Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 17 (2005)
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Das Naturschutzgebiet "Räuschenberg" bei Brenkhausen

Von Iris SIMON

Lage

Das Naturschutzgebiet „Räuschenberg“ umfasst 25,5 ha und liegt auf dem Gebiet der Stadt Höxter nordöstlich der Gemarkung Brenkhausen in direkter Nachbarschaft des Flughafens. Die Halbtrockenrasen sowie der kleinflächig anzutreffende Orchideen-Kalk-Buchenwald sind von gemeinschaftlichem Interesse, sodass das NSG mit einer geringfügigen Erweiterung als FFH-Gebiet in Brüssel gemeldet worden ist. Das Naturschutzgebiet liegt an einem südwestexponierten Oberhang und der Hangkante einer anschließenden kleinen Hochfläche, die hier allmählich in die ausgedehnte Fürstenauer Hochfläche übergeht. Ausgangsgestein des Räuschenbergs ist – wie bei fast allen „Kalk-Magerrasen“ im Kreis Höxter – der Obere und Mittlere Muschelkalk.

Abb. 1: Lage des NSG „Räuschenberg“

Geschichte

Der Räuschenberg diente lange Zeit als ortsnahe Gemeindeweide und wurde besonders von Ziegen beweidet. Noch 1938 existierte eine Herde von 100 - 120 Tieren. Während des 2. Weltkrieges und unmittelbar danach wurden im Bereich des heutigen NSG - auch in den steileren Hangbereichen - großflächig Kartoffeln angebaut. Zeugen der ehemaligen Ackernutzung lassen sich noch heute mit den z.T. sehr mächtigen und ausgedehnten Lesesteinhaufen finden, die im Zuge der Entsteinung der Flächen entstanden sind.

Nach dem Krieg (1945-1952) erfolgte eine unregelmäßige und extensive Beweidung mit 300 Schafen der Domäne Brenkhausen. Sie wurden nur gelegentlich an den Hang geführt und beweideten v.a. die Hochfläche. Von 1955-1972 wurde der Hang nur noch unregelmäßig von einer 400-600 Schafe zählenden Herde mitgenutzt, die zur Pflege des benachbarten Flugplatzes eingesetzt wurden.


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1972 wurde die Beweidung des Hanges eingestellt und erst 1985 wieder aufgenommen. In dieser Zeit nahm der bereits vorhandene Gehölzbesatz auf den Hängen rapide zu, sodass die Magerrasen auf kleine Flächen zurückgedrängt wurden (EICKHOFF & RICHTER 2000, KNÄLMANN 1996).

Das Naturschutzgebiet „Räuschenberg“ ist aufgrund der naturschutzbedeutsamen Kalk-Halbtrockenrasen, deren Größe und des Vorkommens von sehr seltenen und gefährdeten Pflanzen- und v.a. Schmetterlingsarten 1987 zum Schutzgebiet erklärt worden.

Abb. 2: Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha, Foto: Frank Grawe)

Schutzwürdigkeit/ Besonderheit

Das NSG zeichnet sich durch ein vielfältiges Mosaik an Kalk-Halbtrockenrasen, mageren und wüchsigen Grünlandbeständen, Laubmischwaldbeständen, Gebüschstrukturen, Lesesteinhaufen und einem ehemaligen Kalksteinbruch aus.

Die Vorkommen der meisten seltenen und gefährdeten Pflanzenarten sind am Räuschenberg auf die Kalk-Halbtrockenrasen konzentriert.

Die in NRW als gefährdet eingestuften lebensraum­typischen Arten wie z.B. Fransen-Enzian (Gentianella ciliata), Färber-Ginster (Genista tinctoria) oder Wacholder (Juniperus communis) kommen hier ebenso vor wie verschiedene Orchideenarten. Hier sind die Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera, RLNRW 3), die Große Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea, RLNRW 3), die Grüne Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha, RLBRD 3) und das Stattliche Knabenkraut (Orchis mascula) zu nennen (EICKHOFF & RICHTER 2000).

Der große Blüten- und Strukturreichtum des Räuschenberges bietet einer Reihe an wärmeliebenden (nektarsaugenden) Insektenarten einen geeigneten Lebensraum.

Die Kalkmagerrasen am Räuschenberg stellten bis in die 1980er Jahre einen für die Region einmaligen Schmetterlingsbiotop dar. Im Zeitraum von 1981-1985 wurden über 376 (!) Großschmetterlingsarten registriert, wovon im Jahre 1986 120 Arten auf der Roten Liste von NRW standen. 20 überwiegend gefährdete Arten wiesen dort die stärksten Populationen in Ostwestfalen-Lippe auf, einige Arten hatten hier ihr Hauptvorkommen in Nordrhein-Westfalen.

