Der Frauenschuh (Cypripedium calceolus L.)

Rudolf Singer 

EGGE-WESER Band 15 Seiten 65-66 2002

 

Der Frauenschuh (Cypripedium calceolus L.)

Rudolf Singer

Die Pflanze

Der Frauenschuh ist unter den heimischen Orchideen sicher die Art, die mit ihren großen Blüten auch dem nicht botanisch Interessierten ins Auge sticht, wenn er sie denn einmal zu sehen bekommt. Man findet ihn bei uns, auch wenn der Kreis Höxter an Orchideen nicht arm ist, nur höchst selten. Da er aber für die Ausweisung von FFH-Gebieten besondere Bedeutung hat, soll er hier zunächst kurz vorgestellt werden.

Abb. 1: Frauenschuh (Cypripedium calceolus L.)

Foto: F. Grawe

Die Pflanze wird bis 60cm groß, hat 2 bis 4 bis 20cm lange, ovale bis lanzettliche Blätter mit deutlichen Blattnerven. Sie trägt zumeist l oder 2 Blüten. Diese werden etwa 10cm groß und weichen in ihrer Form von denen anderer Liliengewächse (Tulpe, Schneeglöckchen, Maiglöckchen u. a.) merklich ab. Zwei der Blütenblätter sind zusammengewachsen und zeigen das manchmal durch eine Doppelspitze an. Mit drei schmaleren – zwei sind schraubig verdreht – bilden sie in ihrer dunklen, braunroten Färbung den Hintergrund für das völlig anders gestaltete sechste Blatt, die leuchtend gelbe Lippe, die fast wie ein hängender Pantoffel (Kesselfalle) geformt ist. Die Blütezeit erstreckt sich bei uns von Mitte Mai bis Anfang Juni. Neben Einzelpflanzen findet man häufig auch größere Gruppen; aus einem unterirdisch wachsenden, ausdauernden Sproß können mehrere oberirdische Triebe kommen, die nach der Samenbildung absterben. Die sehr kleinen, mit bloßem Auge gerade noch sichtbaren Samen enthalten neben der Keimzelle fast nur noch luftgefülltes Zellmaterial, also keinen Vorrat an Nährstoffen. Der Wind trägt sie kilometerweit (gute Ausbreitungschancen). Die Keimungswahrscheinlichkeit ist aber gering; nur beim Zusammentreffen einer Reihe von günstigen Umständen kann sich am neuen Platz ein Pflänzchen entwickeln. Aber auch dann dauert es noch drei Jahre, bis das erste Blatt erscheint, und weitere drei bis vier bis zur ersten Blüte.

Standortansprüche

Der Frauenschuh wächst vor allem auf Kalkuntergrund oder wenigstens kalkhaltigen Böden, die keinesfalls naß sein dürfen. Er ist eine Halbschattenpflanze; wächst der Standort zu, bleibt zunächst die Blüte aus, bei stärkerer Beschattung erlischt der Bestand schließlich. Man findet diese Art zumeist an lichten und damit krautreichen Bereichen des Buchenwaldes, aber ebenso in lockeren Kiefernforsten; selbst Fichtenbestände schließen sein Vorkommen nicht aus. In steileren Lagen ist er auch an den Rändern von Erosionsrinnen zu finden.

Verbreitung

Die Art kommt in Nordamerika und Eurasien vor; in Europa meidet sie den südlichen und den westlichen Teil. Im Westen bilden die Pyrenäen mit ihrem isolierten Vorkommen, im Süden die Alpen, die Bergregionen des nördlichen Balkans sowie die Karpathen die Ausbreitungsgrenze. Im Hochgebirge steigt die Pflanze bis auf 2000m Höhe. Die Hauptvorkommen in der Bundesrepublik befinden sich in Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern. In NRW erreicht die Art in den Kreisen Höxter und Warendorf die Nordwestgrenze ihres Verbreitungsraumes.

