Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder

Iris Simon

EGGE-WESER Band 15 Seiten 61-64 2002

 

Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder

Iris Simon

Charakterisierung und Verbreitung

Der Lebensraumtyp Erlen-Eschen- und Weichholz-Auenwälder der FFH-Richtlinie umfaßt Fließgewässer begleitende Wälder unterschiedlicher Ausprägung. Vom Lebensraum Aue und von Auenwäldern spricht man, soweit zumindest Spitzenhochwasser reichen. So unterschiedlich sie in ihrem Erscheinungsbild und in ihrer Artenzusammensetzung auch sind, so sind sie doch sämtlich vom fließenden Wasser als wichtigstem Standortfaktor geprägt. Klimaverhältnisse treten dem gegenüber in den Hintergrund. Auenwälder gibt es in mehreren Klimazonen mit ähnlicher Artenzusammensetzung; man spricht deshalb auch von azonaler Vegetation (Ellenberg 1996).

Bei dem nach der FFH-Richtlinie prioritär geschütztem Lebensraumtyp handelt es sich nicht um die Erlenreihen, die zahllose Bäche, Vorfluter und Gräben in Nordrhein-Westfalen begleiten, oder die vereinzelten Weiden an Fließgewässern. Vielmehr sind dies nicht genutzte Waldstreifen, die in einen Waldbestand eingebettet sind, also das natürliche Gefüge von Gewässer, Gewässersaum, Waldsaum und Wald aufweisen.

Bachbegleitende Erlen-Eschenwälder

Bachbegleitende Erlen-Eschenwälder haben ihren Schwerpunkt entlang der Bäche und kleinen Flüsse im Mittelgebirgsraum, während sie in Nordwestdeutschland eine Besonderheit darstellen (Dierschke 1997). Hauptbaumart ist die Schwarz-Erle oder auch Rot-Erle (Alnus glutinosa). Die ebenfalls namensgebende Esche (Fraxinus excelior) tritt mit unterschiedlichem Anteil, aber hoher Stetigkeit hinzu. Die Krautschicht wird geprägt durch feuchtigkeitsliebende Arten wie die Hain-Sternmiere (Stellaria nemorum), die Kennart dieses Vegetationstyps. Häufige Begleiter sind das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria), das Wechselständige Milzkraut (Chrysosplenium alternifolium), die Winkel-Segge (Carex remota), der Frauenfarn (Athyrium filix-femina), der Blutrote Ampfer (Rumex sanguineus) und der Giersch (Aegopodium podagraria).

Der Boden ist ein Naßgley mit ganzjährig hohem Grundwasserstand (Dierschke 1997). Hochwasser tritt überwiegend im Winterhalbjahr, bei Starkregen auch im Sommer auf und je nach Lage des Einzugsgebietes gehäuft bei Schneeschmelze. Unabhängig vom Einzuggebiet sind Hochwasser an Bächen jedoch immer kurzzeitige Ereignisse, die oft nur wenige Stunden oder Tage andauern. Der Wasserstand übersteigt selten einen Meter. Hiermit heben sich die Standortverhältnisse an Bächen und kleineren Flüssen deutlich von denen an großen Flüssen ab. Hier sind unter natürlichen Verhältnissen Überschwemmungen von mehreren Wochen bis Monaten mit mehreren Metern Höhe die Regel. Während die Esche auch in den Hartholz-Auenwäldern großer Flüsse zu Hause ist, kommt die Schwarz-Erle dort natürlicherweise nicht vor, weil sie Überflutungen von mehr als einigen Dezimetern nur wenige Wochen ertragen kann. Die Schwarz-Erle versorgt ihr Wurzelwerk über Atemöffnungen im Stamm (sogenannte Lentizellen) mit Sauerstoff. Dieses Belüftungssystem ist so effektiv, daß sie ohne Probleme ganzjährig wassergesättigten und nahezu sauerstofffreien Niedermoorboden besiedeln kann. Werden die Atemöffnungen allerdings durch anhaltendes Hochwasser in ihrer Funktion behindert, ist die Toleranzgrenze der Schwarz-Erle bald erreicht. Durch die Fähigkeit der Schwarz-Erle, in ganzjährig wassergesättigtem Boden zu wachsen, gedeiht sie an der Mittelwasserlinie optimal. Ihr tiefreichendes Wurzelwerk bewirkt eine natürliche Uferbefestigung. Oft bilden Erlen einen regelrechten Vorhang aus Feinwurzeln zum Gewässer hin aus, der nicht nur zur Stabilisierung des Ufers beiträgt, sondern auch ein wichtiges Strukturelement im Lebensraum Fließgewässer darstellt.