Durch die starke Zunahme der Verbuschung in den letzten Jahrzehnten sind jedoch viele Arten verschwunden. Auffallend für den Räuschenberg ist der im Vergleich zu anderen Magerrasen im Kreis Höxter sehr hohe Anteil an wärmeliebenden Schmetterlingsarten. Besonders bemerkenswert sind die Vorkommen des Sonnenröschen-Bläulings und des Schwalbenschwanzes, der den Flugplatz am Räuschenberg auch als Hilltopping-Gebiet nutzt. Beide Arten sind ähnlich wie die folgenden an trockene, warme Lebensräume gebunden.

Hilltopping (Gipfelbalz):
Balzflug von Insekten, insbesondere von Tagfaltern, um Bergkuppen und andere aus der umgebenden Landschaft herausragende Örtlichkeiten.

Wärmeliebende Bewohner des Räuschenbergs sind auch der Heidegrashüpfer (Stenobothrus lineatus), die Langfühler-Dornschrecke (Tetrix tenuicornis) sowie Kurzflügelige Beißschrecke (Metrioptera brachyptera), drei in NRW gefährdete Heuschreckenarten.



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Als wechselwarme Tiere sind alle Reptilien auf „Sonnenplätze“ angewiesen. Einige der im Weserbergland verbreiteten Arten, wie die Waldeidechse (Lacerta vivipara) und die Blindschleiche (Anguis fragilis) finden fast überall genügend Möglichkeiten, Wärme zu tanken. Andere Arten sind in ihren Vorkommen eng an südexponierte und damit sonnenverwöhnte Lagen wie den Räuschenberg gebunden. Hierzu zählen beispielsweise Zauneidechse (Lacerta agilis) und Schlingnatter (Coronella austriaca).

Das NSG „Räuschenberg“ beherbergt weiterhin eine Vielzahl an gefährdeten Brutvogelarten und ist auch für zahlreiche gefährdete Nahrungsgäste und rastende Durchzügler ein wichtiger Teillebensraum. Als kennzeichnender Brutvogel ist der Neuntöter zu nennen.

Abb. 3: Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera)
(Foto: Frank Grawe)

Pflege und Entwicklung des Gebiets

Um die ehemals großen zusammenhängenden Magerrasenflächen (vgl. Abb. 5) in ihrer typischen Ausprägung (lückig, kurzrasig) wiederherzustellen, wird seit 1988 auf dem Räuschenberg im Rahmen des Mittelgebirgsprogramms wieder eine Beweidung mit Schafen, zeitweise mit beigemischten Ziegen, durchgeführt. Die Anzahl der Tiere pro Beweidungsjahr variiert dabei zwischen 160 (1999) bis maximal 360 (1989) und lag in den letzten Jahren bei etwa 200 Tieren. Begleitend zu den Beweidungen kam es zu umfangreichen Entbuschungsmaßnahmen, die bis heute zusammen mit der Beseitigung von Stockausschlägen nahezu jährlich auf jeweils alternierenden Teilflächen durchgeführt werden.

Durch die Pflegemaßnahmen haben sich die Magerrasenflächen wieder auf die ehemals verbuschten Flächen ausdehnen können. Einzelne, wertbestimmende Pflanzenarten, darunter auch einige Orchideenarten konnten sich daraufhin wieder ausbreiten.

Abb. 4: Blick in das NSG „Räuschenberg“ (östlicher Teil, Foto: Burkhard Beinlich)

Literatur

EICKHOFF, T. & R. L. RICHTER (2000): Biotopmanagementplan zur Pflege und Entwickelbarkeit für das Naturschutzgebiet „Räuschenberg“ (Kreis Höxter). – unveröff. Gutachten, Büro Lanius, Beverungen.

KNÄLMANN, S. (1996): Zur Biologie und Ökologie von vier Zygaenidenarten (Lepidoptera, Zygaenidae) auf einem Kalkmagerrasenkomplex im Oberen Weserbergland. – unveröff. Diplomarbeit, Philipps-Universität Marburg.

SMOLIS, M. (1984) Faunistisch-ökologische Untersuchungen an tagfliegenden Schmetterlingen unter besonderer Berücksichtigung der Widderchen (Zygaenidae, Lepidoptera) im geplanten Naturschutzgebiet Räuschenberg bei Brenkhausen (Kr. Höxter) – Unveröff. Dipl.-arb. GH-Uni Paderborn (Höxter)



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Abb. 5: Gehölzentwicklung im NSG „Räuschenberg“ (nach KNÄLMANN 1996, verändert)

 

Anschrift der Verfasserin:

Iris Simon
Herkestr. 6
33014 Bad Driburg-Reelsen
simon.iris@gmx.de



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