www.egge-weser-digital.de — Beiträge zur Naturkunde zwischen Egge und Weser 21 (2009) 003-014

Der Kreuzenzian-Ameisenbläuling (Maculinea rebeli)
Zur Situation und Entwicklung der Vorkommen im Kreis Höxter
im Zeitraum von 1990 bis 2008

Von Manuela Siewers

Einleitung

Mit den recht großen Vorkommen von Maculinea rebeli im Kreis Höxter – sie bilden zusammen mit den benachbarten niedersächsischen und nordhessischen Populationen einen Verbreitungsschwerpunkt, der im norddeutschen Raum einzigartig ist – weist der Kreis eine faunistische Besonderheit auf. Denn durch den Verlust seines Lebensraumes, des Kalkmagerrasens, zählt der Kreuzenzian-Ameisenbläuling mittlerweile zu den stark gefährdeten Arten: Fast alle Populationen von Maculinea rebeli (Hirschke, 1904), der wissenschaftlich auch als Phengaris rebeli (Hirschke, 1904) und in der Vergangenheit als Glaucopsyche rebeli (Hirschke, 1904) bzw. Maculinea alcon ssp. rebeli (Hirschke, 1904) bezeichnet wird bzw. wurde, sind in Deutschland heute hochgradig in ihrer Existenz bedroht!

Die von der Autorin im Jahr 2008 erstellte Diplomarbeit "Der Kreuzenzian-Ameisenbläuling Maculinea rebeli – Auswertung faunistischer und populationsökologischer Untersuchungen im Hinblick auf die Entwicklung eines Artenschutzkonzeptes" beschäftigt sich daher eingehend mit dem aktuellen Zustand der hiesigen Vorkommen und deren Entwicklung seit 1990. Ziel der Arbeit war die Erarbeitung geeigneter Schutzmaßnahmen in Form eines auf die Biologie des Bläulings und die jeweilige Fläche abgestimmten Managements. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit sollen im Folgenden wiedergegeben werden.

Vorgehensweise

Im Sommer 2008 wurde auf ausgewählten Flächen im Kreis Höxter, bei denen ein aktuelles oder früheres Vorkommen des hochspezialisierten Bläulings Maculinea rebeli bekannt ist, eine umfangreiche quantitative Erfassung der Art in Form von Eihüllenzählungen durchgeführt (vgl. Tab. 2).

Unter Einbeziehung vorliegender Daten der letzten Jahrzehnte (u. a. Grünwald 1988, Meyer 1992, Hozak et al. 1998 & 1999, Beinlich et al. 2002 bis 2008, Bölke 2004, Möhring 2005) über Vorkommen und Populationsgrößen des Falters im Kreis Höxter wurde daraufhin auf der Grundlage der durch die Eihüllenzählungen 2008 gewonnenen Daten die Entwicklung der Bestände erarbeitet.

Anschließend erfolgte eine Gefährdungsanalyse mit Aussagen zu den (Meta-)Populationsstruk-turen sowie Zustand, Größe und Vernetzung der Habitate.

Verbreitung/Vorkommen

Bei Maculinea rebeli handelt es sich um eine in Europa endemische Bläulingsart mit einem Verbreitungsgebiet von Nordspanien über das mittlere Südeuropa bis Osteuropa, wobei das Hauptverbreitungsgebiet im östlichen Frankreich liegt (Ebert 1991). An den Fundorten kommt Maculinea rebeli meist in recht hoher Individuenzahl auf engstem Raum vor, doch in vielen Gegenden fehlt er auch völlig. Die Populationen liegen zumeist lokal und isoliert (Retzlaff 1973; Marktanner 1985).

In Deutschland finden sich die Verbreitungsschwerpunkte vor allem im süddeutschen Raum wie auf der Schwäbischen und Fränkischen Alb (s. Abb. 2). Auch dort wird die Bestandssituation von Maculinea rebeli als "eher rückgängig und sehr kritisch" angesehen. Ab 2003 wurden in Bayern 79 Standorte untersucht, die teilweise so klein waren (deutlich unter 1 ha), "dass hier sowieso nur eine kleine Enzian- bzw. Bläulingspopulation vorkommen" konnte. An 32 (= 40 %) Standorten konnte der Bläuling nicht mehr nachgewiesen werden. In nur fünf Fällen konnten die Populationen als "groß und einigermaßen stabil" bezeichnet werden (Geyer & Dolek 2003).

