimmt werden, da sie nur sekundenlang gesichtet und weder gekeschert noch fotografiert wurde. Es handelt sich um einen Vertreter der Moosjungfern (Gattung Leucorrhinia), die mehr oder weniger alle zu spezialisierten Moorbewohnern zählen. Aufgrund der dunklen Hinterleibsfärbung mit auffallenden orangen Flecken wird es sich entweder um L. dubia oder L. rubicunda gehandelt haben, die beide auf der Roten Liste für NRW stehen (Kategorie 2 bzw. 3).

Tab. 2: Liste der 1996 im "Pölinxer Grund" nachgewiesenen Libellenarten
mit Angaben zum Rote Liste Status (Lölf 1986)
Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Rote Liste NRW Nachweis 1996
Lestes barbarus Südliche Binsenjungfer 2 x
Lestes sponsa Gemeine Binsenjungfer - x
Ischnura elegans Gemeine Pechlibelle - x
Enallagma cyathigerum Becher-Azurjungfer - x
Pyrrhosoma nymphula Frühe Adonislibelle - x
Coenagrion puella Hufeisen-Azurjungfer - x
Aeshna cyanea Blaugrüne Mosaikjungfer - x
Aeshna juncea Torf-Mosaikjungfer 3 x
Anax imperator Große Königslibelle - x
Cordulia aenea Gemeine Smaragdlibelle - x
Libellula quadrimaculata Vierfleck - x
Libellula depressa Plattbauch - x
Orthetrum cancellatum Großer Blaupfeil - x
Sympetrum danae Schwarze Heidelibelle - x
Sympetrum flaveolum Gefleckte Heidelibelle   x
Sympetrum sanguineum Blutrote Heidelibelle   x
Sympetrum striolatum Große Heidelibelle   x
Sympetrum vulgatum Gemeine Heidelibelle   x
Leucorrhinia spec. Moosjungfer 2-3 x
Artenzahl 19
Tab. 3: Häufigkeitsangaben zu den 1996 im "Pölinxer Grund" nachgewiesenen Libellenarten
Differenziert nach den 20 Teichen. Berücksichtigt ist die maximale Anzahl bei einem Begehungstermin.
Häufigkeitsklassen: 1 = 1-3 Tiere, 2 = 4-10 Tiere, 3 = 11-30 Tiere,
                    4 = 31-100 Tiere, 5 = > 100 Tiere
Teichnummer: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Artname                                        
Lestes sponsa 3       2 2 2   3 3     4 5 5 4 3 1 1  
Ischnura elegans           1 2 2 3 3                    
Enallagma cyathigerum             2 2 2 4       4            
Pyrrhosoma nymphula 2       2 2 1 2 2 3   2 2 3 3 3 2   2 2
Coenagrion puella 4     4 3 3 3 4 4 5 2 3 4 5 4 5 3 2 3 2
Aeshna cyanea 1       1 1 1 1 1 1     1 1 1 1        
Anax imperator 1     1         1 2     1 1 1          
Cordulia aenea             1     1 1     1 1 1        
Libellula quadrimaculata 2 1   2 1 2 1 1 1 3 2 2 2 2 2 2 2   1  
Libellula depressa             1 1 1 2                    
Orthetrum cancellatum 1               1 2 1                  
Sympetrum danae         2             1                
Sympetrum flaveolum           1                            
Sympetrum sanguineum 2     1 2   1   1 2     2 2 2 2        
Sympetrum striolatum                         1              
Sympetrum vulgatum               1                        
Leucorrhinia spec.                         1              
Artenzahl: 8 1 0 4 7 7 10 8 11 12 4 4 9 9 8 7 4 2 4 2

Zu den häufigen Libellen zählen Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa), frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula), Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella), Vierfleck (Libellula quadrimaculata) und die Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum).

Einige Libellenarten, die große Reviere besetzen, treten typischerweise nur in geringen Dichten auf. Hierzu zählen die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) und die Große Königslibelle (Anax imperator).

