Kalkreiche Niedermoore

Thomas Schiffgens 

EGGE-WESER Band 15 Seiten 39-42 2002

 

Kalkreiche Niedermoore

Thomas Schiffgens

Charakterisierung

Die Standorte der nährstoffarmen kalkreichen Sümpfe und Moore weisen oberflächennah anstehendes kalkreiches Grundwasser auf. Bei geringer Sauerstoffversorgung kommt es hier, bedingt durch schlechtere Humuszersetzung, zur Bildung kalkreicher Torfablagerungen. Teilweise werden die Standorte jedoch auch von sauerstoffreichem Quellwasser durchsickert. Hier findet eine wesentlich stärkere Zersetzung des Humus statt, wodurch keine Torfablagerungen entstehen und es lediglich zur Bildung von Kalksümpfen kommt. Diese Kalksümpfe weisen häufig eine mehr oder weniger ausgeprägte Kalktuffbildung auf.

Bei Kontakt mit der Luft gibt das hier zutage tretende kalziumbikarbonatreiche Quellwasser Kohlendioxid ab. Dadurch wird Kalziumkarbonat frei. Die mit Wasser benetzten Teile der an diesen Standorten vorkommenden Pflanzen werden mit einer Kalkschicht überzogen, wodurch Kalktuff gebildet wird.

Nur die kalkreichen Niedermoore in der subalpinen Stufe der Alpen sind weitgehend gehölzfrei (GÖRS 1974, in OBERDORFER 1977). In tieferen Lagen kommen auf diesen Standorten natürlicherweise Erlenbruchwälder aus dem Verband Alnion glutinosae vor.

Durch Rodung des Waldes und anschließender jahrhundertelanger Beweidung oder gelegentlicher Mahd (SUCCOW u. JESCHKE 1986) entwickelten sich hier Kalkbinsensümpfe und Kalkkleinseggenriede.

Bedeutung für den Naturschutz und das europäische Naturerbe

Abb1Auf Grund der speziellen Standortbedingungen sind die kalkreichen Niedermoore von Natur aus in Nordrhein-Westfalen relativ seltene Lebensräume (s. Abb. 1) mit meist geringer Ausdehnung. Gleichzeitig weisen sie eine vergleichsweise hohe Zahl an Gefäßpflanzenarten und Moosen auf, die an diesen Lebensraum bzw. wenige ähnliche gebunden sind. Die Anzahl und Flächengröße der kalkreichen Niedermoore haben zudem in der Vergangenheit deutlich abgenommen. Auch ihr Erhaltungszustand hat sich in vielen Fällen deutlich verschlechtert. Gründe hierfür liegen u. a. in der Grundwasserabsenkung und der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in Verbindung mit einer Nährstoffanreicherung.

Aus diesen Gründen wurden die Lebensräume der kalkreichen Niedermoore in den Anhang I der FFH-Richtlinie mit der Kennzahl 7230 aufgenommen. Sie beinhalten definitionsgemäß die kalkreichen Niedermoore des Caricion davallianae mit meist niedrigwüchsiger Seggen- und Binsenvegetation und Sumpfmoosen (Caricetalia davallianae) (BFN 1998). Hierzu gehören der Davall-Seggenrasen (Caricetum davallianae), die Gesellschaft der Stumpfblütigen Binse (Juncetum subnodulosi) und die Kopfbinsenrasen (Orchido-Schoenetum nigricantis).

Die kalkreichen Niedermoore des europaweiten Schutzgebietsystems NATURA 2000 im Kreis Höxter

Im Kreis Höxter liegen die kalkreichen Niedermoore innerhalb der FFH-Gebietsvorschläge „Kiebitzteich“, „Satzer Moor“ und „Nethe“.

Damit wurden mit Ausnahme eines sehr kleinen Vorkommens mit schlechtem Erhaltungszustand in Brakel, Gemarkung Istrup alle kalkreichen Niedermoore im Kreis Höxter für das Schutzgebietsnetz Natura 2000 vorgeschlagen.

Kiebitzteich

Das knapp 2 ha große Naturschutzgebiet Kiebitzteich liegt nördlich von Bad Driburg an der Bahnlinie Altenbeken-Bad Driburg.

Im 19. Jahrhundert wurde beim Bau der dortigen Eisenbahnstrecken im Bereich des heutigen Naturschutzgebietes Erdmaterial entnommen (WICHERT mdl. in SCHIFFGENS 1990). Dadurch wurde das Gelände soweit eingetieft, daß das dort kalkreiche Grundwasser seitdem bis an die Erdoberfläche reicht. Es hat sich beim Durchsickern der im Süden liegenden Muschelkalkkuppe mit Kalziumbikarbonat angereichert (SCHIFFGENS 1990). So konnte sich im Laufe der Zeit die dortige Sumpfvegetation entwickeln.