Abb.01

Kreuzenzian-Ameisenbläuling (Maculinea rebeli Hirschke, 1904)
(Syn.: Phengaris alcon ssp. rebeli, Phengaris rebeli, Maculinea alcon ssp. rebeli, Glaucopsyche rebeli, Glaucopsyche alcon ssp. rebeli)

Rote Liste NRW: 2 (stark gefährdet)
Rote Liste D: 2

Abb. 1: Eierlegendes Weibchen auf Kreuz-Enzian
(© Siewers 2009)

Kurzbeschreibung

Der Kreuzenzian-Ameisenbläuling, Maculinea rebeli, ist mit einer Flügelspannweite von etwa 3-4 cm ein relativ kleiner und unscheinbarer Falter, wenn er mit zusammengefalteten Flügeln gut versteckt in der Vegetation sitzt. Die Flügelunterseite ist bei beiden Geschlechtern hellgrau mit einem arttypischen Muster aus hell umrandeten, schwarzen Flecken. Die Flügeloberseite des Männchens ist intensiv blau gefärbt, die des Weibchens dunkelgraubraun mit mehr oder weniger ausgeprägter basaler Blaubestäubung. Beide Geschlechter besitzen ein schmales, 1-2 mm breites schwarzes Band am äußeren Flügelrand, gefolgt von einem weißen, fransigen Saum. Bei den Männchen fehlen gegenüber den anderen Maculinea-Arten (mit Ausnahme von M. alcon) die schwarzen Postdiskalflecke auf der Oberseite. Beim Weibchen heben sie sich kaum vom Untergrund ab (SBN 1987).

Ökologie und Phänologie

Maculinea rebeli weist eine hochspezialisierte Lebensweise in Form einer Vergesellschaftung der Bläulingsraupen mit Knotenameisen der Gattung Myrmica auf, Myrmekophilie genannt.

Die Flugzeit der Falter dauert etwa einen Monat von Mitte Juni bis Mitte Juli. In dieser Zeit legt das Weibchen die weißen Eier an die ausschließliche Raupenfutterpflanze, den Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata) ab. Die Raupe ernährt sich zunächst von den Staubbeuteln, Fruchtknoten und Samen der Blüte, lässt sich jedoch nach der dritten Häutung im Spätsommer zu Boden fallen, von einer Knotenameise adoptieren und in deren Nest eintragen. Dort lässt sie sich bis zur Verpuppung im nächsten Jahr von ihren Wirten durchfüttern (ELMES et al. 1991).

Auf Grund dieser komplexen Lebensweise ist Maculinea rebeli von den hinreichend großen Vorkommen seiner Raupenfutterpflanze, seiner Wirtsameisen und vom Zustand seines Lebensraumes, der Kalkmagerrasen, abhängig.

Lebensraum

Maculinea rebeli kommt auf Kalkmagerrasen mit ausreichenden Beständen des Kreuz-Enzians und hinreichenden Vorkommen seiner Wirtsameisen vor. Zwischen Larval- und Imaginalhabitat besteht in der Regel eine weitgehende Übereinstimmung. Zur Partnerfindung oder beim Blütenbesuch zur Nahrungsaufnahme können Falter auch außerhalb der Larvalhabitate angetroffen werden. Jedoch handelt es sich bei Maculinea rebeli um eine wenig mobile und äußerst standorttreue Art. Untersuchungen haben im Einzelfall eine Flugdistanz von max. 2,5 km ergeben (BÖLKE 2004 & MÖHRING 2005). Unter ungünstigen Geländebedingungen werden jedoch selbst kürzeste Wegstrecken unter 100 m nicht überwunden.

Abb.02

Abb. 2: Deutschlandweite Verbreitung von Maculinea rebeli
Quelle: BfN, Bonn, Datenbank LEPIDAT-BfN. Bearb.: P. PRETSCHER. Stand 2001 [in blau ergänzt aus: BÖTTCHER et al. (1993), NLWKN (schriftl.), REGIERUNGSPRÄSIDIUM KASSEL (schriftl.), NITSCHE & NITSCHE (2003), FARTMANN (2004)].