Aufgrund ihrer späten Flugzeit sind die Heidelibellen (Gattung Sympetrum) zahlenmäßig unterrepräsentiert, da ein Großteil der Begehungen in der ersten Sommerhälfte stattfand. Heidelibellen konnten oft auch über Grünland fliegend oder auf exponierten, wärmegetönten Standorten (Steinen, offene Bodenstellen, Holzpfähle) sitzend angetroffen werden.

 

Die bemerkenswerten Arten werden kurz in Form eines Ökogrammes charakterisiert:

Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus)
Vorkommen: Hat in NRW in den letzten drei Jahren stark zugenommen.
Habitatbindung: Bevorzugt flache Stillgewässer, insbesondere Blänken inmitten von Feuchtgrünlandbereichen; Eiablage in senkrecht stehende Stengel von Seggen, Binsen, Froschlöffel und anderen Pflanzen; Bevorzugung von temporären Kleingewässern.
Raumbedarf: Als Arealerweiterer sehr guter Flieger; Strecken von einigen Kilometern sind keine Seltenheit.
Gefährdung: In NRW als "stark gefährdet" eingestuft. Im Kreis Höxter bis 1994 nicht bekannt. Seitdem im Raum Beverungen relativ häufig anzutreffen (Wienhöfer, mündlich).
Gemeine Smaragdlibelle (Cordulia aenea)
Vorkommen: In NRW zerstreut verbreitet; aufgrund der frühen Flugzeit oft übersehen.
Habitatbindung: Meist an stärker bewachsenen Stillgewässern mit ausgeprägter Schwimmblattvegetation.
Raumbedarf: Sehr guter Flieger, wechselt oft zwischen benachbarten Teichen.
Gefährdung: In NRW als "ungefährdet" eingestuft, im Kreis Höxter bis Anfang der 1980-er Jahre keine Vorkommen bekannt (Steinborn 1983). Inzwischen relativiert sich dieses Verbreitungsbild. Im Raum Höxter ist diese Art inzwischen stellenweise häufig (Wienhöfer, mündlich).
Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea)
Vorkommen: In NRW zerstreut in geringen Dichten vorkommend.
Habitatbindung: Meist an moorigen Gewässern oder Gräben mit Torfmoosbewuchs.
Raumbedarf: Wie andere Mosaikjungfern gute Flieger, jedoch stärker an ihre "Heimgewässer" zur Eiablage gebunden.
Gefährdung: In NRW als "gefährdet" eingestuft. Im Kreis Höxter als relativ selten einzustufen (Wienhöfer, mündlich).
Moosjungfer (Leucorrhinia spec.)
Vorkommen: In NRW zerstreut und meist in geringen Dichten vorkommend.
Habitatbindung: Beide Arten meist an sauren, torfmoosreichen Gewässern oder Gräben anzutreffen.
Raumbedarf: relativ ortstreu, kann aber sicherlich weitere Strecken zurücklegen.
Gefährdung: In NRW als "stark gefährdet" (L. rubicunda) bzw. "gefährdet" (L. dubia) eingestuft.

Die Angaben beruhen auf eigene Einschätzungen oder auf Angaben aus Schorr (1990).

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die bestimmbaren Exuvienfunde pro Teich . Sie stellen ein wichtiges Kriterium zur Bodenständigkeit einer Art dar.

Für die überwiegende Anzahl von Libellen ist die Bodenständigkeit erwiesen oder wahrscheinlich. Lediglich die Einzelfunde von Lestes barbarus und Leucorrhinia spec. deuten auf fehlende Bodenständigkeit hin. Berücksichtigt man zusätzlich noch Verhaltensbeobachtungen (Paarung, Eiablage oder Revierverhalten), so ergibt sich folgendes Bild hinsichtlich der Bodenständigkeit der jeweiligen Art (Tab. 5).

Tab. 4: Liste der Exuvienfunde (n=149) im "Pölinxer Grund" vom 16.05. bis 27.07.1996
Die Zahl gibt die Summe der Exuvien einer Art pro Teich an.
Teichnummer
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Artname                                        
Aeshna cyanea 2         8     1 8     5   1          
Aeshna juncea                             2          
Cordulia aenea                           3            
Libellula quadrimaculata   1 1 14   8 1   16 18     1 13   1 13      
Libellula depressa             1   10 7     1              
Orthetrum cancellatum                 5 6                    
Sympetrum spec.                   10     1 3   1        
Tab.5: Hinweise zur Bodenständigkeit der Libellen im "Pölinxer Grund" 1996
Die Nachweisstaten Ex bis I sind nach abnehmender Bedeutung angeordnet.