Inzwischen hat sich der Charakter des Sumpfgebietes stark verändert. Handelte es sich im Jahre 1948 noch um ein nur von wenigen Gehölzen bestandenes Kleinseggenried, in dem das Breitblättrige Wollgras aspektbildend vorkam (KOPPE 1948), so haben sich im Laufe der Zeit sowohl das Schilf als auch Gehölze, insbesondere Grauweide und Zitterpappel, immer mehr im Gebiet ausgebreitet. Die typische Vegetation der kalkreichen Niedermoore, in diesem Fall der Davall-Seggenrasen (Caricetum davallianae), erstreckt sich dadurch heute nur noch auf etwa 0,3 ha (SCHIFFGENS 1990).

Trotzdem kommen immer noch mehr als 10 Gefäßpflanzenarten der Roten Liste, darunter die für die kalkreichen Niedermoore besonders typischen Arten Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium), Hirse-Segge (Carex panicea) und Wenigblütige Sumpfsimse (Eleocharis quinqueflora), vor. Auch die vorhandenen Moose verdeutlichen mit mindestens 6 gefährdeten bzw. vom Aussterben bedrohten Arten die Bedeutung des Gebietes.

Hier sind z. B. zu nennen: Drepanocladus revolvens, Palustriella commutata, Philonotis calcarea, Fissidens adianthoides und Sphagnum squarrosum (SCHIFFGENS 1990 u. LÖBF 2000)

Leider konnte eine zur dauerhaften Erhaltung und Optimierung notwendige gründliche Entbuschung mit anschließender jährlicher Pflegemahd im Spätsommer bisher nicht durchgeführt werden. Lediglich Ende der 80er Jahre und 1994 wurden einmalige Pflegemaßnahmen durchgeführt.

Satzer Moor

Das ca. 12 ha große Satzer Moor liegt östlich von Bad Driburg an der B64. Es ist bisher nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Im Satzer Moor wurde Torf für Kurmittelzwecke des Bades Driburg gewonnen und der verbrauchte Torf anschließend dort wieder abgelagert (SCHULZ u. KOENEN 1912, KOPPE 1935, RUNGE 1960). Diese Nutzung ist seit 1988 eingestellt.

Große Bereiche haben sich in den letzten Jahrzehnten zu Schilfröhrichten und Weidengebüschen, bzw. Weidenauwald entwickelt. Das Gebiet wird von der Aa durchflossen, die in diesem Abschnitt unverbaut ist und eine typische Fließgewässerstruktur und -vegetation aufweist.

An zwei Stellen nördlich und südlich der Aa tritt anscheinend aus den südlich angrenzenden Muschelkalkhängen zufließendes, kalkreiches Grundwasser zu Tage, so daß sich hier Kalk-Kleinseggenriede, die wie im NSG Kiebitzteich zum Davall-Seggenrasen (Caricetum davallianae) gehören, entwickeln konnten. 1990 (SCHIFFGENS) nahmen diese noch eine Fläche von insgesamt ca. 700 m2 ein. Auf der nördlichen Fläche ist die typische Sumpfvegetation inzwischen durch Schilf und Grauweiden verdrängt worden. Die Erhaltung des südlichen Seggenriedes konnte jedoch durch Beseitigung eingewanderter Grauweiden sowie mehrmaliger Pflegemahd durch die Landschaftsstation Diemel-Weser-Egge in den vergangenen Jahren gesichert werden.

Trotz der winzigen Flächengröße weist auch dieses Niedermoor eine erstaunliche Zahl typischer Pflanzenarten auf. Hier sind insbesondere Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium), Schuppenfrüchtige Gelb-Segge (Carex lepidocarpa) und Floh-Segge (Carex pulicaris) sowie die Moose Philonotis calcarea, Scorpidium scorpioides und Sphagnum capillifolium zu nennen.

Während die Aa, die Weidengebüsche und -wälder sowie die Schilfröhrichte auch zukünftig der natürlichen Entwicklung überlassen werden sollten, ist es zur Erhaltung des Kalk-Kleinseggenriedes notwendig, die Einwanderung von Schilf und Grauweiden weiterhin durch eine kontinuierliche Pflegemahd zu verhindern.

Nethe

Im Bereich des FFH-Gebietsvorschlages Nethe kommt der Lebensraumtyp „kalkreiches Niedermoor“ nur im Naturschutzgebiet Reitwiesen vor. Das hier flächig an die Erdoberfläche tretende Grundwasser hat sich wahrscheinlich in einer kalkhaltigen Schicht des mittleren Keuper mit Kalziumbikarbonat angereichert.

Das heutige Naturschutzgebiet ist Teil einer ehemaligen ca. 140 ha großen Huteweide. Hirten der Stadt Willebadessen hüteten hier zeitweise ca. 500 Stück Vieh. Bis etwa 1970 wurden die Reitwiesen noch von Kühen beweidet (MÜLLER, H. u. DIEKMANN mdl. in SCHIFFGENS 1990)

1922 wurde in den Reitwiesen Torf abgebaut, um ihn als Brennmaterial ins Ruhrgebiet zu transportieren (DIECKMANN mdl. in SCHIFFGENS 1990). Bis zur Unterschutzstellung des Gebietes 1987 stachen die Willebadessener Bürger öfter kleinere Mengen Torf für ihren Garten. Die Torfmächtigkeit im Gebiet beträgt aufgrund unterschiedlicher Abbaustärken zwischen 30 und 60 cm.