Abb.03

Abb. 3: Verbreitung von Maculinea rebeli im Kreis Höxter und dem angrenzenden Diemeltal.
Quelle: Daten der Landschaftsstation im Kreis Höxter, Stand 2002, und aus SIEWERS 2008

Ähnlich verhält es sich in Baden-Württemberg. An die Schwäbische Alb mit etwa einem Dutzend noch aktueller Nachweise schließen sich im Südwesten weitere vereinzelte Fundpunkte an. Davon räumlich schon weit getrennt sind die beiden aktuell belegten Vorkommen im südlichen Kraichgau und im Tauberland sowie ein Vorkommen im Bodenseebecken (EBERT 1991).

Ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt findet sich im Länderdreieck Nordrhein-Westfalen/Niedersachsen/Hessen. Die einzigen Vorkommen in NRW befinden sich im Kreis Höxter, wo Maculinea rebeli seine nördliche Verbreitungsgrenze erreicht. Es existieren Populationen im Bereich Willebadessen, Höxter-Ottbergen/-Bruchhausen/ Brakel-Erkeln und an der südlichen Kreisgrenze zu Hessen bei Borgentreich-Körbecke. Eine kleinere Population findet sich des weiteren bei Warburg-Bonenburg (vgl. Abb. 3).

In Hessen beschränken sich die Vorkommen von Maculinea rebeli auf den unteren Diemelbereich (BRAND & KRÜGENER, Regierungspräsidium Kassel, mdl. 2008). Lediglich ein weiterer Bestand einige Kilometer weiter südlich bei Zierenberg ist bekannt (NITSCHE & NITSCHE 2003).

In Niedersachsen ist Maculinea rebeli "sehr lokal und selten in den Kalklandschaften des Weser- Leine-Berglandes" anzutreffen. Zu den Fundorten zählen Flächen bei Bevern (1989-2003) und Bevern-Golmbach (1997-2003). Zudem wurde der Falter früher im Raum Alfeld beobachtet (LOBENSTEIN 2003).

Gefährdungsursachen

Maculinea rebeli ist auf Grund seiner komplexen Lebensweise und dem hohen Grad der Spezialisierung besonders anfällig für Veränderungen in seinem Lebensraum, da er sowohl auf das Vorkommen der Raupenfutterpflanze Gentiana cruciata wie auch das der thermophilen Wirtsameisen, die auf lockerwüchsigen Kalkmagerrasen vorkommen, angewiesen ist. Bei dichter und höherer geschlossener Grasnarbe verschwinden die Wirtsameisen und somit auch der Bläuling.

Weitere Gefährdungsursachen werden in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1: Gefährdungsursachen

Primär Verlust/Änderung der Habitatqualität:

  • Verlust der Habitate (z. B. durch Aufforstung, Umwandlung zu landwirtschaftlichen Nutzflächen, Freizeitaktivitäten wie Motocross, Überbauung)
  • Nutzungsaufgabe und Sukzession der Lebensräume (v. a. Vergrasung, Verfilzung, Verbrachung, Verbuschung)
  • Nutzungsänderung bzw. -intensivierung (v. a. Dünger, Biozide, Überbeweidung)
  • Eutrophierung durch angrenzende (Acker-) Flächen

Weiterhin (z. T. als Folge von Primärursachen):

  • Rückgang der Wirtsameisen (v. a. Myrmica schenkii) und/oder Verdrängung der Raupenfutterpflanze (Gentiana cruciata)
  • Überbelegung der Kreuz-Enziane -> Nahrungskonkurrenz der Raupen + weniger Enziansamen
  • witterungsbedingt (v. a. bei den Kleinstpopulationen mit geringen Kompensationsmöglichkeiten); Starkregenfälle während der Flugzeit der Adulten und nach der Eiablage; Vertrocknen der Enziane bei anhaltenden Hitzeperioden etc.

Populationsentwicklung 1990-2008

Die Untersuchungen zur aktuellen Populationsgröße von Maculinea rebeli im Kreis Höxter ergaben seit 1990 insgesamt eine positive Entwicklung, was auf das Bemühen zur Erweiterung und Optimierung der Habitate während der letzten Jahre zurückzuführen ist. Errechnete MEYER (1992) Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Gesamtindividuenzahl von ~ 500 Tieren, so stellte BÖLKE (2004) im Jahr 2003 mit ~ 1.750 Faltern schon eine deutliche Zunahme fest. 2008 konnte ein weiterer erfreulicher Anstieg der Gesamtindividuenzahl auf über 2.500 Tiere im Kreis Höxter ermittelt werden.