Je nach Basenangebot und Höhenlage lassen sich unterschiedliche Typen der Auenwälder unterscheiden. Je geringer das Basenangebot ist, desto stärker tritt die Esche zurück. Auf den sauersten Böden findet man nur noch reine Erlenwäldern. Je besser jedoch die Basen- und Nährstoffversorgung insgesamt ist, um so konkurrenzfähiger wird die Esche gegenüber der Schwarz-Erle. Optimale Wuchsbedingungen findet die Esche an Hangfußbereichen mit tiefgründigen, nährstoffreichen Böden mit guter Wasserversorgung. Hier vermittelt sie zusammen mit anderen Edellaubhölzern wie Ahorn, Ulme und Eiche der Eichen-Hainbuchenwälder von den eigentlichen Auenwäldern zu den Buchenwäldern.

In den Alpen wird die Schwarz-Erle durch die Grau-Erle (Alnus incana) ersetzt. Den Grauerlenwäldern (Alnetum incanae) vorgelagert wachsen Weiden-Tamarisken-Gebüsche (Salici-Myricarietum) oder Grauweiden-Sanddorn-Gebüsche (Salicetum eleagno-daphnoides). Gebirgsbäche und -flüsse sind durch häufige aber meist kurzzeitige Hochwasser im Frühsommer (Schneeschmelze) und Hochsommer (Abschmelzen der Gletscher und Starkregen) gekennzeichnet.

Eine Sonderstellung nehmen Quellbereiche ein. Durch ihre Kleinflächigkeit treten Erlen-Sumpfwälder in engster Verzahnung mit Arten der Eichen-Hainbuchenwälder und der Buchenwälder auf. Meist ist der eigentliche Quellbereich nur durch die Krautschicht genau lokalisiert. Kennzeichnende Kräuter sind das Gegenständige Quellkraut (Chrysosplenium oppositifolium) und das Bittere Schaumkraut (Cardamine amara) (Dierschke 1997).

Weichholz-Auenwälder

Weichholz-Auenwälder sind bzw. waren die prägenden Wälder der häufig überschwemmten Tieflandauen größerer Flüsse. Bestandbildende Baumart ist die Silber-Weide (Salix alba), oft zusammen mit Salix x rubens, dem Bastard zwischen der Silber-Weide und der Bruch-Weide (Salix fragilis). Der Boden des Weichholz-Auenwaldes ist ein Gley mit unterschiedlich stark schwankendem Grundwasserspiegel. Den Weiden als Weichholzbaumarten verdanken die Weichholz-Auenwälder ihren deutschen Namen so wie die Hartholz-Auenwälder den Hartholzbaumarten wie Ulme und Stiel-Eiche. Hartholz-Auenwälder gelten als die struktur- und artenreichsten Wälder Mitteleuropas. Aber auch Weichholz-Auenwälder haben meist eine ausgeprägte Strauchschicht aus verschiedenen Strauchweiden und der Kratzbeere (Rubus caesius), oft vom Hopfen (Humulus lupulus) überwachsen, sowie eine artenreiche Krautschicht. Typische Kräuter sind verschiedene Seggen wie die Hängende Segge (Carex pendula) und die Schlamm-Segge (Carex acutiformis), das große Hexenkarut (Circea lutetiana), das Mädesüß (Filipendula ulmaria), die Echte Nelkenwurz (Geum urbanum) und der Hain-Gilbweiderich (Lysimachia nemorum). Dem Silberweiden-Auenwald vorgelagert ist das Mandel-Weiden-Korbweidengebüsch mit den namensgebenden Arten Mandel-Weide (Salix triandra) und Korb-Weide (Salix viminalis) sowie der Purpur-Weide (Salix purpurea). Alle Weidenarten der Flußauen sind durch schmale Blätter gekennzeichnet, die dem fließenden Wasser wenig Widerstand entgegensetzen. Mit ihren biegsamen Zweigen und ihrer schier unbegrenzten Regenerationsfähigkeit sind sie optimal an den Lebensraum Aue angepaßt.

Die biegsamen Zweige der schmalblättrigen Weidenarten wurden traditionell als Flechtmaterial zur Herstellung von Korbwaren genutzt, daher auch der Name Korb-Weide. Um den ehemals großen Bedarf an Flechtmaterial zu decken, wurden Weiden als Kopfweiden gezogen. Durch das regelmäßige „Köpfen“ immer in derselben Höhe trieben die Gehölze viele gleichmäßige Zweige, die leicht erreichbar waren. Kopfweiden mit ihrem charakteristischen Erscheinungsbild prägen auch heute noch viele Auen wie beispielsweise die Netheaue bei Ottbergen. Heute spielt die traditionelle Kopfweidennutzung keine Rolle mehr. Der Erhalt der Kopfweiden als naturschutzfachlich wie ästhetisch wertvolle Elemente der Kulturlandschaft durch entsprechende Pflege wird inzwischen vom Staat gefördert.

