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Das Naturschutzgebiet „Auf dem Berenbruch“ bei Fürstenau

Von Mathias LOHR

1 Lage

Der Berenbruch zwischen Fürstenau und Hohehaus ist für seinen hohen Artenreichtum insbesondere an Feuchtgebietsbewohnern bekannt. Aufgrund des Vorkommens zahlreicher seltener Pflanzen- und Tierarten wurde das Feuchtgebiet 1989 zum Naturschutzgebiet erklärt. Es umfasst eine Fläche von etwa 11,4 ha und liegt auf einer Höhe von etwa 270 m ü. NN im Bereich des Messtischblattes 4121 (Quadrant 4). Naturräumlich gehört der Berenbruch zum Lipper Bergland (naturräumliche Einheit 364.38, Löwendorfer Hügelland, Preywisch 1981) und liegt auf dem Gebiet der Stadt Höxter.

Abb. 1: Lage des NSG „Auf dem Berenbruch“ (Karte: W. Köble, © Geobasisdaten: LVA NRW, Bonn, 2005)

2 Landschaftsgeschichte

Die im Bereich des Unteren Keupers (Lettenkohlenkeuper) anstehenden Tonsteine (Mergel) bilden den geologischen Untergrund des Gebietes. An Böden finden sich überwiegend Braunerden und Parabraunerden, über den stark wasserstauenden Keuperschichten auch Pseudogleye.

Bis Anfang der 1930er Jahre wurde der Gemarkungsteil „Auf dem Berenbruch“ aufgrund der Bodenverhältnisse, die in weiten Teilen durch Nährstoffarmut und Staunässe geprägt sind, als Gemeinschaftsweide genutzt. Die Anlage von Drainagegräben durch den Reichsarbeitsdienst 1933 führte zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels und zur Umwandlung von weiten Teilen des Gebietes in Ackerflächen (Hedderich 1987). Lediglich Teile des heutigen Naturschutzgebietes wurden weiterhin als Grünland genutzt.

Einige Ackerschläge wurden nach ihrem Ankauf durch das Land Nordrhein-Westfalen in den 1980er Jahren wieder in Grünland umgewandelt.


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Die Drainagegräben wurden nicht beseitigt, sie werden aber seit 1986 nicht mehr geräumt (Eickhoff et al. 1997).

In kleineren Bereichen des heutigen Naturschutzgebietes wurde zwischen 1890 und 1910 Ton abgebaut. Die durch die Abgrabungstätigkeit entstandenen Kleingewässer wurden verfüllt oder verlandeten weitgehend, auch ein bis in die 1990er Jahre erhaltener Weiher im zentralen Teil des Naturschutzgebietes ist mittlerweile stark verlandet.

3 Vegetation und Pflanzenwelt

Die Bedeutung des Gebietes für den Naturschutz ergibt sich aus einem z. T. sehr kleinräumig ausgeprägten Mosaik unterschiedlicher Feuchtgebiets-Lebensräume. Durch Mahd genutztes Nass- und Feuchtgrünland, Nass- und Feuchtbrachen sowie ein verlandender Weiher mit Großseggenrieden, Röhrichtbeständen und Grauweidengebüschen stellen besonders wertvolle Lebensraumtypen im NSG dar. 2001 und 2003 wurde das Gewässerrepertoire durch das Abschieben zweier Blänken am östlichen bzw. westlichen Rand des NSG erweitert.