Unter Berücksichtigung der angrenzenden Vorkommen im nordhessischen Diemeltal und in Südniedersachsen handelt es sich somit um den vermutlich bedeutendsten Verbreitungsschwerpunkt von Maculinea rebeli in Deutschland. Der Kreis Höxter und der Landkreis Kassel tragen daher eine hohe Verantwortung für die Erhaltung dieser europaweit gefährdeten Art. Dennoch wurden im Jahr 2008 wie in den Jahren zuvor vorwiegend äußerst individuenarme Kleinstpopulationen vorgefunden (siehe Tab. 2).

Tab. 2: Aktuelle Populationsgröße im Kreis Höxter

Tab. 2: Aktuelle Populationsgröße im Kreis Höxter

Diese Kleinstpopulationen machten insgesamt 37 %, also mehr als ein Drittel aller untersuchten Flächen aus (s. Abb. 4). Auf vier Flächen bestanden die Populationen aus weniger als 10 Tieren. Auf Grund dieser dramatisch niedrigen Individuenzahl sind diese zudem isoliert liegenden Kleinstpopulationen äußerst anfällig für äußere Einflüsse, weshalb das langfristige Überleben dieser Populationen nicht gesichert ist. Zur Optimierung und Stabilisierung dieser Vorkommen sind dringend Schutzmaßnahmen erforderlich.

Noch deutlicher wird die Gefährdung des Bestandes von Maculinea rebeli bei der Auswertung hinsichtlich der Flächen, wo der Falter 2008 nicht mehr vorgefunden wurde. Sie machten 42 % – also fast die Hälfte – aller 1990 dokumentierten Bereiche aus. Auf 37 % der Flächen konnte auch Gentiana cruciata nicht mehr nachgewiesen werden.

Abb. 4: Flächenauswertung der Eihüllenzählungen 2008 hinsichtlich der Populationsgröße, (Siewers 2008)

Größere und in ihrem Bestand somit zumindest kurz- bis mittelfristig gesicherte Populationen (> 100 Individuen) fanden sich nur auf vier Flächen. Zahlen wie vom SBN (1987) beschrieben – Maculinea rebeli könne "an den besten Fundorten mehrere tausend Falter" umfassen – konnten 2008 mit 1.267 Tieren einzig auf einer Fläche (Erkeln I) errechnet werden. Diese Fläche stellt zusammen mit einer Fläche bei Willebadessen bezüglich der Populationsgröße eine absolute Ausnahme dar. Ähnlich hohe Individuenzahlen für weitere Vorkommen sind auch aus früheren Jahren nicht bekannt. Populationen von dieser Größenordnung sind zu einer Kompensation von Einbrüchen z. B. durch falsche Beweidungszeiten in der Lage. Für die Kleinstpopulationen, wie sie im Kreis Höxter auf den meisten Flächen festzustellen waren, hatten/haben solche Populationseinbrüche allerdings verheerende Folgen – im schlechtesten Fall das Erlöschen der Population. Besonders deutlich zeigt sich das im Untersuchungsgebiet auf einer Fläche, wo es während der letzten Jahre gehäuft zum Einbruch der Falterpopulation durch Schafbeweidung in Koppelhaltung während der Flugzeit kam.

Tab. 3: Habitatqualität im Kreis Höxter
Abb. 5: Flächenauswertung hinsichtlich Flächengröße und Distanz zur nächstgelegenen Fläche (Siewers 2008)

Artenschutzkonzept – Schutz durch Nutzung

Ziel des Artenschutzkonzeptes ist der Erhalt des Bläulings Maculinea rebeli in möglichst großen, überlebensfähigen Populationen. Dieses Ziel kann nur durch die Erhaltung, Optimierung und Erweiterung der aktuell noch vorhandenen Habitate erfolgen, die eine Kombination aus bestimmten Voraussetzungen erfüllen müssen: Neben einem genügend großen Blüten- und Nektarangebot zur Flugzeit der Falter im Juni und Juli müssen den Weibchen auf den Flächen geeignete Eiablagepflanzen von Gentiana cruciata in ausreichender Menge und Verteilung zur Verfügung stehen. Nach HOCHBERG liegt die optimale Dichte der Wirtspflanzen bei 1.000 bis 1.500 Exemplaren pro Hektar (HOCHBERG et al. 1994).