Gefährdung

Zur Blütezeit erkennt man die Pflanze mit der großen Blüte und der leuchtend gelben Lippe schon von weitem; aber auch sonst hebt sie sich durch ihre großen, etwas längsfaltigen Blätter von der übrigen Vegetation ab. Immer wieder wurden und werden Exemplare gepflückt oder sogar ausgegraben. Manche Bestände sind so schon dezimiert oder völlig vernichtet worden. Trotz strenger Schutzbestimmungen, die nicht nur für die ganze Pflanze, sondern auch alle ihre Teile (Blüte, Fruchtstand, Wurzel...) gelten, ist sie in NRW "stark gefährdet" (Rote Liste NRW) und an vielen früheren Fundorten bereits ausgestorben. Geblieben sind nur noch einige Standorte im Münsterland und im Weser- und Diemelgebiet. Darum sei auch hier noch einmal betont: Man darf alle einheimischen Orchideen nicht ankaufen oder verkaufen, besitzen, ausstellen, beschädigen, abpflücken, oder ausgraben (BNat SchG 20). Allerdings ist der Frauenschuh sicher auch gefährdet durch Umwelteinflüsse im weitesten Sinn. Dazu gehören die Überdüngung unserer ganzen Landschaft, auch der Wälder – die Bäume wachsen zur Zeit so gut wie lange nicht mehr, so daß manche Standorte durch Beschattung verschwinden –, oder stärkerer Holzeinschlag, der die Pflanzen plötzlich im vollen Sonnenlicht stehen läßt. Etwa 30 Vorkommen im südlichen und östlichen Westfalen sind uns nur noch aus alten Meldungen bekannt; selbst in den 20 Jahren hat es noch weitere Verluste gegeben, auch im Kreis Höxter.

Daher ist es verständlich, wenn zum Schutz der restlichen Bestände – soweit es sich nicht um Vorkommen mit nur einigen Exemplaren handelt – die Standorte in hinreichend großen Flächen als FFH-Gebiete ausgewählt wurden. Ob dann aber die Pflegepläne bei der derzeitigen Geldknappheit auch durchgeführt werden können, bleibt abzuwarten.

Schutz

Es wäre sicher wünschenswert, für die größeren Frauenschuhvorkommen wenigstens zur Blütezeit eine Bewachung einzurichten, um so das unbedachte Abpflücken zu unterbinden. Die weit größeren Schäden, die einem Bestand durch das unsinnige Ausgraben nicht nur einzelner Pflanzen zugefügt werden, lassen sich jedoch wegen der Beschränkung auf einen kurzen Zeitraum kaum verhindern. Auf jeden Fall sollten jedoch Fichtenbestände mit Frauenschuhvorkommen nach und nach in standortgerechte Buchenwälder umgewandelt werden.

Neuere Literatur zum Frauenschuh und den anderen Orchideen

Aus der großen Zahl der Orchideenbücher seien hier kurz zwei vorgestellt:

1. Arbeitskreis Heimische Orchideen NRW (Hrsg.),
Die Orchideen Nordrhein-Westfalens
, Selbstverlag 2001

Das Buch beschränkt sich auf das Gebiet von Nordrhein-Westfalen und behandelt die z.Zt. hier vorkommenden wie auch die ausgestorbenen Arten. Dazu enthält es eine Reihe von Abhandlungen, von "Geschichte der Orchideenkunde" bis zu "Hybridpopulationen von Dactylorhiza in NRW". Im Hauptteil wird jede Art auf vier Seiten dargestellt: Beschreibung der Art mit Angaben zu Blütezeit, Biotop, Merkmalen, Variationsbreite, ähnlichen Arten und der Gefährdung; zwei Seiten Farbbilder und Verbreitungskarten (ein Viertel-Meßtischblatt), auf denen zwischen älteren und aktuellen Funden unterschieden wird. Bei Interesse nachfragen! (Tel. 05253/2921)

2. C.A.J. Kreutz, Feldführer Deutsche Orchideen, Selbstverlag 2002

Der handliche Feldführer beschreibt nach kurzer Einführung (mit Blütenzeichnungen u. Bestimmungsschlüssel für die Gattungen!) die Arten der Bundesrepublik; die Angaben zur Verbreitung daher recht weiträumig gefaßt. Das Buch ist nur vom Verfasser zu beziehen.

 

(R. Singer)

Anschrift des Autors:
Rudolf Singer, Brahmsweg 2, 33014 Bad Driburg

zum Seitenanfang