Tab. 1: Gefährdete und geschützte Gefäßpflanzenarten im NSG „Auf dem Berenbruch“
(nach Eickhoff et al. 1997 und Beobachtungen durch Mitarbeiter der Landschaftsstation im Kreis Höxter e. V.,
RL-Status nach LÖBF 1999)

Die Flora des Gebietes ist durch eine Anzahl seltener und gefährdeter Arten gekennzeichnet, mindestens 11 Arten der Roten Liste NRW wurden bislang nachgewiesen (Tab. 1). Auf der zentralen Nasswiese und auf Teilen der Feuchtgrünlandbrache ist v. a. eine artenreiche Kohldistelwiese (Angelico-Cirsietum oleracei (R. Tx. 1937)) ausgeprägt. Zur Flora der Nasswiese gehören Pflanzenarten, die im Kreis Höxter selten bzw. regional gefährdet sind (vgl. Häcker 1997). Hierzu zählen z. B. das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis, RLNRW 3N, LÖBF 1999), das mit 2280 blühenden Exemplaren im Jahre 2003 in einem regional bedeutsamen Bestand vorkommt, der Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris) und der Sumpf-Baldrian (Valeriana dioica).

Der verlandende Weiher zeichnete sich bereits in den 1980er und 1990er Jahren durch eine zumeist geringe Wassertiefe sowie große Wasserstandsschwankungen aus (Eickhoff et al. 1997). In Folge des Verlandungsprozesses ist die offene Wasserfläche in den letzten Jahren auf wenige m² geschrumpft. Von besonderer Bedeutung ist der Nachweis der Draht-Segge (Carex diandra), neben dem Vorkommen im Berenbruch sind lediglich zwei weitere Standorte in Nordrhein-Westfalen bekannt (Haeupler et al. 2003), die Art gilt momentan landesweit als vom Aussterben bedroht (LÖBF 1999). Ebenfalls sehr selten und in NRW vom Aussterben bedroht ist das schwimmende Moos Ricciocarpos natans, das die offene Restwasserfläche des Weihers zusammen mit Wasserlinsen bedeckt.


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4 Tierwelt

Das kleinräumige Mosaik unterschiedlicher Gewässer- und Feuchtgebiets-Lebensräume bietet vielen Amphibien zusagende Lebensbedingungen (Tab. 2). Laichgewässer und Jahreslebensraum liegen hier oft eng beieinander, so dass bislang sieben Arten in z. T. größeren Beständen nachgewiesen werden konnten (Hedderich 1987, Eickhoff et al. 1997).

Tab. 2: Bislang im NSG „Auf dem Berenbruch“ nachgewiesene Amphibienarten
(nach Eickhoff et al. 1997 und Beobachtungen durch Mitarbeiter der Landschaftsstation im Kreis Höxter e. V., RL-Status nach LÖBF 1999)

 

Abb. 2: Blänke im NSG „Auf dem Berenbruch“
29.07.2004 (Foto: M. Lohr)
 
Abb. 3: Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas) 10.07.1992 (Foto: M. Lohr)

Besonders bemerkenswert ist die regional bedeutsame Population des Laubfrosches (Hyla arborea), der bundes- und landesweit als stark gefährdet gilt (LÖBF 1999). Bis zu 50 rufende Männchen wurden bislang im Gebiet festgestellt.

Seit den 1970er Jahren ist der Berenbruch auch als Kammmolch-Lebensraum bekannt. 1997 konnte diese FFH-Art in zwei Paaren im verlandenden Weiher festgestellt werden (Eickhoff et al. 1997), 2003 gelang der Nachweis von 9 adulten Tieren durch den Einsatz von Molchreusen.

Eine Vielzahl von Libellenarten nutzt das Spektrum unterschiedlicher Gewässer des Berenbruchs zur Fortpflanzung (Tab. 3).


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Tab. 3: Bislang im NSG „Auf dem Berenbruch“ nachgewiesene Libellenarten
(nach eigenen Beobachtungen durch den Autor bzw. Böwingloh et al. 1984 und Liebelt in Eickhoff et al. 1997; RL-Status nach LÖBF 1999)

 

Die Feuchtwiese und periodisch austrocknende Bereiche der Blänken und Weiher nutzen Arten, die eine zeitweilige Austrocknung ihrer Fortpflanzungsgewässer tolerieren. Hierzu gehören mit der Glänzenden Binsenjungfer (Lestes dryas) und der Gefleckten Heidelibelle (Sympetrum flaveolum) zwei Arten der Roten Liste. Auch Einzelfunde der stark gefährdeten Arten Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pedemontanum) und Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus) belegen die hohe Bedeutung des Berenbruchs für die Libellenfauna.