Außerdem müssen die ökologischen Ansprüche der äußerst thermophilen Wirtsameisen erfüllt sein, damit sie in genügender Dichte und ausreichend großen Kolonien um die Kreuz-Enziane herum vorhanden sind (MEYER 1992). Denn außerhalb des Nestes der Wirtsameisen können die Raupen von Maculinea rebeli ihren Entwicklungszyklus nicht abschließen. Wenn um mehrere stark belegte Raupenfutterpflanzen jedoch nur wenige Ameisennester vorhanden sind, werden zu viele Raupen eingetragen, so dass die Nahrung im Endeffekt für nicht einmal eine Raupe reicht. CLARKE et al. (1998) geben an, dass ein Myrmica-Nest eine Raupe pro 50 Arbeiterinnen aufziehen kann. Andernfalls treten die Bläulingsraupen in innerartliche Nahrungskonkurrenz.

Da die noch vorhandenen Habitate von Maculinea rebeli, die anthropozoogen entstandenen Kalkmagerrasen, außerhalb der regelmäßig entbuschten Naturschutzgebiete in einer stetigen Sukzession begriffen sind und der Flächenverlust – trotz Unterschutzstellung – stetig voranschreitet, kann die Umsetzung des Ziels nur durch eine Wiederaufnahme bzw. Fortführung der Nutzung erfolgen. Wichtigster Faktor bei der Aufnahme der Nutzung ist die Abstimmung der Bewirtschaftung und der Pflege auf die Lebensraumansprüche und Lebenszyklen der hier dargestellten Zielarten.

Während Gentiana cruciata mit einer kurzzeitigen Versaumung der Magerrasen gut zurecht kommt, brauchen die Knotenameisen eine möglichst lückige Vegetationsstruktur mit offenen Bodenstellen, wo die Sonne den Boden erreicht und somit den Ameisen die benötigte hohe Temperatur im Nest liefert. Zwischen diesen Gegensätzen muss ein angemessener Kompromiss gefunden werden, da der Bläuling beide Komponenten in extremer Nähe benötigt.

Zahlreiche Untersuchungen (u. a. MEYER 1992, BEINLICH et al. 2002-08, BÖLKE 2004, MÖHRING 2005) zeigten, dass von einer extensiven Beweidung sowohl die Raupenfutterpflanze, als auch die Wirtsameisen von Maculinea rebeli profitieren. Zudem wirkt sich eine Beweidung zu einem geeigneten Zeitpunkt positiv auf den Blütenreichtum und somit das Nektarangebot für die Imagines aus.

Abb. 6: Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata) mit Eiern des Kreuzenzian-Ameisenbläulings (<em>Maculinea rebeli</em>; Foto: Frank Grawe)

Die erste Priorität des Artenschutzes muss in der Erhaltung und Optimierung der stabilen größeren Populationen liegen. Auf Grund der hohen Gefährdung von Maculinea rebeli sowie der in ganz Deutschland niedrigen Populationsgrößen ist im Sinne des Erhalts der Metapopulationsstrukturen aber auch der Schutz der Kleinstpopulationen von Bedeutung. Unter diesen Aspekt fallen im Untersuchungsgebiet die Teilflächen, wo Metapopulationsstrukturen nachgewiesen wurden bzw. wiederhergestellt werden sollen, aber auch v. a. eine Fläche bei Bonenburg, die äußerst isoliert liegt. Hier ist die Einbeziehung weiterer benachbarter Magerrasen-/Magergrünlandflächen besonders wichtig, wenn man langfristig eine stabile Population aufbauen will.

Dass die Kleinstpopulationen ein enormes Potenzial bieten und sich aus ihnen stabile Populationen entwickeln können, zeigt beispielsweise eine Fläche bei Erkeln: Während 1990 nur zwei Falter nachgewiesen werden konnten, stieg die Population seitdem explosionsartig auf aktuell über 1.200 Tiere an. Dieser Erfolg konnte sogar mit geringem Arbeitsaufwand und finanziellen Mitteln erzielt werden. Die regelmäßige Flächenpflege zur Bekämpfung der Verbuschung sowie die an den Magerrasen grenzenden Ackerbrachen haben zur Erreichung dieser enormen Bestandserweiterung gereicht.