Abkürzungen

   Ex: Exuvie
  Sch: Schlupf
   AF: Anzahl der Fundpunkte
   Ei: Eiablage
    P: Paarung
    R: Revierverhalten(Gewässer)
    B: Einschätzung der Bodenständigkeit
    I: Imago
  ------------------------------------------------------
   * : Fundpunkt nicht am Teich
   + : Bodenständigkeit nachgewiesen (Ex, Sch)
  (+): Bodenständigkeit wahrscheinlich (Ei, P oder R)
   - : Bodenständigkeit nicht nachgewiesen (nur I)
Nachweisstatus: Ex Sch Ei P R I B AF
Lestes barbarus           x - *
Lestes sponsa   x x x x x + 13
Ischnura elegans       x   x (+) 5
Enallagma cyathigerum       x   x (+) 5
Pyrrhosoma nymphula   x   x   x + 14
Coenagrion puella   x   x   x + 18
Aeshna cyanea x x     x x + 11
Aeshna juncea x           + 1
Anax imperator     x   x x + 7
Cordulia aenea x x     x x + 6
Libellula quadrimaculata x x x x x x + 17
Libellula depressa x x x x x x + 4
Orthetrum cancellatum x x   x x x + 4
Sympetrum danae         x x (+) 2
Sympetrum flaveolum   x     x x + 1+*
Sympetrum sanguineum       x x x (+) 10
Sympetrum striolatum       x x x (+) 1
Sympetrum vulgatum       x x x (+) 1
Leucorrhinia spec.           x - 1

5. Bewertung und Diskussion

Zur Bewertung der nachgewiesenen Libellenfauna können verschiedene Kriterien herangezogen werden. Zu den "klassischen", im Naturschutz bewährten Kriterien zählen:

Jedes dieser Kriterien bietet Vor- und Nachteile, so daß sie erst in ihrer Gesamtheit ein abgerundetes Bild ergeben.

Artenfülle zu beurteilen macht nur Sinn, wenn bereits Daten aus früheren Jahren aus dem selben Gebiet oder Daten aus vergleichbaren Gebieten vorliegen. Das Untersuchungsgebiet "Pölinxer Grund" wurde nach Wissen der Kartierer noch nicht auf Libellen hin untersucht. Ein zeitlicher Vergleich ist somit nicht möglich.

Jedes Gebiet stellt aufgrund seiner spezifischen und somit einmaligen Entwicklung als Unikat dar. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, vergleichbare Teiche heranzuziehen. Dem Kartierer sind die "Welschhof`-Teiche" bei Stukenbrock in der Senne sehr vertraut. Es handelt sich um ehemalige Fischzuchtanlagen, die über einen langen Zeitraum teichwirtschaftlich genutzt wurden. Anfang der 1990-er Jahre wurden die Betonbecken komplett zerstört und abgetragen und sechs neue Feuchtbiotope gestaltet. Dieser Bereich wurde der freien Sukzession überlassen und, was wichtig für das Überleben der Libellenlarven ist, nicht fischereilich genutzt. Die Entwicklung der dortigen Libellenfauna ist seit 1995 dokumentiert (Rüther et al. 1995). Insbesondere die Strukturen der Vegetation sind mit einigen der Teiche im "Pölinxer Grund" vergleichbar. Sieht man einmal von den sogenannten Pionierbesiedlern ab, welche in sehr frühen Sukzessionsstadien auftreten ( z.B. Ischnura pumilio) und einigen für den Kreis Höxter noch unbekannten Arten (Lestes virens, Sympecma fusca, Gomphus pulchellus), so ist das Gesamtartenspektrun durchaus vergleichbar (Welschof-Teiche: 17 Arten seit 1995).