Nutzungsgeschichte

Auen, insbesondere in den niedrigeren Höhenlagen, gehören zu den schon früh besiedelten Gebieten Mitteleuropas. Insbesondere die Wuchsorte der Eichen-Hainbuchenwälder und der Hartholz-Auenwälder wurden frühzeitig vom Menschen genutzt. Als direkt benachbarte Vegetationseinheiten wurden natürlich auch die Erlen-Eschenwälder durch Holznutzung und Weidevieh geprägt. So sind die Bäche heute als Wiesenbäche nahezu baumfrei; allenfalls gibt es an ihren Ufern noch einreihige „Galeriewälder“. Häufig sind diese Galerien nur einseitig entlang des Gewässers ausgeprägt oder weisen große Lücken auf. Je schmaler und lückiger der Bestand ist, desto weniger verdient er die Bezeichnung „Wald“, da sich ein waldtypisches Innenklima kaum noch einstellen kann. Mit dem Waldklima verschwindet auch die waldtypische Krautvegetation. Echte, gut ausgebildete bachbegleitende Erlen-Eschenwälder und Weichholz-Auenwälder sind deshalb heute eine Rarität. Sie sind meist auf die engen Kerbtäler der Mittelgebirge beschränkt, die auch heute noch überwiegend als Waldstandorte genutzt werden. Leider sind aber auch hier viele Auenwälder durch Umwandlung in Fichtenforste zerstört worden. Glücklicherweise hat in der Forstwirtschaft schon vor einiger Zeit ein Umdenken stattgefunden: Immer mehr Bachauen werden wieder mit standortgerechten Erlen aufgeforstet.

Breitere Bach- und vor allem Flußtäler wurden traditionell als Grünland genutzt, häufig reich strukturiert mit Kopfweiden, Hecken und Obstwiesen. Winterliche Hochwasser mit nährstoffreicher Fracht aus feinen Bodenpartikeln waren als kostenlose Düngergaben willkommen. In einigen Bereichen wurde dies durch sogenanntes Flößen sogar künstlich auf größere Flächen ausgedehnt. Hierzu wurde ein ausgeklügeltes System aus Floßgräben und Wehren angelegt, so daß die Flächen gezielt geflutet werden konnten. Beispiele hierfür gibt es an der oberen Alme (am Nordrand des Sauerlandes) und in der Bruchtaue bei Brakel-Bellersen. Heute werden die fruchtbaren Auenböden zunehmend ackerbaulich genutzt. Damit werden die ehemals erwünschten Hochwasser zum schädlichen Störfaktor.

Bedeutung für den Naturschutz und das europäische Naturerbe

Der nach der FFH-Richtlinie prioritär geschützte Lebensraumtyp bachbegleitende Erlen-Eschenwälder und Weichholz-Auenwälder ist - wenn überhaupt - meist nur noch kleinflächig zu finden. Gut ausgeprägte Auenwaldbestände größerer Ausdehnung sind heute eine absolute Seltenheit und deshalb um so schützenswerter. Von besonderer Bedeutung sind Auenwälder als Lebensraum seltener Vogelarten wie Eisvogel, Wasseramsel, Karmingimpel, Kleinspecht, Nachtigall und Pirol. Aber auch verschiedene Schmetterlinge, vor allem Nachtfalter sowie Käfer und Schnecken sind auf Auenwälder spezialisiert. Viele dieser Tierarten sind nicht in der Lage, in andere Biotoptypen auszuweichen. Ihr Überleben hängt deshalb unmittelbar vom Erhalt der noch vorhandenen Auenwälder ab. Einige Arten, wie der Kleinspecht, brauchen Auenwälder, die in größere Waldkomplexe eingebettet sind.

Kurzcharakteristik der FFH-Lebensräume (Ssymank et al. 1998)

Erlen- und Eschenwälder und Weichholz-Auenwälder an Fließgewässern (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae), (NATURA 2000-Code 91E0)

Hierbei handelt es sich um Fließgewässerbegleitende Erlen- und Eschen-Auenwälder sowie quellige, durchsickerte Wälder in Tälern oder an Hangfüßen. In der planaren bis kollinen Stufe herrscht die Schwarz-Erle vor, in höheren Lagen tritt die Grau-Erlen an ihre Stelle. Ferner sind Weichholz-Auenwälder an regelmäßig überfluteten Flußufern mit eingeschlossen. Auf Grund der Seltenheit aller Auenwaldtypen werden hier sogar die Entwicklungsstufen dieses Lebensraums berücksichtigt, wenn auch nicht als prioritär.