Anmerkung: Die Schutzziele beziehen sich nicht nur auf die schon unter Schutz gestellten Gebiete, wo sie größtenteils schon realisiert wurden, sondern verstärkt auf die Flächen, die kein Naturschutz- oder Fauna-Flora-Habitat-Gebiet sind. Hier ist ggf. auch eine Reduzierung von Nährstoff- und Schadstoffeinträgen im Bereich der Vorkommen durch Anlage von Pufferzonen bzw. Nutzungsextensivierung erforderlich, da Ackerflächen z. T. direkt an die Habitate grenzen.

Tab. 4 Schutzziele und Pflegemaßnahmen im Überblick

  • Schutz aller Vorkommen in Nordrhein-Westfalen
  • Erhaltung und Entwicklung der Flugorte mit stabilen Beständen von Raupenfutterpflanze (Gentiana cruciata) und Wirtsameisen (v. a. Myrmica schenkii)
  • Sicherung der Nutzung/Pflege der Habitate
  • Habitaterhaltende Pflegemaßnahmen:
    • Extensive Beweidung (im Idealfall Hüteweidewirtschaft mit Schafherden)
    • Optimierung und Ausdehnung der Habitate durch Entbuschungen (Erstinstandsetzung und Folgepflege) und/oder Flächenneugewinn
    • Schonende Unterhaltung von Säumen, Böschungen, Straßen- und Wegrändern (v. a. keine Biozide)
  • Vernetzung der Flugorte zur Förderung populationsdynamischer Prozesse (genetischer Austausch, Wiederbesiedlung)
  • Ggf. Reduzierung von Nährstoff- und Schadstoffeinträgen im Bereich der Vorkommen durch Anlage von Pufferzonen bzw. Nutzungsextensivierung (keine Düngung, keine Biozide)
  • Regelmäßige Bestandskontrollen und Flächenmonitoring

Danksagung

Herzlich bedanken möchte ich mich bei folgenden Personen:

  • meiner Familie, die mir das Studium ermöglicht und mich während der letzten vier Jahre stets unterstützt hat;
  • meinen Diplombetreuern, Herrn Dr. Beinlich und Prof. Dr. Türk, für die gute Betreuung und Unterstützung in allen Phasen der Arbeit und des Studiums;
  • den Mitarbeitern der Landschaftsstation im Kreis Höxter für die Unterstützung und die mir zur Verfügung gestellten Daten, speziell bei Herrn Walter Köble;
  • bei Ulrike Möhring, die mich im Rahmen ihrer Diplomarbeit und meines Praktikums mit dem Falter und der Thematik bekannt machte;
  • Herrn Rainer Hozak für das Bereitstellen der umfangreichen Unterlagen und die hilfreichen Informationen;
  • Herrn Heinrich Biermann für die mir zur Verfügung gestellten Daten und Literatur sowie für die nützlichen Tipps;
  • den Herren Axel Krügener und Cord Brand vom Regierungspräsidium Kassel für die Einsicht in die Unterlagen über das Vorkommen von Maculinea rebeli in Hessen;
  • Herrn Dr. Alexander Pelzer vom NLWKN für die Übersendung der Daten aus Niedersachsen;
  • meinen Kommilitoninnen Katrin Knorn, Birgit Schorsch und Stephanie Stüwe für die aktive Feldarbeit und die konstruktiven Anregungen.

Erst durch Eure/Ihre Mithilfe konnte ein so gutes Endergebnis erzielt werden!

Abb. 7: Ulrike Möhring beim Fangen von Kreuzenzian-Ameisenbläulingen (<em>Maculinea rebeli</em>) auf den Kalktriften bei Willebadessen  (Foto: Frank Grawe)

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Siewers, M. (2008): Der Kreuzenzian-Ameisenbläuling Maculinea rebeli. Auswertung faunistischer und populationsökologischer Untersuchungen im Hinblick auf die Entwicklung eines Artenschutzkonzeptes. – Unveröff. Diplomarbeit Hochschule OWL. 123 S.


  Anschrift der Verfasserin:
     Manuela Siewers
     Vor den Kämpen 3
     37671 Höxter
     manuela.siewers@gmx.de