Teile der Blänken sowie der verlandende Weiher werden von Arten besiedelt, die pflanzenreiche und z. T. anmoorige Gewässer bevorzugen.

Zu diesen Arten zählen z. B. die Kleine Binsenjungfer (Lestes virens) und die Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea). Zumindest die letztgenannte Art dürfte im Gebiet bodenständig sein.

Die Bedeutung des Weihers für diese Arten – wie auch für solche anderer Artengruppen – hat jedoch in den letzten Jahren in Folge voran-


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schreitender Verlandungsprozesse abgenommen. Viele der Arten, die noch 1997 am Weiher zahlreich festgestellt wurden, konnten 2004 nicht mehr nachgewiesen werden. Aus diesem Grunde wurden 2001 bzw. 2003 zwei neue flache Gewässer (Blänken) angelegt. Dies geschah im Rahmen des Artenhilfsprogramms Laubfrosch. Unterstützt wurde diese Initiative auch durch die Allianz-Umweltstiftung „Blauer Adler“ und Wirtschaftsunternehmen der Region. Für viele der bedrohten Arten haben sich diese Maßnahmen als sehr erfolgreich erwiesen, beide Blänken wurden sehr rasch von Erdkröten und Grasfröschen als Laichgewässer angenommen.

Abb. 4: Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum) 06.08.2003 (Foto: M. Lohr)

Das ältere, im Winter 2001 angelegte Gewässer, wurde 2003 erstmals auch vom Laubfrosch und vom Kammmolch als Laichgewässer genutzt, 2004 wurden an dieser Blänke die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas) und die Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) beobachtet. Exuvienfunde und Eiablagebeobachtungen belegen die Bodenständigkeit beider Arten in diesem Gewässer.

Für die jüngere Blänke gelang 2004 der Nachweis von Exuvien und geschlechtsreifen Tieren (Imagines) der Kleinen Pechlibelle (Ischnura pumilio), einer gefährdeten Art flacher, vegetationsarmer und damit stark besonnter Gewässer.


Auch für die Vogelwelt (Avifauna) ist der Berenbruch von hoher Bedeutung. An Brutvögeln konnten bislang Rohrammer (2003 ein Brutpaar), Goldammer (2003 mind. fünf BP), Dorngrasmücke (2003 vier BP), Gelbspötter (2003 zwei BP) und Kuckuck (2003 ein BP) festgestellt werden. Böwingloh et al. (1984) wiesen außerdem Teichralle, Bachstelze und Sumpfrohrsänger als Brutvögel nach. Die Rohrammer ist eine Art, die bevorzugt röhricht- und hochstaudenreiche Feuchtgebiete bewohnt. Sie gehört im Weserbergland aufgrund von Grundwasserabsenkungen und Beseitigung entsprechender Röhricht- und Hochstaudenbestände zu den gefährdeten Arten.

Durchziehende Vogelarten nutzen den Berenbruch oft als Rast- und Nahrungsplatz. Regelmäßige Nachweise der in NRW vom Aussterben bedrohten Bekassine (zugleich Art des Anhangs der Vogelschutzrichtlinie) sowie der Zwergschnepfe belegen dies.

Weitere bemerkenswerte Arten, die auf dem Durchzug oder auf Nahrungssuche festgestellt wurden, sind Krickente, Flussregenpfeifer, Steinschmätzer, Braunkehlchen und Raubwürger. Regelmäßige Beobachtungen des Neuntöters deuten darauf hin, dass diese Art in der näheren oder weiteren Umgebung brütet und das Gebiet ebenfalls zur Nahrungssuche nutzt.