Einige Arten wären im "Pölinxer Grund" allerdings noch zu erwarten gewesen. Zwei Arten, die sehr spät im Jahr fliegen und aufgrund des verzögerten Sommeranfangs im Weserbergland wohl noch später schlüpften, sind eventuell übersehen worden. Es handelt sich um die Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta) und die Weidenjungfer (Lestes viridis), welche genügend Erlen oder Weiden zu Eiablage finden könnte. Verwunderlich war auch das Fehlen jeglicher Fließgewässerlibellen. Der Oberlauf des Pölinxer Baches würde der Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) einen geeigneten Lebensraum bieten. Die Art bevorzugt sauerstoffreiche, kühle Bachabschnitte im Oberlauf. Da der Bach aber auf weiten Abschnitten stark zugewachsen ist, können die Larven nicht genügend Wärme "tanken", die sie zur Entwicklung zum Imago benötigen. Die Larvalzeit, die bei dieser Art bis zu sechs Jahren dauern kann, wird verzögert. Dies mag ein Erklärungsansatz für das Fehlen dieser Art sein.

Dieser Sachverhalt leitet gleich zum zweiten Aspekt, das Kriterium der Vollständigkeit über. Der überwiegende Teil der Teiche im "Pölinxer Grund" ist stark zugewachsen oder verschlammt. Die Gewässergröße, meist gekoppelt mit der Wassertiefe, ist sehr heterogen. Dies ist durchaus bedeutsam, da manche Arten (z.B. Große Königslibelle) große Reviere benötigen. Diese Arten sind meist an den größeren Gewässern (hier: Teiche 9, 10, 13, 14, 15 und sporadisch auch 1 und 4) zu finden. Einige der Teiche, insbesondere die kleinflächigen, trocknen im Jahresverlauf aus, bieten aber dennoch den Larven im Schlammbereich eine Überlebenschance. Dies trifft beispielsweise auf die Teiche 2, 3 sowie 16 bis 20 zu. Dort waren die Artenzahlen aufgrund der geringen bis fehlenden Wasserfläche sehr gering (siehe Tab. 3), dennoch schlüpften dort zahlreiche Vierfleck-Libellen (vergleiche Tab. 4).

Beim Kriterium der Rote-Liste-Arten schneidet das Untersuchungsgebiet nicht übermäßig gut ab, da spezialisierte Moor- oder Fließgewässerarten fehlen. Von den beiden sicher nachgewiesenen Arten ist eine - Lestes barbarus - als Arealerweiterer zu bezeichnen, welche eigentlich gar nicht auf eine Rote Liste gehört. Dies wird sicherlich bei der Neufassung der Roten Liste für NRW (Löbf, in Vorbereitung) Berücksichtigung finden.

Über den Begriff der Bioindikation ist viel geschrieben worden. Im Sinne von Kleinert (1991) möchten die Kartierer eher den Begriff Biodeskriptor verwenden. So wie beispielsweise die Gruppe der Heuschrecken als Biodeskriptor für Mikroklima und Vegetationsstruktur gelten, können Libellen als Deskriptor für Gewässergüte (bei Fließgewässerarten) oder für bestimmte Sukzessionsstadien eines Teiches gelten, letztendlich auch für die vorhandenen Vegetationsstrukturen desselben, da diese eine wichtige Rolle bei der Eiablage darstellen. So kann die Gemeine Binsenjungfer als Charakterart für Binsen- oder röhrichtreiche Ufer stehen, oder die Torf-Mosaikjungfer für saure, torfmoosreiche Gewässer. Teich Nr. 15 bietet anscheinend einen solchen Lebensraum, obwohl keine zusätzlichen chemischen Wasseranalysen dies bestätigen. Das saure Ausgangsgestein in diesem Bereich spricht jedoch auch dafür.

