www.egge-weser-digital.de — Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 20 (2008) 131-132

Gänsegeier über dem Köterberg

Von Jochen MÜLLER

Die Beobachtung

Wie bereits im letzten Ornithologischen Sammelbericht (MÜLLER 2007)und auch in der Tagespresse oder auf ntv.de veröffentlicht, kreiste am 16.6.2007 ein großer Trupp Gänsegeier (Gyps fulvus) über dem Köterberg. Das Auftreten von Geiern ist absolut neu für unsere Region und die Anzahl der Tiere auch deutschlandweit bemerkenswert. Aufgrund des Berichts besuchte ich den Beobachter, Köterbergwirt Rudolf Brand, befragte ihn nach Details und bat ihn um seine Fotos, die er freundlicherweise zur Verfügung stellte.

Abb. 1

Abb. 1: Blick aus dem Fenster auf ... Gänsegeier, 16.06.2008 (Foto: Rudolf Brand)

Die Geier kamen Samstag, dem 16. Juni, am frühen Abend von Norden und kreisten eine halbe Stunde lang über dem Südhang des Köterberges. Herr Brand und weitere Gäste zählten 32 Tiere und bestimmten sie als Gänsegeier. Die beiden Fotos (Abb. 1 und 2) belegen seine Angaben. Abb. 1 zeigt 28 Vögel, auf einem weiteren hier nicht veröffentlichten Bild sind 29 zu erkennen. Bei den 9 besser zu sehenden Tieren auf Abb. 2 handelt es sich um Gänsegeier, auf einem anderen hier nicht gezeigten Bild sind 11 Exemplare eindeutig zu bestimmen.

Theoretisch möglich wäre höchstens, dass sich unter den Trupp einzelne Mönchsgeier (Aegypius monachus) gemischt hätten, was bereits bei anderen in Deutschland beobachteten Geierschwärmen festgestellt wurde. Das ist aber eher unwahrscheinlich, da Mönchsgeier erstens viel seltener sind als Gänsegeier und zweitens auch den Beobachtern hätten auffallen können.

Bei Einbruch der Dunkelheit ließen sich die Vögel in einem nahe gelegenem Wald nieder. Am Sonntagmorgen kreisten noch mal 10 Geier über dem Berg und flogen dann nach Süden ab.

Was führte die Geier zu uns?

Dazu werden momentan zwei Theorien diskutiert, die sich aber eher ergänzen als widersprechen.

Theorie eins führt die Ausflüge der Geier auf Nahrungsmangel in ihrer vermutlich spanischen Heimat zurück. Dort dürfen seit 2006 wegen neuer EU-Hygieneverordnungen (BSE-Gefahr) die Kadaver von Rindern, Schafen und Ziegen nicht mehr offen liegen gelassen werden und stehen somit den Geiern nicht mehr als Nahrung zur Verfügung. Es wird vermutet, dass der Hunger die Tiere nach Norden treibt – hier dürften sie aber auch nicht sonderlich viel zu fressen finden.

Theorie zwei geht davon aus, dass es sich bei den Wanderungen um die Wiederaufnahme von alten Zugtraditionen handelt. Tatsächlich haben sich die Gänsegeier in Spanien seit 1980 auf ca. 22.000 Brutpaare vermehrt und brüten auch wieder mit ca. 600 Brutpaaren in Frankreich (Pyrenäen und Cevennen). Es ist typisch für Gänsegeier, dass Nichtbrüter neue Nahrungsquellen außerhalb der Brutgebiete suchen und deshalb im Sommer auf Wanderschaft gehen. Durch die Zunahme sind wieder mehr Tiere unterwegs und erschließen sich neue Streifgebiete.

Abb. 2

Abb. 2: Gänsegeier am Himmel über dem Köterberg, 16.06.2008 (Foto: Rudolf Brand)

Aufgrund der Diskussionen in den letzten Jahren wird auch gerne ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem Auftreten der Geier hergestellt.

Auf jeden Fall haben Einflüge der Gänsegeier in den letzten Jahren stark zugenommen mit vorläufigen Höhepunkten in den Jahren 2006 und 2007. In diesen beiden Jahren besuchten jeweils über 100 Tiere Deutschland, vor allem in den Monaten Mai und Juni. Meines Wissens handelt es sich bei der Beobachtung vom Köterberg um den größten Schwarm, der bis dahin in Deutschland gesichtet wurde. Sie stellt den ersten Nachweis der Art für den Kreis Höxter und vermutlich auch für die Kreise Lippe und Holzminden dar – auf dem Köterberg laufen die Grenzen der drei Kreise zusammen.

Abb. 3

Abb. 3: Gänsegeier (Gyps fulvus) (Foto: Richard Bartz; Wikipedia Lizenz Creative Commons Attribution ShareAlike 2.5)

Gänsegeier als Brutvogel in Deutschland

Der Gänsegeier war übrigens bis ins 19. Jahrhundert hinein noch Brutvogel in Süddeutschland. Auf der Schwäbischen Alb wurde aufgrund neuerlicher Beobachtungen bereits ein offizieller Futterplatz eingerichtet. Er soll beschickt werden sobald wieder Geier auftauchen in der Hoffnung, dass sie länger bleiben, regelmäßig kommen und irgendwann vielleicht sogar wieder als Brutvogel zurückkehren.

Literatur:

Avifaunistische Kommission der NWO (2008): Seltene Vogelarten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007. – Charadrius 2-3, 44: 49-66.

MÜLLER, Jochen: Ornithologischer Sammelbericht für den Kreis Höxter 2006 und erste Jahreshälfte 2007 – Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 19: 89.

Des Weiteren wurden Quellen aus dem Internet herangezogen. Drei empfehlenswerte Internetquellen zum Thema sind:

http://www.natur-lexikon.com/Texte/HWG/003/00216-Gaensegeier/HWG00216-Gaensegeier.html
http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%A4nsegeier_(Art)
http://www.n-tv.de/817963.html

TV-Bericht auf NTV (2007): Gänsegeier in Deutschland - Auf der Suche nach Nahrung.




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