Die Reitwiesen weisen mit ca. 0,8 ha das größte kalkreiche Niedermoor im Kreis Höxter auf, das sich zudem in einem sehr guten Erhaltungszustand befindet. Anders als im Naturschutzgebiet Kiebitzteich und im Satzer Moor handelt es sich hier jedoch nicht um ein Kleinseggenried sondern um einen Kalkbinsensumpf mit der Gesellschaft der Stumpfblütigen Binse (Juncetum subnodulosi). Die namengebende Art Stumpfblütige Binse (Juncus subnodulosus) ist hier aspektbildend. Wie in allen kalkreichen Niedermooren des Kreises Höxter kommen auch hier Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) und Hirse-Segge (Carex panicea) vor. Weitere bemerkenswerte Pflanzenarten sind Schuppenfrüchtige Gelb-Segge (Carex lepidocarpa), Fleischfarbenes Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata) und Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium) sowie die Moose Campylium stellatum, Fissidens adianthoides, Sphagnum teres und Tomenthypnum nitens (LÖBF 1999).

In der Vergangenheit wurde in den Reitwiesen jährlich im Spätsommer eine Pflegemahd auf ehrenamtlicher Basis durch die Auslandsgesellschaft NRW eV. im Auftrag des Kreises Höxter durchgeführt. Dadurch konnte sowohl die Streuauflage minimiert werden als auch das Eindringen von Schilf in den Binsensumpf gestoppt werden. Zukünftig wird diese Aufgabe durch die Landschaftsstation Diemel-Weser-Egge übernommen.

Weiter oberhalb in einem Seitentälchen des FFH-Gebietsvorschlages Nethe liegt ein sehr kleines Sumpfgebiet, das SCHIFFGENS 1990 noch als Caricetum davallianae ansprechen konnte. Bei den Kartierungen im Rahmen der Erstellung der FFH-Kulisse konnte eine Zuordnung zum Lebensraumtyp „kalkreiches Niedermoor“ jedoch aufgrund mehrerer nicht mehr nachgewiesener Arten nicht mehr erfolgen. Gründe hierfür liegen wahrscheinlich in der inzwischen zulange andauernden Bracheperiode. Pflegemaßnahmen wurden hier nicht durchgeführt. Eventuell hat auch die Einschwemmung von Nährstoffen aus den angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen zum Artenrückgang beigetragen.

Damit sich die typischen Arten des Kalk-Kleinseggenriedes hier wieder etablieren können, ist die kurzfristige Aufnahme einer jährlichen Mahd im Spätsommer notwendig.

Literatur

BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (1998): Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000, BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzricht-Richtlinie. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 53. – Bonn-Bad Godesberg. (S. 560).

GÖHRS, S. (1974): Tofieldietalia Prsg. apud Oberd. 49 (Caricetalia davallianae Br. – Bl. 49). – In: OBERDORFER, E. (Hrsg.): Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil I. 1977. (311 S.)

KOPPE, F. (1935): Das Moor bei der Saatzer Mühle, ein schwer bedrohtes Naturdenkmal. – Natur + Heimat, Heft 1, S. 3 – 5. Münster.

KOPPE, F. (1948): Botanisches Gutachten zum Quellsumpf 260, westlich Reelsen. – (unveröff.)

LÖBF (1999): Pflege- und Entwicklungsplan NSG Reitwiesen. (28 S.) Recklinghausen. (unveröff.)

LÖBF (2000): unveröffentlichte Daten der LÖBF

OBERDORFER, E. (Hrsg.) (1977): Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil I. 2. Aufl. – Stuttgart, New York: G. Fischer (311 S.)

RUNGE, F. (1960): Änderung der Vegetation im Moor an der ehemaligen Satzer Mühle im Laufe der letzten 170 Jahre. – In: Natur + Heimat 20: 120 – 123. Münster.

SCHIFFGENS, T. (1990): Schutz-, Entwicklungs- und Pflegekonzept für Kalkflachmoore und –sümpfe im Kreis Höxter auf der Grundlage vegetationskundlicher Untersuchungen. – Diplomarbeit (Unveröff.)

SCHULZ, A. & KOENEN, O. (1912): 40. Jahresbericht des Westfälischen Provinzial-Vereins für Wissenschaft und Kunst. (S. 200 ff.).

SUCCOW, M. & JESCHKE, L. (1986): Moore in der Landschaft. – Thun: Verlag Harri Deutsch (268 S.).

Anschrift des Autors:
Thomas Schiffgens,
Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (LÖBF),
Dezernat 34,
Castroper Str. 30,
45665 Recklinghausen

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