Da es sich bei diesem Lebensraumtyp um sehr unterschiedliche Biotoptypen mit spezifischer Ökologie und Artenzusammensetzung handelt, wird nach Subtypen gemäß der Biotopzuordnung unterschieden:

  • Grauerlen-Auenwald, nur an montanen Fließgewässern in der montanen bis subalpinen Stufe verbreitet

  • Bach-Eschenwald, meist auf quelligen und durchsickerten mineralischen Böden entlang von Bächen und Flüssen und in Hangmulden anzutreffen

  • Schwarzerlenwald an Bächen und Flüssen von der planaren bis in die montane Stufe

  • Weichholz-Auenwald

Gefährdung

Auenwälder sind schon vor Jahrhunderten durch Begradigung und Eindeichung der Fließgewässer sowie Urbarmachung des Auenbodens für die Landwirtschaft zerstört worden. Die heute noch vorhandenen Auenwälder sind nicht mehr so sehr wie früher durch Abholzung und Umwandlung in standortfremde Forstgesellschaften, Grünland oder Acker gefährdet. Hier hat zum Glück ein Umdenken stattgefunden. Weit verbreitet und langfristig genauso schädlich sind aber schleichende Veränderungen der Auenwaldstandorte. Die größte Gefährdung entsteht bei tiefgreifender und meist irreversibler Grundwasserabsenkung. Der Prozeß der Eintiefung von Bächen und Flüssen in ihr natürliches Bett wird durch Begradigung und Verwallung der Ufer ausgelöst. Mit der Eintiefung des Bachbettes sinkt der Grundwasserspiegel der Aue. Ehemals dauernd nasse bis feuchte Bereiche werden trockengelegt, Überflutungen der Aue treten nur noch bei Spitzenhochwasser ein.

Bachbegleitende Erlen-Eschenwälder des europaweiten Schutzgebietsystems NATURA 2000 im Kreis Höxter

Kleinflächig gibt es bachbegleitende Erlen-Eschenwälder in mehreren Schutzgebieten des Kreises Höxter. Von besonderer Bedeutung sind die Bestände im Hinnenburger Forst mit Emder Bachtal bei Brakel und im Schwarzbachtal bei Hardehausen.

Hinnenburger Forst mit Emder Bachtal

Der Hinnenburger Forst westlich von Brakel bildet mit rund 1.500 ha eines der größten geschlossenen Kalkbuchenwaldgebiete im Kreis Höxter. Der Emder Bach durchfließt das Gebiet auf einer Länge von rund 4 km. Er ist einer der seltenen Bäche im Weserbergland, der – weitgehend naturbelassen – von Erlen-Eschen-Auenwäldern begleitet durch geschlossene Waldbestände fließt. Auch Eschen-Bach und Röte-Bach im Südteil des Hinnenburger Forstes und der Mühlenbach im Nordosten sind teilweise von Auenwald begleitet.

Schwarzbachtal

Das Schwarzbachtal im Südkreis Höxter bei Hardehausen umfaßt einen großflächigen Laubwaldkomplex auf bodensaurem Standort, der durch ein Bachsystem mit mehreren Quellbächen und den Schwarzbach gegliedert ist. Entlang der Bäche befinden sich für Nordrhein-Westfalen bedeutende Bestände bachbegleitender Erlen-Auenwälder. Als Arten von gemeinschaftlichem Interesse nach FFH- oder Vogelschutzrichtlinie haben beispielsweise der Eisvogel, der Mittel- und Schwarzspecht sowie der Schwarzstorch hier ihren Lebensraum.

Weitere größere Weichholz-Auenwälder befinden sich am Talbach bei Niesen und am Lebersiek bei Borgholz.

Literatur

Dierschke, H., Döring, U. & G. Hüners (1997): Der Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald (Pruno-Fraxinetum Oberd. 1953) im Nördöstlichen Niedersachsen.- Tüxenia 7: 367-379.

Ellenberg, Heinz (1996): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. –5., stark veränderte und verb. Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).

Pott, Richard (1995): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. –2., überarb. und stark erweiterte Aufl. – Stuttgart, Ulmer (UTB).

Ssymank, A., Haucke, U., Schröder, E., Rückriem, C. und Schröder, E. unter Mitarbeit von Messer, D. (1998): Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000: BfN-Handbuch zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 53: 565 S.



Anschrift der Autorin: Iris Simon, Herkestr. 6, 33014 Bad Driburg

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