6. Sonstige faunistische Beobachtungen

6.1 Heuschreckenfauna

Der Vollständigkeit halber wurden die Heuschrecken während der Kartiergänge miterfaßt. Da sich einige bemerkenswerte Arten darunter befanden, soll das Artenspektrum nicht unerwähnt bleiben. (Tab. 6)

Tab. 6: Artenspektrum der Heuschrecken im "Pölinxer Grund" 1996
mit Angaben zum Rote Liste Status (Lölf 1986) und einer groben Häufigkeitsschätzung.
Gefährdungskategorien: 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, * = ungefährdet
Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Rote Liste Nachweis 1996
Conocephalus dorsalis Kurzflügelige Schwertschrecke 2 vereinzelt
Tettigonia viridissima Großes Heupferd * häufig
Pholidoptera griseoaptera Gewöhnliche Strauchschrecke * sehr häufig
Tetrix undulata Gemeine Dornschrecke * vereinzelt
Omocestus viridulus Bunter Grashüpfer * sehr häufig
Myrmeleotettix maculatus Gefleckte Keulenschrecke * selten
Chorthippus biguttulus Nachtigall-Grashüpfer * häufig
Chorthippus brunneus Brauner Grashüpfer * selten
Chorthippus parallelus Gemeiner Grashüpfer * sehr häufig
Chorthippus montanus Sumpf-Grashüpfer 3 häufig

Im "Pölinxer Grund" konnten 1996 zehn Heuschreckenarten nachgewiesen werden. Zwei davon stehen auf der Roten Liste NRW (Lölf 1986): die Kurzflügelige Schwertschrecke, die im Weserbergland sehr lokal verbreitet ist (Brinkmann 1991) und der Sumpfgrashüpfer, welcher zu den feuchteliebenden Grünlandbewohner zählt und aufgrund des starken Rückganges in den letzten Jahren auf der kommenden Roten Liste NRW (Löbf, in Vorbereitung) wahrscheinlich höher eingestuft wird (Arbeitskreis Heuschrecken NRW, 1996 schriftlich). Letztere Art konnte auf den spät im Jahr gemähten Feuchtwiesen erfreulich zahlreich festgestellt werden.

Die beiden wärmeliebenden Heuschreckenarten Brauner Grashüpfer und Gefleckte Keulenschrecke konzentrieren sich auf den Bereich um die Abbruchkante östlich des Teiches Nr. 10, wo anstehendes saures Gestein einen kleinräumigen Callunabewuchs zuläßt.

Eine Vielzahl von Heuschrecken (Heupferd, Strauchschrecke und Bunter Grashüpfer) ist in durchgewachsenen Wiesen, Stauden- oder Gebüschbereichen zu finden. Lediglich die Kurzflügelige Schwertschrecke ist an Binsenbewuchs an den Uferrändern gebunden (Eiablagehabitat!).

6.2 Herpetofauna (Amphibien und Reptilien)

Bei der intensiven Kartierung der Teiche fielen auch einige Amphibien- und Reptilienarten auf. Ohne auf quantitative Angaben einzugehen, soll eine Gesamtartenliste die übrigen faunistischen Daten ergänzen. Einige Angaben aus früheren Jahren wurden uns freundlicherweise von Herrn Laudage aus Scherfede mitgeteilt.

Tab. 7: Artenliste der Amphibien und Reptilien im "Pölinxer Grund" 1996
Gefährdungskategorien: 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, * = ungefährdet
Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Rote Liste Nachweis 1996
Amphibien
Alytes obstetricans Geburtshelferkröte * vor 96 (Hr. Laudage)
Bufo bufo Erdkröte * x
Bufo calamita Kreuzkröte 3 vor 96 (Hr.Laudage)
Rana temporaria Grasfrosch * x
Triturus alpestris Bergmolch * x
Triturus vulgaris Teichmolch * x
Triturus helveticus Fadenmolch * x
Reptilien
Lacerta vivipara Waldeidechse * x
Lacerta agilis Zauneidechse 3 x

7. Hinweise zu Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen

Nach Einschätzung der Kartierer liegen ausreichend Hinweise und Daten für eine Unterschutzstellung des Gebietes vor.

Zum einen sind folgende schützenswerte Biotope nach § 20c BNatSchG (bzw. §62 LG NRW) vorhanden:

Zum anderen finden eine Vielzahl von schützenswerten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Von den kartierten Gruppen stehen:

Von den mündlich mitgeteilten avifaunistischen Daten sind folgende Rote-Liste-Arten zu nennen: Baumfalke, Eisvogel, Graureiher, Schwarzstorch (Laudage, mündlich)

Um ein flächendeckendes Entwicklungskonzept vorlegen zu können, fehlen noch einige Datengrundlagen, ins besondere eine Biotoptypenkartierung und pflanzensoziologischen Erhebungen, um die einzelnen Parzellen besser charakterisieren zu können.