5 Entwicklungsmaßnahmen

Der außerordentliche Reichtum an Artengemeinschaften und Lebensräumen im NSG „Auf dem Berenbruch“ lässt sich langfristig nur durch ein auf die Besonderheiten des Gebietes abgestimmtes Entwicklungskonzept erhalten. Dabei wird ein Biotopmanagement angestrebt, das sich an den Nutzungen orientiert, die zu der hohen Artenvielfalt geführt haben.

Für die Feuchtwiese im Kernbereich des NSG hat sich als ideale Nutzungsform die einschürige Mahd per Hand oder mit leichtem Gerät herausgestellt. Aufgrund des torfhaltigen, anmoorigen Untergrundes ist eine Mahd mit Schlepper hier nicht möglich. Unter diesen Bedingungen konnte in den letzten Jahren kein Landwirt als Nutzer für die Fläche gefunden werden. Eine reine Pflegemahd scheidet aufgrund der hohen Kosten durch die Entsorgung des Mähgutes aus. Aus diesem


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Grunde wurde im Spätsommer 2002 erstmals eine Beweidung mit relativ leichten, an den torfhaltigen Untergrund angepassten Moorschnucken vorgenommen. Aufgrund der zufriedenstellenden Ergebnisse dieser Maßnahme erfolgte eine längerfristige Etablierung der Beweidung durch entsprechende Verträge aus dem Kulturlandschaftsprogramm des Landes NRW. Bereiche mit hohem Gehölzaufkommen werden außerdem bei Bedarf mit dem Balkenmäher gemulcht.

Um dem durch die Verlandung des Weihers im Kernbereich des NSG drohenden Verlust an Gewässern mit offener Wasserfläche entgegenzuwirken, wurden – wie bereits in Kap. 4 beschrieben – 2001 bzw. 2003 zwei jeweils etwa 100 m² große Blänken angelegt. An diesen Gewässern erfolgt bei Bedarf kleinräumig die behutsame Entnahme von Verlandungsvegetation, um Arten wie dem Laubfrosch die entsprechenden Lebensbedingungen zu erhalten.

Abb. 5: Neu angelegte Blänke im NSG „Auf dem Berenbruch“ 14.04.2003 (Foto: U. Wycisk)

6 Literatur

Böwingloh, F. , S. Freundt, P. Pauschert & B. Gerken (1984): Beitrag zur Tierbestandsaufnahme in einem Feuchtgebiet bei Fürstenau–Hohehaus (Lkr. Höxter). – unver­öff. Gutachten im Auftrag der LÖBF

Eickhoff, T. & R. Richter unter Mitarbeit von R. Liebelt (1997): Pflege- und Entwicklungsplan für das Naturschutzgebiet „Auf dem Berenbruch“ (Kreis Höxter). – unveröff. Gutachten im Auftrag der LÖBF

Häcker, S. (1997): Atlas zur Verbreitung der Farn- und Blütenpflanzen im Kreis Höxter und angrenzenden Gebieten. Ergebnisse der Florakartierung 1980 bis Mai 1997. –Veröff. Naturkd. Ver. Egge-Weser 9, 9-152.

Haeupler, H., A. Jagel & W. Schumacher (2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen. – Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (Hrsg.), Recklinghausen.

Hedderich, B. (1987): Auswertung faunistisch-ökologischer Bestandsaufnahmen an zwei Feuchtgebieten im Kreis Höxter als Grundlage für die Pflege und Entwicklungsplanung. – unveröff. Dipl.-arb. an der Uni-GH Paderborn, Abteilung Höxter

Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/ Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung. – Recklinghausen.

Preywisch, K. (1981): Die naturräumliche Gliederung des Egge-Weser-Gebiets. – Jahrbuch Kreis Höxter 1981, 45-64.

Anschrift des Verfassers:

Mathias Lohr
Fachhochschule Lippe und Höxter
Fachgebiete Tierökologie und Landschaftsökologie
An der Wilhelmshöhe 44
37671 Höxter
mathias.lohr@fh-luh.de


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