Anhand der Libellendaten sind folgende Ziele anzustreben:

 

Weitere anzustrebende Entwicklungsziele sind:

8. Zusammenfassung

In den Sommermonaten 1996 konnten im "Pölinxer Grund" bei Wrexen 19 Libellen, zehn Heuschrecken, fünf Amphibien, zwei Reptilien und zahlreiche Pflanzenarten der Roten Liste nachgewiesen werden. Es werden Häufigkeitsangaben zu den erwachsenen Libellen (Imagines) sowie zu den bestimmbaren Exuvien (Larvenhäute) gemacht. Für einen Großteil des Libellen-Artenspektrums ist die Bodenständigkeit nachgewiesen oder wahrscheinlich.

9. Danksagung

Folgenden Personen oder Institutionen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Der Unteren Landschaftsbehörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Fang der Libellen, Herrn Vieth (NEW) für die Abwicklung der Auftragserteilung und wichtigen Hinweisen zum Gebiet, Herrn Laudage (NABU) für die zahlreichen Informationen über das Gebiet und dessen Fauna und Flora.

10. Literatur

ARNOLD, A. (1990): Wir beobachten Libellen. Leipzig (Urania-Verlag), 152 Seiten.

BELLMANN, H. (1987): Libellen: beobachten, bestimmen. Melsungen (Neudamm), 268 Seiten.

BRINKMANN, R. (1991): Erhebung und Auswertung faunistisch-tierökologischer Grundlagendaten für die Landschaftsplanung - dargestellt am Beispiel der Heuschreckenfauna des Kreises Paderborn. Unveröff. Diplomarbeit. Hannover, 171 Seiten.

HEIDEMANN, H. & R. SEIDENBUSCH (1993): Die Libellenlarven Deutschlands und Frankreichs. Handbuch für Exuviensammler. Keltern (ERNA BAUER), 391 Seiten.

KLEINERT (1991): Heuschrecken als Bioindikatoren? Articulata 6(2): 149-153.

LÖLF [Hrsg.] (1986): Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere (= Schriftenreihe der LÖLF, Band 4). Recklinghausen (Löbf), 244 Seiten + 1Karte.

LÖBF [Hrsg.] (1996): Methoden für naturschutzrelevante Freilanduntersuchungen in Nordrhein-Westfalen. Recklinghausen (LÖBF), Loseblattsammlung.

RÜTHER, P., SCHLEEF, J. & C. SCHROEDER (1995): Untersuchungen zur Vegetations- und Gewässerdynamik sowie zur Fauna im Bereich der renaturierten Fischzuchtanlage "Welschof". Unveröff. Bericht der Biologischen Station Senne. Schloß Holte-Stukenbrock, 30 Seiten + Anhang.

SCHORR, M. (1990): Grundlagen zu einem Artenschutzprogramm Libellen der Bundesrepublik Deutschland. Bilthoven (Ursus Scientific Publishers), 512 Seiten + 1 Karte.

STEINBORN, G. (1983): Die Libellen im Kreis Höxter. Jahrbuch Kreis Höxter: 83-94.

VOLPERS, M., CONZE, K.-J., KRONSHAGE, A. & J. SCHLEEF (1995): Heuschrecken in Nordrhein-Westfalen. 2. Auflage. Osnabrück, 64 Seiten.

WENDLER, A. & J.-H. NÜß (1994): Libellen. Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung. Hamburg, 129 Seiten.

 

Fotos vom Untersuchungsgebiet

Abb. 1: Blick über den Flachwasser-Bereich von Teich Nr. 10 zur Geländekante

Abb. 2: Der Pölinxer Bach am Westhang mit Blick auf eine stark trittbelastete Uferkante

Abb. 3: Frisch geschlüpfte Gemeine Smaragdlibelle (Cordulia aenea) am Teich Nr. 14.

Abb. 4: Paarungsrad der im "Pölinxer Grund" häufig anzutreffenden Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella).

 

Karten vom Untersuchungsgebiet

Numerierung der Stillgewässer Fundpunkte der gefährdeten Libellen